news

Pogatetz über USA: "Der Fußball boomt"

Pogatetz über USA:

Burger oder Schnitzel?

„Auf jeden Fall Schnitzel. Die Burger hier sind nicht schlecht. Aber Schnitzel bleibt Schnitzel.“

Emanuel Pogatetz ist in den Vereinigten Staaten angekommen, das österreichische Nationalgericht zieht er aber immer noch dem amerikanischen vor.

Im letztem September hat der 32-jährige Innenverteidiger seinen Lebensmittelpunkt nach Ohio verlagert. Bei der Columbus Crew unterschrieb er einen Vertrag bis Ende 2016.

ÖFB-Teamchef Marcel Koller hat den Steirer dennoch nicht aus den Augen verloren. Für die Länderspiele gegen Liechtenstein und Bosnien-Herzegowina steht er auf Abruf bereit. Das freut den routinierten Haudegen, den sie in Middlesbrough noch immer „Mad Dog“ nennen.

Im Interview mit LAOLA1 spricht Pogatetz über den Unterschied zwischen den USA und Europa, die schönste Station seiner Karriere und die heikle Kritik am ÖFB im Jahr 2006:

LAOLA1: Wie gefällt dir der „American Way of Life“?

Emanuel Pogatetz: Es macht uns richtig Spaß in den USA. Viele Sachen sind unterschiedlich im Vergleich zu Europa – manches besser, manches schlechter. Was mir richtig gut gefällt, sind die US-Sportarten. Gerade jetzt geht es rund um die Uhr nur um die March Madness, dieses College-Basketball-Turnier. Alle reichen ihre Wetten ein. Sogar Barack Obama hat im Fernsehen getippt, wer gewinnen wird. Ich finde toll, dass der Universitäts-Sport so populär ist.

LAOLA1: Was sind die fußballerischen Unterschiede zwischen den USA und Europa?

Pogatetz: Der US-Soccer definiert sich sehr viel über Athletik. Also die Spieler sind alle super-fit. Das ist mir schon in Europa an den US-Amerikanern aufgefallen. Dadurch steht die Laufbereitschaft im Vordergrund, die Spieler geben bis zum Schluss immer alles. Technisch ist das Niveau auch okay, da gibt es in jeder Mannschaft den ein oder anderen außergewöhnlichen Spieler. Nur taktisch kann der US-Fußball nicht mit Europa mithalten. Das Spiel ist offener, es geht hin und her. Dadurch fällt auch das Verteidigen schwerer, du bist oft mit Unterzahl-Situationen konfrontiert oder hast große Räume, die du abdecken musst. Deswegen gibt es auch viele Laufduelle.

LAOLA1: Mit welcher europäischen Liga würdest du das sportliche Niveau der MLS vergleichen?

Pogatetz: Wenn man die besseren Mannschaften der deutschen Bundesliga wegnimmt, dann hat man ungefähr das Niveau der MLS. Also mit den hinteren Teams können die meisten Klubs auf jeden Fall mithalten.

LAOLA1: Geht die Entwicklung des Fußball in den USA gut voran oder stagniert sie eher?

Pogatetz: Der Fußball boomt! Die Leute begeistern sich immer mehr für Fußball, auch durch die Weltmeisterschaft. Es spielen immer mehr Kinder Soccer. Die Oberschicht hat ihren Nachwuchs sowieso immer schon mehr zum Fußball geschickt. Die Kinder der ärmeren Leute, bei denen American Football sehr populär ist, kommen jetzt auch vermehrt zum Fußball, weil das Verletzungsrisiko niedriger ist. Die Kopfverletzungen beim Football sind in den USA ein Riesen-Thema. Ich bin überzeugt, dass die MLS in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu den besten Ligen der Welt zählen wird. Das ist auch der Plan der Liga. Das Geld dafür ist auf jeden Fall da. Mir macht es Spaß, hier zu sein, weil man die Euphorie spürt.

Pogatetz im Columbus-Dress

LAOLA1: Mit der Columbus Crew spielst du bei einem Traditionsklub und Gründungsmitglied der MLS. Macht sich dieses Renommee auch infrastrukturell bemerkbar und welche Ziele verfolgt ihr für diese Saison?

Pogatetz: Das Trainingszentrum ist natürlich nicht auf demselben Stand wie jene in Deutschland. Innerhalb unserer Liga gibt es sicher bessere, aber auch schlechtere Bedingungen als hier bei der Crew. Unser Klub ist sehr angesehen in Columbus. Die Leute verfolgen den Verein. Die Crew war auch die erste Franchise, die in der MLS über ein reines Soccer-Stadium verfügt hat. Darauf ist man hier stolz. Heuer wollen wir auf jeden Fall ins Playoff einziehen. Damit wären wir schon zufrieden. Es gibt einige MLS-Teams, die über uns stehen, wie Los Angeles, Orlando oder Portland. Das sind Mannschaften, die viel mehr investieren. Wir haben keinen Star-Spieler, der Millionen verdient.

