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"Kollers Geheimnis? Seine mentale Belastbarkeit!"

Der Sportdirektor des ÖFB blickt rosigen Zeiten entgegen.

Willi Ruttensteiner freut sich auf ein überaus spannendes Länderspieljahr 2015. Beim ÖFB ist Erntezeit. Im Herbst soll die Qualifikation für die EURO 2016 in Frankreich eingefahren werden.

Die Entwicklung der Nationalmannschaft bereitet dem 52-Jährigen "eine Riesenfreude", Teamchef Marcel Koller hält der Oberösterreicher für "einen der besten Trainer Europas".

Warum der FIFA- und UEFA-Instruktor dennoch auf die Euphorie-Bremse steigt, was ihn bei den Führungsspielern in den ÖFB-Auswahlen imponiert und welche Erwartungen er in die U20-Nationalmannschaft bei der WM-Endrunde in Neuseeland (30. Mai bis 20. Juni) setzt, verrät Willi Ruttensteiner im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Das ganze Land erwartet, dass Österreich zur EURO fährt. Wie geht der ÖFB mit der Euphorie um?

Willi Ruttensteiner: Euphorie und Emotionen im Land sind gut. Das haben sich die Spieler mit ihren Leistungen erarbeitet. Es ist super, dass man die Mannschaft mag, ihre Leistungen schätzt und sowohl die Qualität als auch die Entwicklung gutheißt. Wo wir aber wirklich aufpassen müssen ist, dass die Mannschaft fokussiert bleibt und die Zielsetzung, das nächste Spiel als die größte Herausforderung anzusehen, nicht aus den Augen verliert. Dafür muss das gesamte Team die richtige Einstellung finden. Jetzt geht es gegen Liechtenstein und wenn wir diese drei Punkte schaffen, sind wir wieder einen Schritt weiter. Die zwei großen Zielsetzungen bleiben: Das nächste Spiel ist das Wichtigste! Und wenn man so weiter denkt, dann geht es darum, erstmals in der Geschichte des ÖFB die erfolgreiche Qualifikation für die EURO zu schaffen.

LAOLA1: Das Standing von Marcel Koller im Land ist hervorragend, die Entwicklung der Mannschaft geht in die richtige Richtung. Wo ist der ÖFB gefordert, seinen Teil beizutragen?

Ruttensteiner: Wir sind in der Professionalität im Umfeld gefordert. Jeder, der die Ära des Teamchefs beobachtet, hat mitbekommen, dass all jene Dinge, die wir Marcel Koller vorgeschlagen haben, von ihm goutiert worden sind. Wenn man seinen Betreuerstab anschaut, dann sind bis auf den Sportpsychologen, der mit ihm bereits in Bochum gearbeitet hat und ein Wunsch von ihm war, alles Leute dabei, die wir ihm vorgeschlagen haben. Marcel Koller schätzt diese sehr und das ist positiv. Ich glaube zu wissen, dass er mit den Rahmenbedingungen sehr zufrieden ist.

LAOLA1: Und wie beurteilen der Sportdirektor das Standing des Teamchefs?

Ruttensteiner: Den Status im Land hat er sich durch seriöse Arbeit verdient. Durch seinen Charakter, durch sein Auftreten, durch seine Bescheidenheit und seinem Respekt dem Land gegenüber. Wenn er so weiter arbeitet, wird seine Anerkennung weiter steigen.

LAOLA1: Wird Richtung Persönlichkeitsbildung beim ÖFB viel getan?

Ruttensteiner: Am Wichtigsten dafür sind erfolgreiche Qualifikationen der Nachwuchs-Auswahlen für diverse Endrunden. Solche Erlebnisse sind für die Jung-Profis unbezahlbar. Wir vom ÖFB können Richtung Persönlichkeitsbildung nur kleine Impulse geben. Die Spieler müssen ihre Persönlichkeit selber schärfen. Bei ihrem Verein und bei der Nationalmannschaft. Da passiert aktuell sehr viel Positives und das wiederum macht mich zuversichtlich, dass es diese Typen schaffen können.

