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Ein "roter Faden" Namens Jauk

Wir titeln unsere Erstgeschichte zur jüngsten Personalrochade in Graz mit „Sturm Ganz Neu“.

Zugegeben, das ist ein wenig spöttisch. Aber womöglich hat es sich dieser Verein nach dem Kasperltheater, das sich in den vergangenen Wochen und Monaten hinter den Kulissen abgespielt hat, zurzeit auch nicht anders verdient.

Diese schwierig zu überblickende – möglicherweise aber typisch fußball-österreichische - Geschichte hat viele Facetten, aber einen „roten Faden“: Christian Jauk.

Der Banker ist Anfang des Jahres angetreten, um Sturm zukunftsfit zu machen, den Verein auf moderne Beine zu stellen, weit weg von der Ehrenamtlichkeit. Der Anspruch lautete - wenn auch unausgesprochen - durchaus, dabei „unösterreichisch“ zu agieren.

Die Skepsis der Alteingesessenen war ihm dabei ebenso sicher wie der Applaus fortschrittlich denkender Beobachter. So manche Maßnahme, etwa die unorthodoxe Trainerbestellung von Peter Hyballa oder die Idee, mit Christopher Houben einen integren Quereinsteiger aus der Wirtschaft zu holen, hatte auf dem Papier fraglos ihren Charme.

Die womöglich unüberwindbare Hürde ist jedoch: Man muss die eigenen gut klingenden Konzepte im Alltag auch mit Leben füllen. Daran ist Jauk bislang gescheitert – und zwar nicht knapp, sondern grandios.

Das kommt nur bedingt überraschend. Den Verdacht, dass das Vereinsoberhaupt ein Marketing-Genie in eigener Sache ist, hegen viele Kritiker wohl nicht ganz unbegründet schon lange. Er ist eloquent, besitzt die Gabe, Gesprächspartner mit der jeweils erhofften Botschaft zu bedienen, einfach „gut rüberzukommen“. In der Politik nannte man das einst „Teflon“.

Verwunderlich wird es erst, wenn man vertrauliche Gespräche mit diversen, nicht einmal miteinander in Zusammenhang stehenden Wegbegleitern und Beobachtern Jauks führt.

Man muss es leider so klar sagen: Positive Zeugnisse sind kaum dabei, eigentlich gar nicht. Zwei immer wieder gehörte und beunruhigende Charakterisierungen: „Eine Ich-AG“ beziehungsweise „dem geht’s nur darum, Sturm-Präsident zu sein, die Strukturen sind ihm egal.“

Um dies wirklich verifizieren zu können, muss man wohl enger mit ihm zusammengearbeitet haben. Dass die Zustände im Sturm-Office dem Vernehmen nach jede Menge Stoff für eine Soap Opera liefern würden, spricht jedoch nicht gerade für ein förderliches und konstruktives Arbeitsklima.

Und für dieses ist der Präsident zumindest mitverantwortlich. Dass Jauk binnen kürzester Zeit zwei leitende Angestellte abhandenkommen, ist jedenfalls ein Alarmzeichen. Nur eine Frage: Warum will ein begeisterungsfähiger, vor kreativer Ideen sprudelnder Geschäftsführer wie Houben – laut Jauk – nach einem halben Jahr nichts mehr mit Fußball zu tun haben? Abgänge in der Mitarbeiter-Ebene darunter und deren wahren Hintergründe werden ohnehin kaum durchleuchtet.

Mit einem „Pyramiden-Modell“ in der Geschäftsleitung versucht Jauk nun einen Befreiungsschlag. Kein schlechter Move, denn bislang ist es dem geschickten Kommunikationsstrategen gelungen, unbequeme Fragen in seine Richtung nicht aufkommen zu lassen.

Das ist im Prinzip auch okay so, jeder verdient eine faire Chance sich zu beweisen. Die neue Führungsriege um Gerhard Goldbrich bekommt sie ab sofort, Jauk hatte sie bereits. Der Präsident hat sein „Streichresultat“ hinter sich, nun steht er gehörig unter Druck, sein System und möglicherweise sogar seine Präsidentschaft stehen und fallen mit dem Gelingen dieser neuen Struktur.

Der Spielraum für erneutes Scheitern ist praktisch nicht vorhanden. Das weiß Jauk natürlich, er formulierte es unlängst so: „Der nächste Elfmeter muss sitzen.“

Möglicherweise auch deshalb geht er auf Nummer sicher. Monatelang hat Jauk nach neuem Personal gesucht, ehe er ausschließlich intern fündig wurde. Das Risiko ist gering, der Weg der Aufbruchstimmung weg vom Provinzialismus ad acta gelegt.

Gerade General Manager Goldbrich könnte diesbezüglich ein geschickter Schachzug sein. Ein Player mitten aus der nicht ganz einfachen Grazer Szene. Man kennt sich, man mag sich, die Kommunikationswege in die Lokalredaktionen sind kurze, man hat schließlich bereits Hand in Hand zusammengearbeitet.

Der Gegenwind, der „Sturm Neu“, diesem unbekannten Etwas mit Protagonisten von außen, spürbar entgegengeweht ist, sollte jedenfalls wieder auf Flaute zurückgehen. Böse Zungen würden von „Verhaberung reloaded“ sprechen, man brät wieder im eigenen Saft.

Gibt es etwas zu kritisieren, werden es „die beiden Deutschen“ abbekommen, darauf lassen sich jetzt schon Wetten abschließen.

Nicht falsch verstehen: Auch Goldbrich verdient, wie gesagt, eine faire Chance (sein Lebenslauf qualifiziert ihn definitiv für solch eine Position). Wie auch Ayhan Tumani, der noch einige Male seinen Aufstieg vom Co-Trainer (Jauk: „Dieser Begriff ist eine Erfindung der Internetforen“) zum Geschäftsführer wird rechtfertigen müssen (ebenfalls jede Wette), und vor allem Daniela Tscherk, die in ihren wenigen Monaten bei Sturm gute Arbeit geleistet hat.

Ein Signal der Erneuerung, der von Jauk viel zitierte Paradigmenwechsel, eine „mutige Entscheidung“ (Jauk stolz über sich selbst nach der Bestellung von Gludovatz und Houben) sieht dennoch anders aus.

Letztlich wird es aber ohnehin davon abhängen, wie viel – oder wie wenig – sich Jauk selbst ins Tagesgeschäft einbringt.

Sein – nicht zum ersten Mal geäußertes – Credo bei der Präsentation der neuen Geschäftsführung: „Uns ist wichtig, dass Sturm Graz von Profis geführt wird. Damit ist nicht das Präsidium gemeint.“

Ja, wo er Recht hat, hat er Recht, der Herr Präsident. Nach diesen Worten wären Taten – oder besser gesagt: keine Taten – gefragt.

Nicht dass man in Bälde über „Sturm Jetzt Aber Wirklich Ganz Nigelnagelneu“ spotten muss…