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"Will, dass auch Mittelfeldspieler Tore erzielen"

Los geht’s! Nach Wochen der Theorie bietet sich seit Dienstagmittag für Neo-Teamchef Marcel Koller die Gelegenheit, endlich in der Praxis mit seinen neuen Schützlingen arbeiten zu dürfen.

Um 12 Uhr rückten die ÖFB-Kicker ins Camp im Hinblick auf das freundschaftliche Länderspiel in der Ukraine ein.

Der Dienstag steht dabei ganz im Zeichen des Kennenlernens. Nach einem gemeinsamen Mittagessen werden sportmedizinische Tests abgehalten. Das erste gemeinsame Training auf dem Platz ist erst für Mittwoch anvisiert.

„Das Wichtigste ist auf dem Platz“

Für Koller und seinen Betreuerstab geht es in der ersten gemeinsamen Woche darum, die Spieler Schritt für Schritt mit ihrer Philosophie vertraut zu machen – und zwar in Theorie und Praxis. Dies verdeutlichte der Schweizer auf seinem Medientermin unmittelbar vor dem Start des Lehrgangs:

„Natürlich steht die Theorie immer auch im Vordergrund. Man muss die Spieler darüber informieren, was man will, in welche Richtung es gehen soll, wie das Konzept für das jeweilige Spiel aussieht. Das Wichtigste ist dann schlussendlich auf dem Platz. Dort wollen wir viel umsetzen, die Spieler führen und ihnen zeigen, was wir auf jeder Position gerne umgesetzt haben.“

Koller, der am Freitag seinen 51. Geburtstag feiern wird, legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass nicht alle Inhalte bereits im Vorfeld seines Teamchef-Einstands vermittelbar sind:

„Es wird nicht so sein, dass man alles von Anfang an reinstecken kann, weil dann der Kopf voll ist.“ Schmunzelnder Nachsatz: „Ich möchte nicht, dass die Spieler gegen die Ukraine nicht mehr wissen, in welche Richtung es geht.“

„Wollen den Spielern eine Idee mitgeben“

Die Grundprinzipien sollen jedoch klar festgelegt werden. Dies betrifft vor allem die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung. Diesbezüglich sind Koller beim DVD-Studium der jüngsten Länderspiele gewisse Dinge aufgefallen.

„Wir wollen den Spielern eine Idee mitgeben, wie wir offensiv und defensiv agieren wollen. Bis die Übungen automatisiert sind, wird es dauern. Sie müssen jedoch wissen: Wenn wir den Ball verlieren, tun wir das. Wenn wir ihn erobern, tun wir das.“

Detailliert wollte Koller über seine Vorhaben noch nicht berichten, da diese zuerst seine Spieler erfahren sollen. Eine konkrete Überlegung teilte er der Öffentlichkeit dennoch mit.

Alaba im Mittelfeld-Zentrum

Diese betrifft David Alaba, der in der ÖFB-Elf zuletzt meist am linken Flügel auflief, unter Koller jedoch wieder im zentralen Mittelfeld zum Einsatz kommen könnte, wie am vergangenen Wochenende im Bayern-Dress beim 2:1-Sieg in Augsburg.

„Ich habe mit Jupp Heynckes gesprochen. Meine Überlegung war vorher schon, David auf dieser Position zu bringen. Ich weiß, dass er links gut gespielt hat, aber in dieser Woche probieren wir ihn im Zentrum aus“, erklärt der Teamchef.

Bisher wurde zum 29-Jährigen noch kein Kontakt aufgenommen: „Er hat lange Zeit nicht gespielt und war jetzt wieder dabei. Mein Tag hat leider auch nur 24 Stunden, aber wir werden uns mit allen Spielern im Ausland beschäftigen, und wenn wir das Gefühl haben, das könnte etwas werden, werden wir auch Kontakt aufnehmen.“

Wenig Hoffnung auf Moritz Leitner

Diesbezüglich bringt Koller auch Moritz Leitner von Borussia Dortmund ins Spiel, da die Mutter des Super-Talents aus Österreich stammt.

Mittelfristig hat der ÖFB-Coach jedoch wenig Hoffnung, den 18-Jährigen nominieren zu können: „Im Moment möchte er für Deutschland spielen und schauen, ob es dort für das A-Team reicht.“

Im Augenblick hat ohnehin die Vorbereitung auf die Ukraine Vorrang. Die Spieler selbst werden jedoch erst ab Sonntag auf den EURO-Veranstalter eigestimmt:

Koller: „Bei mir ist die Ukraine schon länger Thema. Aber mit den Spielern wollen wir zuerst unsere eigene Identität entwickeln und uns nicht vom ersten Tag an mit der Ukraine beschäftigen.“

Oberste Priorität hat nun mal das Kennenlernen – in Theorie wie Praxis…

Peter Altmann

Beim deutschen Rekordmeister ersetzt der ÖFB-Youngster Bastian Schweinsteiger nach dessen Schlüsselbeinbruch. Gegen den Begriff „Schweinstiger-Position“ verwehrt sich Koller jedoch entschieden: „Wir sprechen von der Alaba-Position nicht der Schweinsteiger-Position.“

Der 50-Jährige lässt offen, ob der 19-Jährige seine zentrale Rolle als Sechser oder Achter interpretieren soll, deutet jedoch an, dass er von seinen Mittelfeldspielern auch einen gewissen Mut erwartet:

„Die Rückennummer gibt darüber keinen Aufschluss, heute kann man ja auch mit der 66 oder 99 am Rücken spielen. Er soll jedoch auf dieser Position das Spiel mitaufbauen und Impulse nach vorne setzen. Ich will, dass Mittelfeldspieler auch mit nach vor gehen und Tore erzielen.“

„Interessiert nicht, ob Spieler aus Wien, Ried oder Innsbruck kommt“

Einen Freibrief für Alaba würde die Festlegung auf diese Position jedoch nicht bedeuten, unterm Strich würden wie bei allen anderen Spielern auch die Trainingsleistungen entscheiden.

Ob und wann Christopher Trimmel, Zlatko Junuzovic und Georg Margreitter an den Einheiten teilnehmen können, steht derzeit noch nicht fest. Während Trimmel muskuläre Probleme plagen, laborieren die beiden Austrianer an einem Infekt.  Aktuell erscheint es nicht ausgeschlossen, dass Koller deshalb an seinem Kader Änderungen vornehmen muss.

Ein Kader, in dem von den heimischen Bundesliga-Klubs nur drei Vereine mit Spielern vertreten sind: Die Austria, Rapid und Salzburg. Eine „Wien-Lastigkeit“, wie sie im ÖFB vielleicht in früheren Tagen geherrscht haben mag, will der Schweizer jedoch nicht aufkommen lassen:

„Mich interessiert nicht, ob ein guter Spieler aus Wien, Ried oder Innsbruck kommt. Wenn wir glauben, dass uns ein Spieler helfen kann, wird er eingeladen, auch wenn wir dann 20 Spieler aus Ried haben.“

„Mit allen Spielern im Ausland beschäftigen“

Auch sei die Ligen-Zugehörigkeit kein alleine entscheidendes Kriterium, was vor allem auf Jimmy Hoffer vom deutschen Zweitligisten Eintracht Frankfurt bezogen ist: „Schlussendlich entscheidet die Leistung.“

In den Testspielen bis zum WM-Qualifikations-Auftakt im Herbst 2012 werde auch der eine oder andere Spieler ausprobiert werden. Ob dabei auch Andreas Ibertsberger unter die Lupe genommen wird, steht in den Sternen. Der Hoffenheim-Legionär feierte am vergangenen Wochenende sein Saison-Debüt.