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Koller: "Dürfen uns nicht ablenken lassen"

Koller:

Das Ziel ist die Europameisterschaft in Frankreich 2016.

Der Weg dorthin führt über Liechtenstein. Marcel Koller und sein Team wollen im Fürstentum drei Punkte einfahren. Dafür nennt der Schweizer drei Schlüssel: Einstellung. Konsequenz. Konzentration.

In den 90 Minuten von Vaduz werden diese und andere Aspekte eine entscheidende Rolle spielen:

EINSTELLUNG: Gebetsmühlenartig trichterte Koller seinen Schützlingen unter der Woche ein, wie wesentlich die richtige mentale Herangehensweise auf diese Partie sein wird. An der fußballerischen Überlegenheit der ÖFB-Elf sollte es wenig Zweifel geben, im Sport spielt jedoch bekanntlich auch der Kopf eine entscheidende Rolle. „Die Stimmung ist gut, aber nicht überheblich. Keiner hat das Gefühl, dass man da gemütlich hinfahren und locker die drei Punkte mitnehmen kann“, ist der 54-Jährige mit der Einstellung seiner Spieler hochzufrieden.

Das Trainerteam hat auf diesen Bereich einen Schwerpunkt gelegt, damit die Gefahr, den Gegner unterbewusst zu unterschätzen, minimiert wird. Koller: „Wir haben natürlich von unserer Seite in den letzten Tagen in diesem Sinne darauf hingearbeitet. Es ist ja in den Klubs auch so, dass du zuerst dein Spiel auf den Platz bringen musst. Das geht nur, wenn du konzentriert bist und auch dementsprechend beginnst. Du kannst nicht zuerst locker ins Spiel gehen, dann ist es viel schwerer. Es ist viel einfacher, wenn du gleich von Anfang an Gas gibst und versuchst, den Gegner zu zermürben, als wenn du umschalten musst.“

CHANCENVERWERTUNG: Es ist keine Neuigkeit, dass gegen tiefstehende Gegner ein früher Treffer ein „Dosenöffner“ sein kann. Auch in diesem Bereich spielt Konzentration selbstredend eine große Rolle, wie der Teamchef verdeutlicht: „Wir haben den Spielern natürlich schon auch vermittelt, dass es wichtig ist, wenn es gleich am Anfang Chancen gibt, diese auch zu verwerten, und nicht irgendwie fünf, sechs, sieben Möglichkeiten vorbeistreichen zu lassen und sich zu denken, es werden schon noch welche folgen, und plötzlich ist das Spiel zu Ende. Es ist wichtig, die Konsequenz auf den Platz zu bringen, gleich die erste oder zweite Chance zu nützen. Ich gehe davon aus, dass der Gegner auch dann nicht aufmachen wird. Dann heißt es, weiter dran zu bleiben und nicht aufzuhören.“

Das Rezept, um Chancen herauszuspielen? „Kurze Ballkontakte, dass wir viel in Bewegung sind, den Ball schnell laufen lassen, in die Tiefe laufen, das Eins gegen Eins suchen. Das sind alles Dinge, die für mich zu schönem Fußball dazugehören. Wir haben die Spieler, die das umsetzen können. Es wird wichtig sein, das auf den Platz zu bringen.“

GEDULD: „Schlussendlich ist es wurscht“, antwortet Koller auf die Frage, ob er einen Leckerbissen oder einen dreckigen Sieg erwarte. Wichtig sei ihm, das eigene Spiel durchzudrücken – und dieses sehe nicht schlecht aus, wenn es gelingt, dies in hohem Tempo umzusetzen. Die Möglichkeit, dass es längere Zeit Unentschieden steht und das Match zu einer Geduldsprobe wird, ist freilich nicht auszuschließen. Der Schweizer setzt diesbezüglich auf den Reifeprozess seiner Elf und hofft, dass sie „bis zum Schluss nicht hektisch“ wird.