LAOLA1: Wie ist der Wechsel in die USA zustande gekommen?

Pogatetz: Nachdem mein Vertrag bei Nürnberg aufgrund des Abstiegs ausgelaufen ist, wollte ich entweder noch einmal zu einem besseren Verein wechseln oder ein Abenteuer wagen. Leider kamen nicht so gute Angebote, wie ich es mir erhofft habe. Deswegen habe ich mich für die MLS entschieden. Bei der Crew hatte ich das beste Gefühl, ich habe mich vor dem Wechsel sehr lange mit Trainer Gregg Berhalter unterhalten, der selbst einmal in Deutschland gespielt hat.

LAOLA1: Du hast gerade von Anfragen anderer Vereine gesprochen. Wer wäre denn an dir interessiert gewesen?

Pogatetz: Es ist schwer zu sagen, was wirklich konkret werden hätten können. In Deutschland gab es Möglichkeiten, in der Türkei oder auch in der englischen Championship (2. Leistungsstufe, Anm.). Aber es war nichts dabei, das für meine weitere Karriere in Frage gekommen wäre.

LAOLA1: Bei der Nationalmannschaft steht zu derzeit auf der Abruf-Liste. „Wir müssen ihn nicht beobachten, er war ja lange Zeit bei uns mit dabei“, hat Marcel Koller bei der Kader-Bekanntgabe über dich gesagt. Freut es dich, wenn der Teamchef dir so viel Vertrauen schenkt?

Pogatetz: Natürlich! Bevor ich in die MLS gewechselt bin, habe ich mit Marcel Koller darüber gesprochen, ob ich dann überhaupt Chancen habe, einberufen zu werden. Er hat gemeint, dass ich auf keinen Fall aus der Nationalmannschaft zurücktreten soll. Schließlich kann immer jemand ausfallen und dann wäre es wichtig, wenn er auf einen erfahrenen Spieler wie mich setzten könne. Sollte einmal ein Engpass bestehen, dann hoffe ich, dass der Teamchef auf mich zurückgreifen wird.

Im Streitgespräch mit Ronaldo, Teamkollege Woodgate geht dazwischen

LAOLA1: Mit Ausnahme von Martin Hinteregger sind alle ÖFB-Innenverteidiger Legionäre. Du selbst bist auch schon früh ins Ausland gewechselt. Würdest du dem Salzburger ebenfalls einem Wechsel nahelegen?

Pogatetz: Das ist schwer. Ich kann einem Martin Hinteregger keine Empfehlungen geben. Bei Red Bull ist er ein sehr angesehener Spieler. Der Verein arbeitet auf hohem Niveau und spielt regelmäßig international. Also Salzburg ist sicher nicht die schlechteste Adresse. Das Gras ist nicht immer grüner auf der anderen Seite. Wenn er also weggehen sollte, dann muss er einen Verein finden, bei dem er sich verbessern kann. Einen Klub, der vorne mitspielt.

LAOLA1: Rechnest du dir Chancen aus, bei der EURO 2016 in Frankreich dabei zu sein?

Pogatetz: Sicher macht man sich Hoffnungen. Man weiß nie, was passiert und muss deswegen immer bereit sein. Wir haben es bei der EURO 2008 mit Ivica Vastic gesehen, der damals fast unser bester Spieler war. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, aber wenn es nicht klappt, dann ist es auch nicht schlimm. Ich hatte eine tolle Zeit beim Nationalteam.

LAOLA1: Wenn du auf deine Karriere zurückblickst, welche Station war am schönsten?

Pogatetz: Ich habe mich bei jedem Verein wohlgefühlt, aber mit Middlesbrough habe ich mich sicher am meisten verbunden gefühlt. Ich hätte mir vorstellen können, die gesamte Karriere dort zu verbringen. Leider ist dann aber der Abstieg gekommen und wir konnten uns auf keinen neuen Vertrag einigen. Ich verfolge den Klub aber. Die Zeitungen rufen mich heute noch an und holen meine Meinung ein. Auch in Hannover oder beim GAK hatte ich eine tolle Zeit. In Nürnberg durfte ich mit Gertjan Verbeek zusammenarbeiten – einem der besten Coaches, denen ich in meiner Karriere begegnet bin. Leider sind wir dann trotzdem abgestiegen. Middlesbrough steht aber eine Stufe über allem.

LAOLA1: Du bist bei Middlesbrough eine Kult-Figur. Würde eine Rückkehr für dich in Frage kommen?

Pogatetz: Ich glaube, da ist die Zeit schon abgelaufen. Sie werden nächstes Jahr in der Premier Leauge spielen. Da haben sie sicher andere Spieler am Radar. Ich bin froh, dass ich eine gute Zeit dort hatte. Manchmal muss man mit Vereinen eben abschließen.

