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Werbung für den Fußball mit "Hurensöhnen"?

„Die Atmosphäre war super“, beschreibt es Steffen Hofmann. „ Auf dem Platz war es richtig geil“, sagt Lukas Spendlhofer. Fantastische Stimmung und eine packende Partie also. So ungefähr wurde der Schlager SK Sturm gegen SK Rapid der letzten Bundesliga-Runde überall zusammengefasst. Von den Medien und den Protagonisten auf dem Feld sowie an der Linie.

Und es stimmt schon. Es gibt nur selten Spiele hierzulande, die im Vorfeld dieses gewisse Kribbeln erzeugen und der Erwartungshaltung dann auch noch standhalten. Wenn Grün-weiß und Schwarz-weiß aufeinandertreffen, ist die Chance diesbezüglich mittlerweile am größten. Die beiden aktivsten und lautstärksten Fanszenen treffen aufeinander, Spektakel ist also Programm.

Lässige Choreografien, super Stadionsound, alles wunderbar. Aber was in der einhellig überschwänglichen Nachbetrachtung vergessen wurde, ist, dass es eben nicht nur Werbung für den Fußball von Seiten der Fans gab. Wie schon rund um die „Sauschädl-Causa“ im Herbstdurchgang schallten die „Florian Kainz, du Sohn einer Hure“-Chöre in schöner Regelmäßigkeit durch Liebenau. Trotzdem man von einem führenden Vertreter der Grazer Fanclubs nach dem Spiel erfährt, es hätte sogar im Vorfeld eine Strategie zur Deeskalation gegeben. Von Appellen, die Unterstützung der eigenen Mannschaft der Diffamierung vorzuziehen, ist da auch die Rede.

Diese haben offenbar nicht überall gefruchtet. Es mag von einzelnen „Zellen“ ausgegangen sein, die das angestimmt haben, in Folge wurden die Gesänge aber wieder im Kollektiv vorgetragen. Die, die nicht mitgemacht haben, waren jene in der Minderzahl. Dem Fanclubvertreter ginge dies „schwer am Oasch“, erzählt er. Dass es dann noch Jubelgesänge für Michael Madl gab, nachdem er Kainz ziemlich rustikal umgesenst hat, hat das Spektrum im Vergleich zum Herbst dann noch um eine Blödheit erweitert.

Nur zur Klarstellung: Ich weiß schon, ein Fußballplatz ist kein Ort für ein Galadinner und eine gewisse Bodenständigkeit gehört ins Stadion. Man muss auch nicht immer schön sprechen und die Emotion ist Teil der Atmosphäre. Aber diese Gesänge sind schlicht dumm, primitiv und außerdem ein Stück weit lächerlich. Ein Spieler ist zu einem Verein gegangen, der mehr bezahlt. Und ja, Kainz hat irgendwann einmal gesagt, er ginge von Sturm weg nur ins Ausland. Alle anderen umjubelten Kicker in schwarz-weiß würden exakt dasselbe tun, hätten sie die Möglichkeit dazu. Leute wie einst Mario Haas, der innerhalb Österreichs sicher nie zu einem anderen Verein gegangen wäre, sind eine aussterbende Spezies.

Außerdem: Gerade Vertreter organisierter Fangruppen, die sich einerseits zu Recht gegen Repression und Einschränkungen wehren, obwohl Teile von ihnen selbst oft nicht besonders viel dazu beitragen, dass die Situation sich verbessert, sollten in die andere Richtung nicht so wehleidig sein. Florian Kainz hat seinem Image in Graz mit dem Wechsel zu Rapid trotz „Auslandstransfer only“-Ansage natürlich einen Bärendienst erwiesen. Aber sich auch beim wiederholten Aufeinandertreffen der beiden Vereine erneut hysterisch-primitiv aufzupudeln, ist wirklich ziemlich armselig, liebe Hurensohn-Singer im Grazer Norden.

Aber wahrscheinlich muss man damit leben. Ein paar fangen an, die Massendynamik erzeugt eine kollektive Denkblockade und alle singen mit. Schade um die ansonsten so großartige Atmosphäre. Schade um die gescheiterten Appelle der führenden Fanclubleute. Schade, dass es im Fachgebiet „Verunglimpfung eines ungeliebten Gegenspielers“ nicht mehr Kreativpotenzial gibt, als Hurensohn zu plärren. Aber wahrscheinlich muss man schon zufrieden sein, wenn der Tenor „wir singen nix mit schwul" sich langsam aber sicher verfestigt.


 

Jürgen Pucher war Gründungsmitglied der Plattform „sturm12.at“ und hat dort über Jahre hinweg mit seiner Kolumne „12 Meter“ die Diskussionen rund um den Grazer Verein und den österreichischen Fußball extrem bereichert. Ab sofort wird er in regelmäßigen Abständen bei LAOLA1 Gastkommentare zum Geschehen im heimischen Kick verfassen.