Als Negativbeispiel diesbezüglich führt Koller das 0:0 in Kasachstan im Rahmen der letzten WM-Qualifikation an: „Dort waren wir in der letzten Viertelstunde sehr unruhig und nervös. Jeder wollte noch das Tor erzielen, wir haben mit dem Schiedsrichter diskutiert. Der Gegner hat natürlich auch dazu beigetragen, indem er versucht hat, die Zeit verstreichen zu lassen. Es wird wichtig sein, dass wir so fokussiert sind, dass wir uns nicht von Nebensächlichkeiten ablenken lassen.“ Als Plan B dürfte übrigens Plan A dienen, denn B wie Brechstange solle laut Koller nicht zum Zug kommen: „Wenn es wirklich nicht mehr geht, ist es quasi das Notfallpaket, dass man es dann mit langen Bällen probiert. Aber ich denke, dass das in diesem Spiel nicht gut wäre, weil der Gegner eh schon tief steht und der Ball dann im Aus oder beim Torhüter wäre. Daher braucht man schon eine andere Variante.“

PERSONAL: Kommentare zur Aufstellung lehnt der Teamchef wie gehabt ab. Da ihm seine Stammelf zur Verfügung steht, ist jedoch damit zu rechnen, dass diese auch auflaufen wird. Dies bedeutet vor allem die Rückkehr von David Alaba und Julian Baumgartlinger, die in den November-Länderspielen jeweils verletzungsbedingt passen mussten. Diesmal sind alle Kadermitglieder einsatzbereit, es gibt nur zwei Sorgenkinder, allerdings nicht allzu besorgniserregender Natur. „Stefan Ilsanker und Veli Kavlak haben ein bisschen Probleme, aber das sind Dinge, die wir im Griff haben“, betont Koller.

LIECHTENSTEIN: Im Nachbarland Österreichs herrscht aufgrund der bisherigen Ergebnisse in der EM-Qualifikation natürlich Euphorie, da und dort ist auch der Begriff „Jahrhundertspiel“ zu hören. Für Koller zählen Ried-Legionär Michele Polverino, Franz Burgmeier, Mario Frick und Sandro Wieser zu den auffälligsten Feldspielern. Marko Arnautovic gestand freimütig ein, dass ihm die jeweiligen Gegenspieler nicht wirklich ein Begriff sind. Ein Umstand, der trotz der geographischen Nähe irgendwo nachvollziehbar ist. Nach dem DVD-Studium ist der Respekt bei den ÖFB-Kickern aber spürbar gestiegen.

„Natürlich ist es so, dass die Spieler nicht so viel Ahnung haben, denn wenn ich gegen Deutschland oder Spanien spiele, sieht man diese Gegner auf jedem Kanal. Wenn du dann Dinge über die Qualitäten von Liechtenstein zeigst, sieht man schon, dass sie Fußball spielen können, wenn man sie spielen lässt“, meint Koller, der die Truppe des österreichischen Teamchefs Rene Pauritsch wiefolgt charakterisiert: „Ich erwarte eigentlich genau das, was sie in den 15 Spielen, die ich gesehen habe, gezeigt haben. Nämlich, dass sie in der Defensive sehr kompakt stehen, gut verschieben und auch, wenn sie 0:1 im Rückstand liegen, nicht groß öffnen, und dass sie versuchen, mit Kontern nach vorne zu kommen, auf Fehler des Gegners warten und mit Freistößen und Eckbällen ihr Glück versuchen.“

ÖFB-Fans: Ein Auswärtsspiel im herkömmlichen Sinne ist im Rheinpark-Stadion in Vaduz nur bedingt zu erwarten, da der rot-weiß-rote Support riesig sein dürfte. Zahlreiche Österreicher haben sich sogar ein Quali-Abo Liechtensteins gegönnt, um bei dieser Partie live mit dabei sein zu können. „Es ist ein Nachbarland, ich denke, es werden viele Vorarlberger da sein. Das sagt wirklich viel aus“, erklärt Koller, der dies als zusätzliche Verpflichtung für seine Mannschaft sieht: „Ich denke schon, dass die Unterstützung groß sein wird. Das bedeutet für uns natürlich auch die Pflicht, dass die Spieler 90 Minuten lang Vollgas geben, um nach dem Spiel mit den Fans feiern zu können.“ Das Wort „Pflichtsieg“ will der ÖFB-Coach jedoch – ebenso wie seine Schützlinge - trotzdem nicht in den Mund nehmen: „Nein, sicher nicht, weil ich bin ja der, der das vermitteln muss.“

Peter Altmann