LAOLA1: 2006 hast du in einem Interview die unprofessionellen Verhältnisse beim Nationalteam kritisiert, woraufhin dich der damalige Teamchef Josef Hickersberger aus dem Kader gestrichen hat. 

Pogatetz: Wenn ich den Vergleich ziehe, was sich getan hat zwischen damals, als ich zum ersten Mal nominiert wurde, und jetzt, dann hat es einen sehr großen Schritt nach vorne gegeben. Die meisten Spieler von heute wissen gar nicht, welche Verbesserungen es da innerhalb des ÖFB gegeben hat. Sicher war es von mir damals nicht richtig, alles auf die Bedingungen umzumünzen. Auch das Spielermaterial war einfach nicht da. Aber im ÖFB wurde nicht auf dem Niveau von heute gearbeitet. Das will ich nicht am Trainer festmachen, es war allgemein so. Jetzt wird sehr gut gearbeitet. Deswegen kommen die Spieler gerne zum Nationalteam. Zu meiner Zeit haben oft gleich fünf, sechs Spieler abgesagt – da konnte man sich seinen Teil denken.

LAOLA1: Hat es dich damals geärgert, dass niemand über den Inhalt deiner Aussagen diskutiert hat und nur dein Gang in die Öffentlichkeit thematisiert wurde?

Pogatetz: Mein Fehler war, dass ich auch den taktischen Bereich angesprochen habe. Als Spieler stand es mir einfach nicht zu, die Angelegenheiten des Trainers zu kritisieren. Ich dachte damals, es muss taktisch überall gleich operiert werden. Er hatte aber einfach eine andere Methode, als ich sie in England kennengelernt habe. Mittlerweile weiß ich, dass man als Spieler den Trainer nicht immer durchschaut. Vielleicht war meine Kritik diesbezüglich zu weit gegriffen. Aber in vielen Bereichen wurden wir damals einfach nicht so unterstützt, wie wir uns das erhofft hätten. Es war ein bisschen enttäuschend für mich, dass ich öffentlich nicht von anderen Spielern unterstützt wurde. Denn intern waren wir alle derselben Meinung. Wir hätten uns es damals einfach verdient, auf einem höheren Niveau zu arbeiten, beispielsweise von der Ausrüstung her. Viele Spieler hatten Angst, die EURO zu verpassen. Deswegen war es schon verständlich für mich, dass die Unterstützung ausblieb.

Jahr Verein
1997-2000 Sturm-Nachwuchs
2000-2001 FC Kärnten
2001-2002 Bayer Leverkusen
2002-2003 FC Aarau (Leihe)
2003-2005 GAK (Leihe)
2005 Spartak Moskau (Leihe)
2005-2010 Middlesbrough
2010-2012 Hannover 96
2012-2013 VfL Wolfsburg
2013 West Ham (Leihe)
2013-2014 Nürnberg
2014-2015 Columbus Crew 

2006: Kritik an Hickersberger

LAOALA1: Vor der Europameisterschaft gab es eine Aussprache und du bist ins ÖFB-Team zurückgekehrt. Ist dir diese Aussöhnung schwer gefallen?

Pogatetz: Überhaupt nicht. Ich habe gegen Josef Hickersberger persönlich überhaupt nichts. Damals bin ich einen Schritt zu weit gegangen, ihn auf taktischem Niveau zu kritisieren. Er war der Trainer, ich der Spieler. Ich kann nachvollziehen, dass er sich das nicht gefallen lassen konnte. Ich bin ihm unendlich dankbar, dass er mich zurückgeholt hat und ich die Europameisterschaft spielen durfte. Da hat er Größe bewiesen. Ich würde nie sagen, dass er ein schlechter Trainer war. Der Erfolg, den er bei seinen Vereinen hatte, gibt ihm Recht. Auch bei der EURO hätten wir mit einer besseren Chancenverwertung die Gruppenphase überstehen können. Das wäre sensationell gewesen.

LAOLA1: Es macht den Eindruck, als hättest du schon damals wie ein Trainer gedacht. Strebst du eine Coaching-Karriere an?

Pogatetz: Ich würde es lieben, das zu versuchen. In meiner Karriere habe ich viele verschiedene Arbeitsweisen kennengelernt. Als Spieler denkt man sich immer, dass es nicht so schwer sein kann als Trainer, obwohl das natürlich ein sehr anspruchsvoller Job ist. Zum jetzigen Zeitpunkt schließe ich eine solche Karriere aber eher aus, weil ich nach meiner Karriere an den Wochenenden auch einmal Zeit für Familie und Freunde haben will. Aber ich kann jetzt noch nicht sagen, wie es sein wird. Schließlich drehte sich bisher mein ganzes Leben um den Fußball.

 

Das Interview führte Jakob Faber