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"Man hat gesehen, welcher Siegeswille in uns brennt"

„Der FC Bayern München hat es ja auch jahrelang so gemacht: Nicht gut gespielt und trotzdem gewonnen“, grinste Robert Almer.

Nein, gerade die erste Halbzeit erfüllte keineswegs den Anspruch, den Österreichs Nationalteam mittlerweile an sich selbst stellt. Dennoch hatten die ÖFB-Kicker nach dem 3:2-Last-Minute-Sieg in Montenegro gut lachen.

Almer stufte diese Partie als „Lernprozess, der uns vielleicht in Zukunft weiterhelfen wird“ ein.

Eine schwierige Geburt war der achte Pflichtspiel-Sieg in Folge, der einen Rekord in der rot-weiß-roten Fußball-Historie darstellt, definitiv.

Zeigt die Moral und den Geist dieser Mannschaft“

Zweimaliger Rückstand, Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, die anfangs zu laxe Herangehensweise – das Team musste sich gegen diverse, teils selbst verschuldete Widerstände durchsetzen. Und tat dies auch.

„Das zeigt einmal mehr die Moral und den Geist, der in dieser Mannschaft steckt. Ich bin wahnsinnig stolz auf die Truppe“, erklärte Marc Janko, der sein 23. Länderspiel-Tor erzielte.

Die erste Halbzeit war für den Basel-Stürmer noch „eine klassische 0:0-Partie“. Das Vorhaben, trotz bereits fixierter EM-Qualifkation das gewohnte Spiel durchzudrücken, konnte nicht wie erhofft umgesetzt werden.

„Wir haben uns schwer getan, weil die Ordnung nicht zu 100 Prozent gepasst hat. Wir hatten leichte Ballverluste, obwohl wir das Spiel grundsätzlich schon kontrolliert haben, haben einige Fehler gemacht“, monierte Zlatko Junuzovic.

Angefressen“ auf Leistung vor der Pause

Laut Teamchef Marcel Koller seien seine Schützlinge schlampig und unkonzentriert gewesen: „Das Passspiel war nicht gut, wir haben viele Fehler gemacht, sind nicht ins Spiel gekommen.“

So stellvertretend der Sieg am Ende dafür stand, was diese Einheit auszeichnet, von der eigenen Leistung in den ersten 45 Minuten mussten sich die ÖFB-Spieler ein wenig distanzieren:

„Die erste Halbzeit steht nicht für uns, weil wir zuvor in der kompletten Qualifikation gezeigt haben, dass wir eine gute Balance zwischen Defensive und Offensive haben, auch immer wieder sehr intelligent gespielt haben, egal ob auswärts oder daheim. Das war in der ersten Halbzeit nicht der Fall, weil wir zu sorglos waren“, kritisierte Julian Baumgartlinger.

Almer: „Wir sind angefressen, dass wir vor der Pause nicht auf den Platz bekommen haben, was wir uns vorgenommen hatten. Aber wenn man ein paar Prozent weniger gibt, wird es auch gegen vermeintlich schwächere Nationen schwierig.“

Die „Gelbe Gefahr“ im Hinterkopf

Die fehlenden Prozent waren tendenziell Kopfsache. Nach einem erreichten Ziel die bestmögliche Performance abzurufen, ist auch schon ganz anderen Mannschaften schwer gefallen. Zudem schlich sich der eine oder andere Gedanke an den krönenden Abschluss dieser Qualifikations-Kampagne gegen Liechtenstein ein.

„Es ist ganz einfach: Viele Spieler waren gelbvorbelastet, wollen aber am Montag auch noch spielen. Ich bin da inkludiert, ich wollte natürlich keine Gelbe Karte sehen. Gleich ist es 'Drago' neben mir gegangen, er hat mir das vor dem Spiel erzählt. Natürlich versucht man alles zu geben, aber es ist auch so, das man den Montag im Hinterkopf hatte. Aber wir haben dennoch viel geleistet, dass wir das Spiel noch gedreht haben“, gab Sebastian Prödl zu.

Ein Bewerbsspiel ohne Druck war für diese Mannschaft eine gänzlich neue Erfahrung. Dies kannte man bislang maximal aus der gegenteiligen Perspektive, dass eine Qualifikation rein rechnerisch nicht mehr möglich ist.

Also versuchte man sich mit Bonuszielen wie Topf zwei bei der EM-Auslosung oder dem Vordringen in die Top Ten der Weltrangliste einen zusätzlichen Kick zu verschaffen.

