news

Heraf: "Mein Ziel ist es, einen Titel zu gewinnen"

Heraf:

„Die Mannschaft hat gesehen, dass sie nur so gewinnt.“

Die Qualifikation der U19-Auswahl für die EM-Endrunde in Ungarn (19.-31. Juli 2014) war alles, nur kein Selbstläufer.

Seit der Jahrgang 1995 sich vor rund vier Jahren erstmals unter dem Bundesadler versammelte, galt es für Teamchef Andreas Heraf einige (Fein-)Justierungen vorzunehmen. „Ich musste basteln“, erinnert sich der Coach.

Heute, wenige Tage vor dem EM-Auftaktspiel am Samstag (18.30 Uhr) gegen Gastgeber Ungarn, zu dem im Szusza-Ferenc-Stadion zu Budapest mehr als 10.000 Zuschauer erwartet werden, steht das Team unter den Top-8 Europas und vor dem nächsten Meilenstein.

Vor der Abreise spricht Heraf im LAOLA1-Interview über Vorbereitung, Nachwuchsarbeit, eine mögliche WM-Qualifikation und sendet eine Kampfansage in Richtung der Gegner in Gruppe A - Ungarn, Israel und Portugal.

LAOLA1: Herr Heraf, wenn Sie in Ihrer Gruppe einen Favoriten ausmachen müssten, wer wäre das?

Andreas Heraf: Die Portugiesen sind für mich der klare Favorit, weil sie in den Nachwuchsteams immer unglaubliche Mannschaften und Spieler haben und viele Erfolge feiern konnten. Über Israel und Portugal kann ich im Moment nur wenig sagen, denn ich habe mich bislang vorwiegend mit Ungarn befasst. Wir denken Schritt für Schritt.

LAOLA1: Was erwartet Ihre Mannschaft am Samstag beim Eröffnungsspiel gegen den Gastgeber?

Heraf: Ungarn verfügt über eine sehr gute, robuste Mannschaft und verbuchte gute Testspiel-Ergebnisse. Zwar schießt Ungarn sehr viele Tore, bekommt aber auch relativ viele. Das heißt, dass sie in der Defensive anfällig sind und das müssen wir ausnutzen.

LAOLA1: Ihnen fehlen in besagtem Auftaktspiel die gesperrten Lukas Gugganig, Florian Grillitsch und Michael Brandner. Wie wollen Sie diese Spieler ersetzen?

Heraf: Wir müssen eben ein bisschen basteln, um eine Abwehrformation zustande zu bringen. In der Offensive kann man fast noch von „Luxus-Problemen“ sprechen. Grillitsch kann nicht spielen, dann spielt eben ein anderer. Hinten muss ich mir allerdings was einfallen lassen und herumschieben.

LAOLA1: Auf welchen Typen wollen Sie in der Offensive für das Ungarn-Spiel zurückgreifen?

Heraf: Wir haben Mittelstürmer im Kader, haben aber auch die Möglichkeit mit einer „Falschen Neun“ zu spielen. Aber Bytyqi, Horvath und Blutsch sind allesamt eher spielerische Typen. Auf den bulligeren Stürmer muss ich nach dem Ausfall von Gösweiner, leider verzichten.

LAOLA1: Sie praktizierten in der Vergangenheit ein 4-3-3-System. Wollen Sie dieses beibehalten oder gibt es andere taktische Überlegungen?

Heraf: Das ist unser System aus dem heraus wir spielen. Es ist unsere offensive Grundordnung, die in der Defensive manchmal in ein 4-4-2 umschlägt. So haben wir jetzt einige Jahre verbracht und das wird auch so bleiben. Damit hat die Mannschaft Anhaltspunkte, an denen sie sich festhalten kann.

LAOLA1: Die Mannschaft ist über die Jahre zusammengewachsen. Wie aufreibend war der Prozess, dass dieser, wie sie selbst sagen, schmale 95er-Jahrgang zu einem EM-Teilnehmer gereift ist?

Heraf: Es war eigentlich gar nicht so schwierig. Ich habe nach der 1:4-Niederlage gegen Frankreich im September 2012 analysiert, dass wir uns, wenn wir so spielen, für keine Endrunde qualifizieren werden. Was müssen wir tun, damit wir es eventuell schaffen? Weniger Tore bekommen! Also haben wir ein paar Dinge geändert.

LAOLA1: Zum Beispiel?

Heraf: Unter anderem Details beim Pressing. Und wir haben zuvor zu viele Geschenke verteilt. Auf diese beiden Dinge haben wir uns im Training fokussiert. Die Mannschaft hat das verinnerlicht und gesehen, dass sie nur so gewinnt.

LAOLA1: Sind sie dennoch ein Trainer, der die Offensive nicht dem Zufall überlässt, sondern auch versucht, den Gegner zu dominieren?

Heraf: Eigentlich dominieren wir den Gegner offensiv nicht, das ist nicht unsere Art. Ich glaube, das können wir nicht. Unser Stil ist es, den Gegner extrem anzupressen und dann, wenn der Fehler kommt, schnell umzuschalten. Das kann man nicht planen, weil wir diese Situationen im Training nur schwer nachstellen können. Wir haben aber sehr wohl Laufwege und Muster einstudiert.