LAOLA1: Der ÖFB verhält sich in Sachen Einbürgerung von möglichen Teamspielern sehr defensiv. Gibt es dafür Gründe?

Ruttensteiner: Die Haltung des ÖFB ist diesbezüglich ganz klar. Wir investieren sehr viel in den österreichischen Weg und sind von der finanziellen Belastung her am Limit, diesen Weg aufrecht zu erhalten. Wir geben dort die Linie vor, stolz darauf zu sein, in der österreichischen Auswahl zu spielen. Deswegen gibt es auch keine Aktivitäten, um uns im Ausland nach möglichen Kandidaten für das Nationalteam umzusehen. Das machen wir bewusst nicht. Wenn es einen Spieler gibt, wie zuletzt beim Brasilianer Alan, der von sich aus Interesse zeigt im Nationalteam zu spielen, oder wir entdecken in einer ausländischen Liga einen interessanten Nachwuchsspieler mit österreichischen Wurzeln, dann haben wir auch immer wieder Aktivitäten gesetzt. Wir akzeptieren aber auch Fälle wie den ehemaligen LASK-Spieler Mateo Kovacic oder Rapid-Tormann Marko Maric, die bei uns aufgewachsen und in Österreich ausgebildet worden sind, sich dann aber für ein anderes Land (Anm: Kroatien) entscheiden. Wobei ich mich um Maric sehr bemüht habe, auch Andy Heraf wiederholt das Thema mit ihm besprochen hat. Wir sind aber ganz klar der Meinung, dass niemand für Österreich spielen soll, der nicht mit ganzem Herzen für unser Land antreten will.

LAOLA1: Worin liegt das Erfolgsgeheimnis von Marcel Koller?

Ruttensteiner: Die Fachlichkeit ist heute im internationalen Fußball Voraussetzung. Und da ist er sehr gut, zählt für mich zu den Top-Trainern in Europa. Er hat sich wahnsinnig viel gebildet, weiß sehr viel über den Fußball. Auch von seiner Vergangenheit als Spieler. Noch wichtiger für mich aber ist seine Persönlichkeit. Er hat ein wahnsinniges Feeling für Menschen. Er kann viel Vertrauen geben. Er weiß, was ein Spieler in welcher Situation braucht. Seine größte Stärke – und da verrate ich vielleicht etwas – ist seine mentale Belastbarkeit. Er wird nie hektisch oder nervös. Bei ihm habe ich das Gefühl, dass er, je näher das Spiel kommt, immer stärker wird. Das ist eine herausragende Eigenschaft. Er bringt im richtigen Moment seine Top-Leistung. Der Trainer muss bei wichtigen Spielen eine Top-Leistung bringen, sonst kann er der Mannschaft wenig helfen.

LAOLA1: Wie sieht der Sportdirektor die Entwicklung der Führungsspieler?

Ruttensteiner: Absolut positiv. Beispielsweise Zlatko Junuzovic. So wie er sich in den letzten Monaten auf und abseits des Spielfelds präsentiert, kann ich nur sagen, dass ich stolz darauf bin, dass wir solche Teamspieler haben. Wenn ich an seine Anfänge denke, an die U20-WM 2007 in Kanada, da komme ich aus dem Staunen nicht heraus, wie er sich entwickelt hat. Wenn ich weitere Spieler wie Aleksandar Dragovic, Sebastian Prödl, David Alaba oder Veli Kavlak usw. betrachte, wie sie sich in den Jahren entwickelt haben, dann kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass wir heute internationale Top-Spieler besitzen. Sie können dem Land wahnsinnig viel zurückgeben, wenn sie die Qualifikation für die EURO schaffen.

Andreas Heraf soll mit der U20 die Gruppenphase überstehen

LAOLA1: Wie sieht die Vorbereitung für die U20-WM aus?

Ruttensteiner: Wir haben für Ende März mit sportmotorischen Tests, Trainingslager und Testspiel alles ermöglicht. Dem Wunsch von Teamchef Heraf entsprechend wird im Vorfeld der WM noch ein Trainingslager vor Ort in Neuseeland abgehalten.