Gegen Lockerheit und Inkonsequenz angekämpft

„Die Spannung ist nicht mehr gleich, wie wenn du hier Punkte benötigst. Das ist die Schwierigkeit, aber auch ein Prozess, den die Spieler durchmachen müssen“, fand Koller.

Montenegro Österreich
Ballbesitz 36,4% 63,6%
Zweikämpfe 48,5% 51,5%
rn
Angekommene Pässe
64,6% 83,8%
Torschüsse 9 23
Torschüsse außerhalb Strafraum 5 8
Torschüsse innerhalb Strafraum 4 15
Kopfballchancen 1 8
Flanken 10 14
Fouls 8 8

Eingangs von Almer gewählter Vergleich mit dem FC Bayern war zwar mit Augenzwinkern gemeint, enthielt jedoch vielleicht ein Körnchen Wahrheit.

Auch wenn es in der aktuellen EM-Qualifikation nicht so zum Tragen kommt und der Weltmeister im Gegensatz zu Österreich das Ticket für die EM in Frankreich noch nicht gelöst hat: Grundsätzlich ist es eine typisch deutsche Tugend, auch an schwächeren Tagen noch das Beste herauszuholen.

Wie die Deutschen

Und dies zu einem guten Teil aufgrund des bedingungslosen Glaubens an die eigenen Stärken, den man den Kontrahenten auch spüren lässt.

Selbigen lebt das ÖFB-Team derzeit vorbildlich, wie Kapitän Christian Fuchs fand: „Das ist dann auch ein bisschen frustrierend für den Gegner: Sie gehen 2:1 in Führung, trotzdem bleiben wir eigentlich ganz ruhig, spielen weiter, haben ein überzeugendes Auftreten und glauben an uns.“

Grinsender Nachsatz: „Das ist etwas, das man selbst als Gegenspieler nicht gerne hat, wenn man gegen die Deutschen spielt.“

Aktuell mögen die Gegner diese Tugenden an den Österreichern nicht.


Peter Altmann

Auch mit dem Umstand, in Rückstand zu liegen, betraten seine Schützlinge in dieser Qualifikation Neuland. Die Reaktion, die sie zeigten, konnte sich sehen lassen.

„Man hat gesehen, welcher Siegeswille in uns brennt, obwohl wir schon längst durch sind“, meinte Prödl, der bereits unter der Woche meinte, dass Montenegro ein guter Test dafür sei, wo diese Mannschaft steht:

„Man hat dann auch gesehen, wir kämpfen gegen diese Lockerheit und gegen dieses Inkonsequente an, das wir in der ersten Halbzeit hatten. In der zweiten Halbzeit haben wir überhaupt nicht mehr daran zweifeln lassen, dass wir Gruppen-Erster sind, dieses Spiel noch gewinnen wollen und wir die Qualität dazu besitzen. Das ist natürlich ein Schritt nach vorne.“

Keine Ahnung, was der teilweise zusammengepfiffen hat“

Angesichts des späten Siegtreffers durch Marcel Sabitzer nach dem Ausgleich zum 2:2 durch Marko Arnautovic konnte man auch mit der Leistung von Referee Daniele Orsato etwas gnädiger ins Gericht gehen. Wobei freilich gewisse Irritationen zurückblieben.

„Keine Ahnung, was der teilweise zusammengepfiffen hat. Das waren einige Fehlentscheidungen, nicht nur eine oder zwei“, ärgerte sich Junuzovic, dem beim Stand von 1:1 ein regulärer Treffer aberkannt wurde.

Janko meinte: „Er hatte ein paar Entscheidungen dabei, die er exklusiv gesehen hat. Ich war oft nicht derselben Meinung wie er. Aber so ist das nun mal. Ab und zu pfeift er nicht so, wie man die Sachen selbst wahrnimmt. Damit muss man jedoch umgehen können und ich denke, wir sind sehr cool geblieben.“

Kann man als Siegermentalität oder Sieger-Gen bezeichnen“

Schiedsrichter hin, Schiedsrichter her, letztlich hat das Nationalteam auch diese Prüfung bestanden und kann auch aus einer phasenweise nicht optimalen Leistung weiteres Selbstvertrauen mitnehmen.

„Man kann das schon als Siegermentalität oder Sieger-Gen bezeichnen. Ich denke schon, dass uns das auszeichnet“, verdeutlichte Martin Harnik, „es ist ja nicht nur so, dass wir auswärts zwei Rückständen hinterhergelaufen sind und trotzdem gewonnen haben, wir haben auch gegen einen guten Gegner gespielt. Montenegro hat uns das Leben schwer gemacht und verfügt gerade in der Offensive über starke Spieler. Deswegen ist es keine Selbstverständlichkeit, hier zu gewinnen.“