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Das Koller-Gerüchte-Spiel

Das Koller-Gerüchte-Spiel

Die Fragestellung war dezidiert unabhängig vom aktuellen Klatsch und Tratsch, sondern zielte darauf ab, wie verlockend die deutsche Bundesliga generell für einen Trainer sei.

Marcel Koller antwortete folgendes: „Das ist natürlich immer attraktiv. Ich war ja schon dort. Das ist das Land des Weltmeisters. Daher ist das sicher weiterhin attraktiv.“

Ja eh. Dagegen kann man schwer etwas einwenden. Jedes Wort stimmt.

Aber irgendwie denkt sich trotzdem jeder dasselbe, oder?

Man darf Koller unterstellen, dass er weiß, dass Leute in Allgemeinsätze wie diese in Zeiten des kolportierten Interesses von Borussia Mönchengladbach mehr hineininterpretieren, als sie – vielleicht – aussagen sollten. Dafür ist der Schweizer Medienprofi genug. Möglicherweise nimmt er es sogar bewusst in Kauf. Ungeschickt wäre es ja nicht.

Irgendwie ist es ein ähnliches Spiel wie vor zwei Jahren. Pünktlich mit dem Ende einer Qualifikations-Kampagne tauchen Gerüchte über die Zukunft des Erfolgscoaches auf, sehr gerne gestreut vom „Blick“, zu dem das Koller-Management ja nicht die schlechtesten Kontakte haben soll.

Ein Unterschied: 2013 lag das Interesse des Schweizer Verbandes bereits konkret am Tisch. Noch größerer und vor allem wesentlicherer Unterschied: Damals war der Schweizer sofort frei, diesmal ist er noch bis zum Ende der EURO 2016 gebunden.

Es mag nur eine Vermutung und nicht Fakt sein: Aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der ÖFB auch diesmal auf eine Situation wie diese nicht top vorbereitet war. Dies ist aus vielschichtigen Gründen problematisch.

Auch wenn es nicht zur österreichischen Fußball-Tradition gehört, dass Teamchefs nach dem Ende ihrer Amtszeit am (internationalen) Arbeitsmarkt leicht vermittelbar sind, kann es niemanden ernsthaft überraschen, dass Koller ein gefragter Mann ist.

Deshalb verwundert es, dass man sich laut offizieller Kommunikation mit konkreten Verhandlungen wieder einmal bis zum Ende der Qualifikation Zeit lässt. Hierbei gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder das stimmt nicht und man hat ohnehin schon miteinander geredet, oder man ist schlichtweg viel zu spät dran, was fahrlässig wäre.

Im Frühjahr nach dem Liechtenstein-Spiel oder spätestens im Sommer nach dem Russland-Match wäre das Timing ideal gewesen und man wäre ohne gröbere Einflussnahme der Öffentlichkeit davongekommen. Billiger wurde Koller seither mit Sicherheit nicht.

Konkrete Verhandlungen setzen beidseitiges Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit voraus. Der ÖFB will, das ist klar. Ob Koller auch will? Lange Zeit hatte die Annahme, dass sich der 54-Jährige nach der EURO eine neue Herausforderung suchen will, Gültigkeit.

Aber man kann durchaus Signale und Argumente dafür finden, dass er für einen Verbleib zu gewinnen wäre. Wie sehr er an dieser Mannschaft hängt, liegt auf der Hand. Sie zu einer WM zu begleiten, wäre eine große Challenge. Die Umgewöhnungsphase vom Klub- zum Nationaltrainer, die in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit noch sehr präsent war, ist längst abgeschossen. Die Zuneigung, die er in Fußball-Österreich genießt, schmeichelt ihm. Das Leben in Wien missfällt ihm wohl auch nicht. Alles Errungenschaften, die man nicht so einfach zurücklässt. Dass der ansonsten so rationale Eidgenosse durchaus Herz und Bauch in seine Entscheidungsfindung miteinbezieht, konnte man 2013 beobachten.

Soll heißen: Der gute Mann wäre schon zu ködern. Ansatzpunkte gibt es.

Dessen ist sich wohl auch Leo Windtner bewusst. Wie gesagt: Vielleicht sind die Sondierungsgespräche entgegen anders lautender Bekundungen auch schon weiter, als man denkt. Denn am Rande der Reise nach Montenegro wiederholte der ÖFB-Boss seine in Stockholm getätigte Ansage, dass man noch vor der EURO wissen werde, wer nach der EURO Teamchef sei.

Garniert mit der persönlichen Einschätzung: „Ich würde durchaus eine Lösung Marcel Koller als nicht ganz unwahrscheinlich betrachten.“

Durchaus optimistisch. Und grundlos lehnt sich der Oberösterreicher hoffentlich nicht aus dem Fenster. Das wäre eher unklug. Mal abgesehen davon, dass ein „Schatten-Teamchef“ sowieso wenig zielführend wäre.

In meinen Augen täten alle Beteiligten so oder so gut daran, diese Thematik nicht zu lange aufzuschieben. Denn die Gefahr, dass die Ablenkung durch die T-Frage auf dem Weg zur EM unterschätzt wird, ist sehr wohl zu orten.

Noch lässt sich diese Frage mit ein paar Stehsätzen abkanzeln. Doch je näher die Reise nach Frankreich kommt und noch immer keine Entscheidung in die eine oder andere Richtung gefallen ist, desto präsenter wird das Thema bei jedem Medientermin. Darauf kann man wetten. Immer und immer wieder dieselbe Frage, immer und immer wieder vertröstende Antworten, immer und immer wieder dieselbe Ungewissheit. Dies könnte im Worst Case eine wenig ideale Eigendynamik entwickeln.

Koller ist zu detailverliebt und ein zu akribischer Planer, der am liebsten nichts dem Zufall überlässt, als dass ausgerechnet er selbst durch seine ungeklärte Zukunft zu einer nicht steuerbaren Ablenkung bei der EM-Mission werden möchte. Das spricht für eine nicht zu lange hinausgezögerte Entscheidung. Alles andere käme überraschend.

Sollte er sich entschließen, seine Zelte in Österreich nach der EURO abzubrechen, müsste man dies akzeptieren, Danke für eine tolle Zeit sagen und selbige im Idealfall in Frankreich veredeln. Teamchef-Wechsel nach einem Turnier sind ohnehin alles, nur keine Rarität.

Wenngleich dieser Fall subjektiv zumindest in Nuancen anders gelagert ist. Denn ist dieses Team wirklich schon so weit, auch ohne die Begleitung Kollers zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin erfolgreich zu sein?

Mal abgesehen davon, dass ein geeigneter Nachfolger nicht in Sicht ist (beziehungsweise die an Jahren noch eher jungen Trainer-Legionäre sich weiter ihre Sporen im Ausland verdienen sollten), wäre der Amtsinhaber mit seiner extrem unösterreichischen Herangehensweise wichtig für ein Team, dessen Entwicklung mit der EURO noch keinesfalls abgeschlossen ist.

Die Garantie, einen ähnlichen Glückstreffer zu landen, würde es natürlich nicht geben. Ein Grund mehr, alles für eine Vertragsverlängerung in die Waagschale zu werfen. Und zwar lieber gestern als heute.