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"Fast nirgends wird besser gearbeitet als bei uns"

Der Nachwuchsturnier-Reigen des ÖFB beginnt in Bulgarien. Dort ist Manfred Zsak mit seiner U17-Auswahl bei der EM-Endrunde (6. bis 22. Mai) mit von der Partie.

Spanien (Mi., 6.5., 14 Uhr), Kroatien (Sa., 9.5., 12 Uhr) und Bulgarien (Di., 12.5., 16 Uhr) sind die Gruppengegner. Doch damit soll es nicht getan sein. „Ich habe auf jeden Fall genug Zahnpasta eingepackt, damit ich bis zum 23. Mai auskomme“, lacht der Teamchef im LAOLA1-Interview.

Dass seine Mannschaft eine Chance hat, steht für den 50-Jährigen außer Zweifel: „Ich bin mir sicher, dass fast nirgends auf der Welt besser gearbeitet wird als in Österreich.“

Der 49-fache Internationale, der als Spieler bei der WM 1990 in Italien war, spricht über seinen Kader, gescheiterte Teenager-Legionäre und seine Ambitionen als Trainer.

LAOLA1: Ist das Kribbeln schon da?

Manfred Zsak: Das ist schon länger da und das gehört auch dazu.

LAOLA1: Spanien, Kroatien und Bulgarien – was waren Ihre ersten Gedanken nach der Auslosung?

Zsak: Ich musste schon schlucken. Mit Spanien und Kroatien haben wir zwei Nationen, die ganz vorne mit dabei sind, zugelost bekommen. Aber eine EM ist kein Wunschkonzert, da ist es normal, auf starke Gegner zu treffen.

LAOLA1: In der Quali waren die Kroaten sogar souveräner als die Spanier.

Zsak: Richtig. Die Spanier waren gar nicht souverän. Sie haben das Eliterunden-Turnier daheim gespielt – 0:0 gegen Israel, 2:0 gegen Schweden und 1:1 gegen Frankreich. Aber sie waren gegen Israel ständig überlegen und die Schweden hätten gut und gerne auch sieben Gegentreffer kassieren können. Frankreich hat das jedoch richtig gut gemacht, sie haben extrem gepresst und die Spanier hatten große Schwierigkeiten. Die Kroaten sind die kompaktere Mannschaft, stehen defensiv sehr gut und können sehr gut Fußball spielen.

LAOLA1: Und Österreich?

Zsak: Wir sind nicht Favorit in der Gruppe. Wir müssen riskieren. Wir dürfen uns nicht hinten reinstellen. Wir wollen agieren und Torchancen kreieren. Wenn wir nach vorne spielen und verlieren, haben wir wenigstens etwas probiert. Bei einer EM gibt es nur Vollgas.

LAOLA1: Was zeichnet Ihr Team aus?

Zsak: Das Kollektiv. Eventuell ist Sandi Lovric einen Schritt weiter als die anderen, aber sonst gibt es keinen Spieler, der wirklich herausragt. Die Mannschaft weiß auch, dass kein absoluter Star dabei ist, es nur miteinander geht.

LAOLA1: Ihre Spieler sagen über Sie, dass Sie der Mannschaft viele Freiheiten lassen.

Zsak: Das trifft sicher zu. Ich behandle sie so, wie man 16-, 17-jährige Burschen halt behandelt. Ich war selbst einmal so alt und kann mich noch gut erinnern, wie ich damals war. Außerdem war meine Tochter vor nicht allzu langer Zeit auch in diesem Alter. Ich versuche einfach, ganz normal mit ihnen zu reden, was ganz gut ankommt. Ich will ihnen nicht das Gefühl geben, sie einzuengen oder ihnen etwas zu verbieten.

"Alle sind mit Wehmut retour gekommen und spielen jetzt teilweise zweite Liga"

LAOLA1: Er ist der einzige Spieler – abgesehen von Danso, der bereits mit sechs Jahren nach England übersiedelt ist – in Ihrem Kader, der schon ins Ausland gewechselt ist.

Zsak: Die Burschen sind ja noch sehr jung. Außerdem gäbe es mit Marco Friedl von den Bayern, der leider verletzt ist, und Timo Friedrich von Hannover 96, der nicht in Form ist, noch zwei. Allgemein finde ich, dass die Ausbildung in Österreich mittlerweile so gut geworden ist, dass es nicht notwendig ist, mit 16 Jahren ins Ausland zu gehen. Ich bin mir sicher, dass fast nirgends auf der Welt besser gearbeitet wird als in Österreich. Wer ist denn ein richtig guter Fußballer geworden, der schon so früh ins Ausland gegangen ist?

LAOLA1: David Alaba und Marko Arnautovic.

