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"Bin froh, wenn ich von dem Stress einmal wegkomme"

Eine willkommene Abwechslung.

Auch wenn für die österreichische Nationalmannschaft im EM-Quali-Spiel gegen Liechtenstein (Fr., 20:45 Uhr) viel auf dem Spiel steht, kommt für Veli Kavlak der Abstecher zum ÖFB-Team gerade zur rechten Zeit.

Denn der beinharte Meisterschaftskampf in der Türkei setzt ihm langsam zu. Und die Spannung könnte nicht größer sein.

Neun Runden vor Schluss rangiert der 26-Jährige mit seinem Klub Besiktas am zweiten Tabellenplatz. Das Team von Trainer Slaven Bilic verlor die Tabellenführung erst am Wochenende an Galatasaray aufgrund der 0:1-Niederlage im Derby gegen das drittplatzierte Fenerbahce. Lediglich zwei Punkte trennen die drei Istanbuler Klubs an der Spitze.

„Die letzten Runden werden noch einmal extrem werden. Da spielt der Druck eine große Rolle. Wer damit am besten umgeht, wird das Rennen machen“, so Kavlak.

"Es ist wirklich arg, was da abgeht"

Dieser Druck nimmt in der türkischen Metropole von Woche zu Woche zu. „Es ist wirklich arg, was da abgeht. Wenn zum Beispiel Fenerbahce am Freitag gewinnt, Gala am Samstag ebenfalls siegt und du dann am Sonntag dran bist, musst du halt gewinnen. Eine Niederlage kann schon das Ende im Meisterkampf sein. Man kann diese Situation gar nicht so richtig beschreiben. Es ist ein Wahnsinn.“

Von Spieltag zu Spieltag heizt sich die Stimmung mehr und mehr auf. „Die Rivalität zwischen den Klubs wird immer größer. Am Anfang ist das Verhältnis noch recht in Ordnung, doch dann wird aufeinander geschossen.“

Ob in den Sozialen Medien, in der medialen Berichterstattung oder der Erwartungshaltung – der Wiener weiß, dass das Saisonfinale hitzig wird.

„Man merkt, dass es zum Endspurt hingeht. Wir hatten bis jetzt eine gute Saison, aber noch nichts in der Hand. Jetzt müssen wir alles in die Waagschale werfen, damit wir uns belohnen.“

Ein schmaler Grat

Wie groß die Erwartungshaltung bei den Besiktas-Fans ist, musste der 31-fache Teamspieler erst unlängst erfahren.

„Als wir in der Europa League gegen Liverpool aufgestiegen sind, haben uns 70.000 Fans gefeiert. 6.000 Leute sind anschließend zum Trainingszentrum gekommen. Zwei Wochen später nach dem Ausscheiden gegen Brügge wurden wir ausgepfiffen.“

Dass Besiktas überhaupt im Titelkampf mitmischt, wertet der Mittfeldspieler bereits als Teil-Erfolg. Schließlich musste der Klub aufgrund der Umbauarbeiten im Inönü-Stadion ins außerhalb der Stadt gelegene und eher stimmungslose Atatürk-Stadion umziehen.

„Dadurch dass wir aktuell kein Stadion haben und jedes Spiel quasi auswärts bestreiten müssen, ist es ein Erfolg, dass wir da oben dabei sind.“

"Froh, beim Team zu sein"

Obwohl der 13-fache Meister in der vorletzten Runde noch auswärts gegen Galatasaray antreten muss, „werden die Duelle gegen die vermeintlich „Kleineren“ wohl ausschlaggebend am Weg zum Titel sein.“

In den nächsten beiden Wochen kann Kavlak dafür Kraft tanken. In der kommenden Runde ist er daheim gegen Istanbul Basaksehir gesperrt, davor steht eben das Länderspiel-Doppel mit dem ÖFB am Programm.

Dementsprechend glücklich zeigt er sich im Teamcamp. „Ich bin immer froh, wenn ich zum Team komme und von dem anderen Stress wegkomme. Meine Freunde, meine Familie, alle leben in Wien. Es macht großen Spaß, die Teamkollegen wiederzusehen.“

Überragende Stimmung

Die Stimmung in der Nationalmannschaft sei einfach überragend – anders als bei seinen türkischen Kollegen. Für den Ex-Rapidler ist es daher nicht verwunderlich, dass die Türkei in ihrer EM-Quali-Gruppe aktuell nur den vierten Platz belegt.

„In der Meisterschaft kämpfen die Spieler beinhart gegeneinander und dann müssen sehr viele plötzlich im Team zusammenspielen. Dass da dann nicht alles passt, ist klar. Früher hat es Sprüche gegen mich gegeben, jetzt klopfe ich Sprüche.“

Dass er im Gegensatz zum Klub bei Marcel Koller kein Fixleiberl hat, nimmt der Türkei-Legionär zur Kenntnis. „Wir haben im Team einfach sehr gute Spieler auf dieser Position.“

Vergessen ist auch das letzte halbe Jahr, als er körperlich angeschlagen war. „Ich hatte kaum eine Vorbereitung, danach kam das CL-Quali-Match gegen Feyenoord. Ich habe davor zehn Tage nicht trainiert, nur das Abschlusstraining absolviert und musste spielen. Ich hatte sofort muskuläre Probleme. Ich konnte wieder nicht trainieren, stand aber erneut in der Meisterschaft am Feld. Irgendwann hat sich das bemerkbar gemacht.“

Das große Ziel vor Augen

Viel mehr richtet der Zentrumsspieler den Blick auf das große Ziel: Die EM-Endrunde in Frankreich 2016.

„Es wäre nicht nur für mich, sondern jeden einzelnen Spieler und für das ganze Land eine tolle Sache, wenn wir dabei wären. Wir haben uns bis jetzt alles Schritt für Schritt erarbeitet. Jetzt fehlt nur noch ein bisschen. Wir wollen uns diese Chance nicht entgehen lassen.“

Und Liechtenstein soll dabei kein Stolperstein sein. „Wir sind alle heiß, jeder weiß, was auf dem Spiel steht und ist hungrig. Wir wollen und müssen gewinnen. Das ist uns bewusst und unser Anspruch.“

 

Martin Wechtl/Peter Altmann