LAOLA1: Was ist in Österreichs WM-Gruppe möglich?

Ruttensteiner: Aus Südamerika sind meistens Brasilien und Argentinien die stärksten Gegner. Andererseits ist für alle Spieler ein Match gegen Argentinien immer ein großes Erlebnis. Diese Chance bekommt man nicht oft im Leben. Dazu gibt es in diesem Spiel eine Vorgeschichte aufgrund der knappen Niederlage bei der U17-WM 2013 in Dubai. Auch zu Panama gibt es eine Vorgeschichte, da Heraf mit seiner Auswahl bei der WM 2011 in Kolumbien auf die Mittelamerikaner getroffen ist. Dort gab es ein 0:0 bei dem Österreich die bessere Mannschaft war. Panama stellt zu 100 Prozent eine ganz starke Mannschaft und dann wartet noch ein Gegner aus Afrika. Da finde ich es extrem unglücklich, dass wir bei der Auslosung noch nicht erfahren haben, gegen wen wir antreten müssen. Das hat natürlich auch einen Nachteil in der Beobachtung des Gegners. Aber wir werden unsere guten Kontakte zu Nick Neururer nutzen, der als Scout den afrikanischen Nachwuchs-Fußball wie kein Zweiter kennt.

LAOLA1: Wie lautet die Zielsetzung des ÖFB für die U20-WM?

Ruttensteiner: Es gibt zwei große Ziele. Das erste lautet, und das wird sich erfüllen, dass Österreichs größte Talente an der Endrunde teilnehmen werden und dort Erfahrungen auf höchstem internationalem Niveau bei einer WM sammeln können. Eine U20-WM ist eine optimale Vorbereitung auf eine spätere Weltmeisterschaft. Das ist wichtig. Das hat man an der Auswahl der WM in Kanada 2007 gesehen, wo sich die Spieler in der Folge äußerst positiv entwickelt haben. Das zweite Ziel lautet, die Gruppenphase zu überstehen. Das ist eine große Zielsetzung, die uns in Kolumbien nicht gelungen ist und die wir in Kanada erreicht haben.

 

Das Gespräch führte Peter Rietzler

LAOLA1: Wie schaut es mit den Nachwuchs-Auswahlen aus? Wird Valentino Lazaro zur U20-WM reisen, oder beim A-Team bleiben?

Ruttensteiner: Auch da haben wir beim ÖFB eine ganz klare Festlegung. Die Nationalmannschaft hat absolute Priorität. Wir wollen zur EURO 2016. In einem Lehrgang kann viel passieren. Im Bereich U21, U20 und U19 gibt es eine starke Kollegialität zwischen Werner Gregoritsch, Andreas Heraf und Hermann Stadler, der ja mit der U19 die Eliterunde spielt. Da brauche ich überhaupt nicht eingreifen, die Trainer unterstützen den Andy Heraf und das U20-Team voll. Wir wollen bei der WM-Endrunde in Neuseeland mit der stärkst möglichen Mannschaft antreten. Da geht es aber auch darum, ob alle Spieler von ihren Klubs im Sommer abgestellt werden.

LAOLA1: Ist diesbezüglich mit den Vereinen alles auf Schiene?

Ruttensteiner: Wenn alle abgestellt werden, können wir bei der U20-WM wirklich stark auftreten. Wir haben bei der Liga alle Wünsche deponiert und sowohl von der Liga als auch von den Vereinen positive Signale erhalten. Auch die ausländischen Klubs haben bis jetzt sehr zustimmend auf unsere Anfragen reagiert. Wir pflegen seit Jahren sehr gute Kontakte zu den Vereinen, angefangen vom FC Bayern. Aber: Abstellpflicht besteht keine und ich bin ein wenig ein gebranntes Kind vom letzten WM-Turnier in Kolumbien 2011, wo es ebenfalls Zusagen gegeben hat, dann aber doch einige Spieler nicht dabei waren. Das können wir uns auf diesem Niveau nicht mehr leisten. Wenn wir komplett sind, dann traue ich der U20 wie einst in Kanada (Anm.: WM-Vierter 2007) sehr viel zu.