Zsak: Gut, Alaba hätte es überall geschafft. Und Arnautovic hat die Kurve noch gekratzt. Aber sonst? Ich kenne keinen. Alle sind mit Wehmut retour gekommen und spielen jetzt teilweise in der zweiten Liga – dafür muss ich nicht ins Ausland gehen. Mittlerweile sind auch die Spielermanager schon so weit, dass sie ihre 16-Jährigen nicht mehr unbedingt ins Ausland verkaufen müssen. Wobei sie manchmal den Jungen schon noch einen Floh ins Ohr setzen. Aber man darf nicht vergessen, dass viele mit 16 Jahren ihre Kindheit noch nicht ausgelebt haben. Dann kommen sie ins Ausland, kriegen Heimweh, können die Sprache nicht, und so weiter. Das hatten wir mit Daniel Hautzinger, der es nicht gepackt hat, ja erst unlängst (Anm.: Von Rapid zu Udinese gewechselt, von dort „geflüchtet“ und mittlerweile bei Neusiedl). Man muss wissen, dass es einem nirgends so gut geht wie daheim, wo die Eltern immer greifbar sind. Wenn die Ausbildung bei uns nicht gut wäre, könnten wir ja mit den Nachwuchs-Teams auch nicht mithalten. Das können wir aber. Wenn man mit 17, 18 Jahren Bundesliga spielt, kann man mit 20 auch noch ins Ausland gehen.

LAOLA1: Es ist der Jahrgang 1998. Wissen die Burschen eigentlich, was Sie in Ihrer Spielerkarriere erreicht haben?

Zsak: Es könnte durchaus sein, dass der eine oder andere irgendwann ein altes Fußball-Buch gelesen hat (lacht). Vielleicht haben ihnen ja auch ihre Väter von mir erzählt.

LAOLA1: Ist diese EM-Endrunde als Trainer irgendwie mit der WM 1990 als Spieler vergleichbar?

Zsak: Nein! Als Spieler war ich total entspannt. Ich musste damals nicht viel nachdenken, es hat ja den Trainer (Anm.: Josef Hickersberger) gegeben, der sich den Kopf zerbrochen hat. Jetzt bin ich auf der anderen Seite, muss alles planen. Bei einer Endrunde geht es oft um Kleinigkeiten, deswegen muss man sich auch Details herauspicken, die man im Training üben kann.

LAOLA1: Muss man als Trainer mitbedenken, dass so eine Endrunde für einen 16-Jährigen überwältigend sein kann? Kann man da sogar gegensteuern?

Zsak: Ich habe ihnen bei jeder Besprechung gesagt, dass zwar Respekt, aber keine Angst vor dieser EM da sein muss. Wenn wir Angst haben, haben wir überhaupt keine Chance, dann fahren wir ohne Punkte nach Hause. Wir dürfen nicht hochnäsig sein, müssen uns bewusst sein, dass es schwer wird, aber wir dürfen keine Sekunde Angst haben. Wir dürfen nicht in Duckmäuser-Stellung hinkommen, sondern müssen mit Stolz auftreten.

"Für mich wäre es das Leichteste, Annoncen aufzugeben"

LAOLA1: Sie haben von der U15 bis zur U21 schon alle Altersstufen trainiert. Gibt es ein Alter, das Ihnen am liebsten ist?

Zsak: Nein. Es ist im ÖFB ja so, dass wir immer mit der U15, die wir selbst sichten, anfangen und dann vier Jahre mit ihnen unterwegs sind. Es ist interessant zu sehen, wer wegbricht, weil er glaubt, der Superheld zu sein, und wer besser wird, als man es jemals erwartet hätte. Es ist schön, die Burschen zu begleiten. Und wenn es dann einer schafft, ist es toll.

LAOLA1: Ist Nachwuchstrainer der perfekte Job für Sie?

Zsak: Trainer allgemein ist für mich der perfekte Job. Es muss nicht unbedingt im Nachwuchs sein. Bei einer Profi-Mannschaft hat man dieselben Probleme wie mit jungen Burschen. Wobei der Druck im Tagesgeschäft vielleicht größer ist, wenn man sich täglich vor der Presse rechtfertigen muss. Dafür hat man jede Woche die Möglichkeit, das Ruder wieder herumzureißen.

LAOLA1: Es würde Sie also schon reizen, in Ihrer Trainerkarriere noch einmal einen Verein zu trainieren?

Zsak: Ja. Ich habe ja auch noch ein paar Journalistenfreunde bei diversen Tageszeitungen. Für mich wäre es das Leichteste, Annoncen aufzugeben, wenn irgendwo ein Trainer gesucht wird. Ich mache das aber nicht. Ich brauche nicht mit Muss einen Job, weil ich einen sehr guten Job, der mir sehr viel Spaß macht, habe. Wenn jedoch ein Verein kommt, der mich interessiert, würde ich mir das auf jeden Fall anhören.

LAOLA1: Hat es in den vergangenen Jahren Anfragen gegeben?

Zsak: Ja, aber nichts, das mich interessiert hätte.

LAOLA1: Würde Sie die Austria interessieren?

Zsak: Ja, aber das ist kein Thema. Ich habe dort acht schöne Jahre als Spieler verbracht. Die Austria ist – auch wenn es derzeit nicht so aussieht – einer der drei Top-Klubs in Österreich. Das wäre reizvoll. Aber mit mir hat von der Austria keiner gesprochen, deswegen zerbreche ich mir darüber nicht den Kopf.

