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"Für Torhüter ist es viel einfacher geworden"

Dreimal deutscher Meister, zweimal DFB-Pokalsieger, 156 Bundesliga-Spiele für den FC Bayern und 64 Einsätze im belgischen Nationalteam.

Jean-Marie Pfaff ist der Inbegriff einer Torhüter-Legende, seine Glanzzeit erlebte er in den 80er Jahren beim deutschen Rekordmeister und u.a. im EM-Finale 1980 mit seinem Heimatland gegen Deutschland.

Noch heute dient der mittlerweile 61-Jährige einigen Emporkömmlingen der Keeper-Zunft als Vorbild, auf das in seiner Karriere Erreichte blickt er mit viel Stolz zurück.

Der Fußball an sich hat sich seither stark verändert, das Torhüter-Spiel noch viel mehr. Der belgische Ausnahmekönner ist im LAOLA1-Interview jedoch der Ansicht: „Es ist viel einfacher geworden.“

Das Torwart-Spiel im Wandel der Zeit

Wenn sich Pfaff heute ein Spiel ansieht, wird ihm erst bewusst, was heutzutage alles möglich ist, was früher teilweise sogar regeltechnisch unterbunden wurde.

„Jetzt kann man mitspielen. Früher wurden die Regeln immer geändert und schon gepfiffen, wenn man drei Sekunden den Ball gehalten hat. Jetzt kann man damit durch den Strafraum laufen. Zwar kann man einen Rückpass nicht mehr aufnehmen, aber das hätte mich nicht gestört.“

Vor allem die immer mehr an Bedeutung gewinnende fußballerische Komponente im Spiel des Torhüters wird vom belgischen Urgestein positiv aufgenommen.

Noch heute hält der Belgier Vorträge über seine Karriere und erzählt, welche Hürden er am Weg zum Fußball-Profi überwinden musste.

Von ganz unten nach ganz oben

Unter dem Motto „Vom Straßenfußballer zum Weltstar“ berichtet er, wie er es vom KSK Beveren aus einem 12.000-Einwohner-Städtchen in die große weite Welt schaffte.

Nach dem frühen Tod seines Vaters im Alter von 51 Jahren kümmerte er sich in armen Verhältnissen mit seiner Mutter um seine elf Geschwister.

Handschuhe hatte er erst, als er von Freunden welche bekam. Das verwöhnte Profi-Geschäft der Neuzeit ist nicht seine Welt. Pfaff hat der Glaube, es aus eigenen Stücken bis ganz nach oben zu schaffen, getragen.

Pfaff mit Andres Iniesta und dem "Golden Foot Award"

„Man muss an sich selbst glauben, um ein großer Torhüter zu werden. Wenn man immer positiv denkt, kommt das schon. Dafür brauchen die jungen Torleute gute Vorbilder.“

„Man kann die Torhüter nicht miteinander vergleichen“

Erst vor kurzem wurde der Junge aus Flandern in Monte Carlo mit dem Golden-Foot-Award für herausragende Leistungen während seiner Karriere geadelt.

Klarerweise sieht er es nicht als zielführend an, sich mit heutigen Weltklasse-Torhütern wie etwa Manuel Neuer zu vergleichen.

„Das ist eine andere Zeit. Man kann die Torhüter nicht miteinander vergleichen. Man kann nicht Sepp Maier oder Oliver Kahn mit mir vergleichen. Das sind andere Mannschaften gewesen. Meine ist drei Mal Meister und zwei Mal Pokalsieger geworden. Das sind Ergebnisse, die nicht weglaufen“, erinnert sich Pfaff.

„Ich habe meine Zeit, meine Art und Weise als Torwart gehabt.“ Als Weltklasse-Goalie wohlgemerkt. Von dieser Sorte sieht er aktuell nur sehr wenige.

„Viele gute, aber zu wenige Weltklasse-Torhüter“

Selbst der Frage nach Neuer, der seiner Meinung nach durch die WM endgültig bewiesen hat, was er imstande ist zu leisten, weicht er etwas aus.

„Es gibt viele gute, aber zu wenige Weltklasse-Torhüter. Manuel Neuer ist momentan ein sehr moderner Torwart, der gut mitspielt. Es gibt schon noch gute Torleute, aber nicht dieses Niveau“, bemängelt der Experte.

Bei einigen vermisst er den unbändigen Willen, kein Tor kassieren zu wollen. Eine Tugend, die seiner Meinung nach einen großen Schlussmann ausmacht. Viele seien zudem zu abhängig von der Leistung der Vorderleute.

„Ein guter Torwart muss gut sein, wenn die Mannschaft schlecht spielt, aber auch wenn die Mannschaft gut ist. Du musst immer optimal, ein Dirigent, ein Führer, ein Gewinner sein.“

Fehlender Respekt gegenüber Torhütern?

Für Fehler ist bei der vorhandenen Dichte meist kein Platz mehr. Dabei startete ausgerechnet Pfaff seine Bayern-Karriere am 21. August 1982 mit einem kuriosen Faux-Pas gegen Werder Bremen.

„Das war kein Fehler“, schmunzelt der Fußball-Rentner. „Ich habe immer gesagt: Alle Tore, die ich reingelassen habe, waren unhaltbar. Das Tor nach dem Einwurf von Uwe Reinders war ein Unfall.“

Nach einem Zusammenstoß mit Mitspieler Klaus Augenthaler sprang der Bull von seinem Daumen ins eigene Tor. Nicht nur aufgrund seiner Erfahrungen plädiert Pfaff somit für mehr Toleranz und Respekt gegenüber Torhütern.

„Ein Torwart kann nicht immer rückwärts schauen, denn dann ist der Ball im Tor. Man muss immer vorwärts schauen. Natürlich ist es manchmal hart, als Tormann ist man immer gleich der Depp oder ein Fliegenfänger. Man muss mehr Respekt vor einem Torwart haben, das ist kein einfacher Job.“

Verrückte Torhüter? Von wegen

Dass alle guten Keeper ein bisschen verrückt sein müssen, verneint Pfaff ebenso wie die Tatsache, dass sie das Rampenlicht nicht scheuen.

Der Belgier habe seinen Weg gemacht, ohne auch nur im Ansatz verrückt zu sein. Seine TV-Auftritte oder gesanglichen Auftritte zielten zudem nicht darauf ab, noch mehr im Mittelpunkt zu stehen.

„Die Soap („Die Pfaffs“) oder der Film mit Thomas Gottschalk („Zärtliche Chaoten“) habe ich nicht gemacht um bekannt oder beliebt zu sein. Das habe ich nie gebraucht. Ich habe es immer nur mit Leistung ins Rampenlicht geschafft. Ich bin immer ein Mensch geblieben und weiß, woher ich komme.“

Das heutige Leben der Profis bezeichnet er als Luxus, der damals noch nicht in diesem Maße vorhanden war. Auch in dieser Hinsicht haben sich somit die Zeiten geändert.


Alexander Karper/ Claus Schlamadinger