LAOLA1: Um auf die EM zurückzukommen. Ist Ihnen die fünftägige Vorbereitungszeit zu kurz?

Heraf: Im Vergleich zu den anderen Mannschaften ist die Vorbereitung wesentlich kürzer. Dennoch habe ich mich mit den 91ern für die EM in Frankreich (U19-EM, 2010; Anm.) mit drei Tagen Vorbereitung und auch für diese EM mit drei Tagen Vorbereitung qualifiziert. Jetzt habe ich fünf Tage Zeit. Wenn du die Informationen in kurzer Zeit anbringst und eine Mannschaft hast, die diese in kurzer Zeit annimmt, dann reicht das.

LAOLA1: Platz drei in der Gruppe würde zwar das EM-Aus, aber die Qualifikation für die WM 2015 in Neuseeland. Ist das Ziel die K.o.-Phase der EM? Oder reicht die WM-Quali?

Heraf: Das ist schwer zu konkretisieren. Wir wollen jedes Spiel gewinnen, das ist unsere Denkweise. Wenn die Resultate passen, dann ist es möglich, die K.o.-Phase zu erreichen, dann nimmt man automatisch die WM-Quali mit. Erreicht man das Semifinale nicht, dann hat man noch immer eine 50%ige Chance in Neuseeland mit dabei zu sein. Wir wollen unbedingt nach Neuseeland, das ist das Minimalziel.

LAOLA1: Sie sprachen Portugals gute Ergebnisse bei großen Nachwuchs-Turnieren an. Auch Österreich qualifizierte sich seit 2003 elfmal für EM- oder WM-Endrunden.

Heraf: Wir sind mit Sicherheit nicht schlecht. Beispielsweise haben wir uns in den vergangenen acht Jahren dreimal mit der U19 qualifiziert, Deutschland nur einmal. Dort ist die Luft dann jedoch so dünn, dass große Fußball-Nationen viel mehr Möglichkeiten haben oder es Sternstunden braucht.

Die ÖFB-Auswahl trifft auf Ungarn, Israel und Portugal

LAOLA1: Woran liegt es, dass der ÖFB-Nachwuchs an derart vielen Endrunden teilnimmt?

Heraf: Ich denke, dass der ÖFB sehr viel richtig gemacht hat. Die LAZs und Akademien sind hervorragende Einrichtungen, auch im internationalen Vergleich. Dasselbe gilt für die Schul-Kooperationen. Ich glaube, dass die Trainer-Ausbildung immer besser wird und dadurch die Qualität in diesen Bereichen steigt. Auch um das „Projekt 12“ beneiden uns viele Länder.

LAOLA1: Haben wir damit in Österreich zu spät angefangen? Man hat oft das Gefühl, dass vergleichbare Länder wie die Schweiz immer einen Schritt voraus sind.

Heraf: Das weiß ich nicht, da ich mich damals noch nicht damit befasst habe. Wenn man die Schlüsse zieht, die Sie jetzt ziehen, ist das möglich. Fakt ist, dass es geschehen ist und wir sehr gut fahren. Ob wir das ein oder andere Jahr zu spät dran waren? Mag sein, aber man kann es nicht mehr ändern.

LAOLA1: Nachwuchs-Fußball und Profi-Fußball sind bekanntlich zwei Paar Schuhe. Warum gelingt dieser Sprung vielen heimischen Talenten nicht oder nur schwer?

Heraf: Es ist besser geworden. Oft ist es darum gegangen, dass die Vereine nicht das nötige Vertrauen in die jungen Spieler gesetzt haben. Das ist aus zwei Gründen heute anders. Zum einen, weil es die finanzielle Situation oft nicht zulässt, zweitklassige Legionäre zu holen. Zum anderen ist das Vertrauen der Trainer in die Arbeit mit jungen Spielern gestiegen, weil es schon Erfahrungswerte gibt.

LAOLA1: Während im Jugendbereich im Grunde nur die Ausbildung und Weiterentwicklung zählt, kommt es im Profi-Bereich ausschließlich auf Ergebnisse an. Ist es in Ihrem Fall, dem U19-Nationalteam, die Ausbildung oder das Ergebnis was zählt?

Heraf: Ich kann ganz klar sagen, dass sich der Pegel ganz klar in Richtung Erfolg verschoben hat. Ich bin zwar nach wie vor Ausbildner und Entwickler, aber jetzt sind wir bei einer Europameisterschaft. Aber ich spiele mit meiner U15 einen anderen Fußball, weil es dort nicht so schlimm ist, noch das ein oder andere Geschenk zu verteilen. Das würde kommende Woche definitiv nicht gut sein.

LAOLA1: Wollen Sie ihre Trainer-Karriere im Nachwuchs-Bereich fortsetzen?

Heraf: Falls mir der ÖFB die Möglichkeit gibt, habe ich vor noch viele Teams zu Endrunden zu führen. Mein großes Ziel ist es, mit Österreich irgendwann einmal einen Titel zu gewinnen.

LAOLA1: Angenommen heute wäre der 31. Juli. Was würde Andreas Heraf dann gerne sagen?

Heraf: Geiles Turnier, ich freue mich auf die WM im nächsten Jahr und werde die EM nie vergessen. Das würde so viel heißen wie, dass wir zumindest in die K.o.-Phase gekommen sind.

 

Das Gespräch führte Kevin Bell