LAOLA1: Abschließend: Wenn wir in einem Monat miteinander sprechen würde, was hätte die U17 dann in Bulgarien erreicht?

Zsak: Mir wäre angenehm, wenn Sie mir zum EM-Titel gratulieren würden (grinst). Nein, das ist natürlich hochgestochen. Eines ist aber Fakt: Wir haben in unserer Gruppe mit Spanien und Kroatien zwei Nationen, die jederzeit Europameister werden können. Wenn wir weiterkommen, haben wir einen potenziellen Europameister ausgeschalten. Und dann ist alles möglich, dann kann man wirklich zum Träumen beginnen. Ich habe auf jeden Fall genug Zahnpasta eingepackt, damit ich bis zum 23. Mai auskomme. Und meine Frau hat mir auch schon gesagt, dass sie mich vor dem 23. Mai nicht sehen will (lacht).

Das Gespräch führte Harald Prantl

LAOLA1: Sie haben vorhin Lovric angesprochen. Wie viel hat er den anderen, die noch nie Profi-Fußball gespielt haben, voraus?

Zsak: Er ist für sein Alter schon sehr weit. Er hat schon diese gewisse Schlitzohrigkeit. Er kennt die Mätzchen, weiß, wann er bei einem Foul mal liegen bleiben muss. Er ist mit Sicherheit unser wichtigster Spieler in der Mannschaft. Er hat in diesem Jahr, in dem er nun schon bei den Sturm-Profis ist, sehr viel dazugelernt.

LAOLA1: Was ist Kevin Danso, der beim FC Augsburg spielt, für ein Typ?

Zsak: Er war in England bei den MK Dons Mittelstürmer, in Deutschland haben sie ihn dann zum Achter umfunktioniert. Das hat ihm sichtlich gut getan. Er hat sich gut weiterentwickelt. Er schont weder sich, noch den Gegner. Wenn der in einen Zweikampf geht, rumpelt es. Solche Spieler sind unersetzlich. Man braucht Kicker, die über den Schmerz gehen. Wenn es bei ihm nicht geht, weiß man, dass es ein ärgeres Problem gibt.

LAOLA1: Anes Omerovic spielt seit fast einem Jahr bei Aston Villa. Hat er sich verändert?

Zsak: Von seiner Weltanschauung her vielleicht, vom Spielerischen her überhaupt nicht. Er ist ein extrem guter Techniker mit einem sehr starken linken Fuß. Er kann jederzeit ein Tor vorbereiten und ist mit seinen Freistößen und Weitschüssen selbst auch torgefährlich. Phasenweise ist er mir aber noch zu leichtsinnig.

LAOLA1: Sie waren damals U21-Teamchef, als die erste Generation aus den Akademien gekommen ist. War es absehbar, dass sich dieses Akademien-System in Österreich so gut entwickelt? Damals war ja die Austria mit ihrer Akademie in Hollabrunn noch einsame Spitze.

Zsak: Gehofft hat man es zumindest. Ich muss – ohne durch die rosa Brille eines Angestellten zu schauen – eine Lanze für den ÖFB brechen. Der ÖFB hat sehr viel getan. Etwa das Individualtrainer-Projekt. Jeder Klub muss einen Individualtrainer, der teilweise vom ÖFB bezahlt wird, haben. Der beschäftigt sich, zusätzlich zum normalen Training, mit den Besten des jeweiligen Klubs. Solche Dinge sind unbezahlbar und kommen irgendwann zum Tragen. Die Qualität der Spieler ist in den letzten Jahren viel besser geworden.

LAOLA1: Aus Ihrer Sicht kann man sagen: Endlich Endrunde!

Zsak: Ja, ich habe es schon ein paar Mal probiert. Das Bitterste war die EM-Quali mit der U21 2008. Die Mannschaft war einfach großartig, acht davon spielen im Nationalteam. Da haben wir das Playoff-Hinspiel gegen Finnland daheim nur 2:1 statt 6:1 gewonnen, weil wir unsere Chancen nicht genützt haben. Im Rückspiel waren wir 1:0 vorne, kassieren in der 88. den Ausgleich und in der 90. das 1:2, Verlängerung, Elferschießen, verloren – das tut mir heute noch weh. 2013 haben wir mit der U19 Schweden 6:0 und Bosnien-Herzegowina 3:0 geschlagen, gegen die Franzosen hätte uns ein Unentschieden gereicht, aber wir haben 0:1 verloren.

LAOLA1: Christian Gartner, Dominik Wydra, Louis Schaub, Alessandro Schöpf, Thomas Murg, Marcel Sabitzer, Michael Gregoritsch… Mit dieser Truppe wäre bei einer Endrunde sicher einiges möglich gewesen.

Zsak: Wenn man die Spieler bekommen hätte. Die haben damals mit 19 Jahren alle schon Kampfmannschaft gespielt. Ich bin mir sicher, dass wir damals nicht einmal mit der halben Mannschaft zu einer Endrunde gefahren wären. Aber egal, wir haben uns nicht qualifiziert. Das war auch bitter, aber bei weitem nicht so bitter wie damals mit der U21.