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"Ich sage keinem, du darfst kein Tor schießen"

Es kommt wie das Amen im Gebet: Erwischt Marc Janko im ÖFB-Dress keinen guten Tag, geht die Nörgelei los.

Trifft der bei Trabzonspor unglückliche Legionär trotz seiner Vereins-Probleme, wundert sich eine Fußball-Nation, wie gekonnt er im Nationalteam seine oftmals fehlende Spielpraxis kaschieren kann.

Am Freitag in Innsbruck beim 1:1 gegen Island vermochte dies der 30-Jährige nicht. Zusätzlich durch einen leichten Infekt geschwächt, konnte Janko seinen Torriecher nicht unter Beweis stellen.

"Werden an Janko festhalten"

Im Prinzip sind die Diskussionen seit Schlusspfiff in vollem Gange. Systemänderung? Sich dem Trend zur "Falschen Neun" anschließen?

Gedankenspiele, die Teamchef Marcel Koller missfallen.

Mal abgesehen davon, dass der Schweizer weder Notwendigkeit noch personelle Alternativen sieht, um sein System zu ändern, stärkt er auch seinem Vize-Kapitän den Rücken:

"Wir wissen, dass Janko nicht diese Spielpraxis hat und zuletzt auch gesundheitliche Probleme hatte. Er hat aber – gerade in den Quali-Spielen – gezeigt, dass er sehr wichtig für uns ist. Wir werden weiter an ihm festhalten und hoffen, dass er im Sommer etwas Geeignetes findet, wo er regelmäßig zum Einsatz kommt."

Österreichs "Three-Men-Show"

Der Hinweis auf Jankos Quali-Leistungen deutet an, dass die gegen Island wieder offenkundig gewordene Problematik der mangelnden Chancenverwertung ein tieferliegendes Problem ist.

Etwas populistisch formuliert: Das Toreschießen im Nationalteam geriet in den vergangenen knapp zwei Jahren zwischenzeitlich zur "Three-Men-Show".

Wie die Tabelle veranschaulicht, hängt im ÖFB-Team sehr viel von den Abschlussqualitäten von Janko, David Alaba und Martin Harnik ab.

Beim Island-Match schloss sich so gesehen ein Kreis. Es war das erste Spiel seit dem Start in die WM-Qualifikation im September 2012, als Zlatko Junuzovic den rot-weiß-roten Ehrentreffer beim 1:2 gegen Deutschland traf, in dem keiner aus diesem Trio ein Tor erzielte – sofern Österreich überhaupt über einen Treffer jubeln durfte.

Zieht man die beiden Pflichtsiege gegen die Färöer ab, hat im gewählten Berechnungszeitraum überhaupt nur dieses Trio für Österreich getroffen.

"Jeder, der Richtung Strafraum geht, steht in der Verantwortung"

Am Freitag am Innsbrucker Tivoli fehlten Alaba und Harnik verletzungsbedingt, Janko litt unter Ladehemmung. Marcel Sabitzer nutzte als einziger die Gelegenheit, sich ins Rampenlicht zu schießen. Allen anderen ÖFB-Kickern versagten vor dem gegnerischen Tor die Nerven, obwohl es nicht an Chancen mangelte.

Es ist also die passende Gelegenheit für Koller, seine Schützlinge daran zu erinnern, dass Torgefahr nicht das Alleinstellungsmerkmal des jeweiligen Angreifers bleiben, sondern auf mehrere Schultern verteilt werden sollte.

Gegner Ergebnis Torschütze(n)
Island (h) 1:1 Sabitzer
Uruguay (h) 1:1 <span style=\'color: #ff0000;\'>Janko
USA (h) 1:0 <span style=\'color: #ff0000;\'>Janko
Färöer (a) 3:0 Ivanschitz, Prödl, <span style=\'color: #ff0000;\'>Alaba
Schweden (a) 1:2 <span style=\'color: #ff0000;\'>Harnik
Irland (h) 1:0 <span style=\'color: #ff0000;\'>Alaba
Deutschland (a) 0:3
Griechenland (h) 0:2
Schweden (h) 2:1 <span style=\'color: #ff0000;\'>Alaba, <span style=\'color: #ff0000;\'>Janko
Irland (a) 2:2 <span style=\'color: #ff0000;\'>Harnik, <span style=\'color: #ff0000;\'>Alaba
Färöer (h) 6:0 Hosiner (2), Ivanschitz, Junuzovic, <span style=\'color: #ff0000;\'>Alaba, Garics
Wales (a) 1:2 <span style=\'color: #ff0000;\'>Janko
Elfenbeinküste (h) 0:3
Kasachstan (h) 4:0 <span style=\'color: #ff0000;\'>Janko (2), <span style=\'color: #ff0000;\'>Alaba, <span style=\'color: #ff0000;\'>Harnik
Kasachstan (a) 0:0
Deutschland (h.) 1:2 Junuzovic

"Es ist ja nicht nur Marc, der vorne drinnen spielt. Verschiedene Spieler hatten Torchancen. Mittelfeldspieler, die in die Tiefe gehen, werden dann auch zu Stürmern", verdeutlicht der ÖFB-Coach und stellt klar:

"Es muss nicht immer der Stürmer das Tor schießen. Es gibt auch Spiele, in denen der Stürmer kein Tor schießt, und du kannst trotzdem gewinnen. Es muss schon unser Ziel sein, dass nicht alle sagen, der da vorne muss die Tore machen. Da steht jeder, der in Richtung Strafraum geht, in der Verantwortung – und wir wollen viele Spieler im Strafraum haben."

"Als Mittelfeldspieler musst du heutzutage torgefährlich sein"

Kandidaten mit Luft nach oben gibt es diesbezüglich genügend. Sabitzer avancierte zum erst achten Mitglied des Kaders für den laufenden Lehrgang, der sich über ein Länderspiel-Tor freuen durfte.

Der nicht mit nach Tschechien gereiste Christoph Leitgeb etwa hat in mittlerweile 38 Länderspielen noch nicht getroffen.

Aber auch bei anderen Teamspielern ginge mehr: Am 1. Juni jährte sich das letzte ÖFB-Tor von Marko Arnautovic zum zweiten Mal. Auch die Ausbeute von Zlatko Junuzovic – vier Tore in 31 Länderspielen – ist nicht gerade atemberaubend. Beide sind feste Bestandteile des Offensiv-Quartetts. Dass Andreas Weimann sein erstes Tor für Österreich geradezu herbeisehnt, ist längst aktenkundig.

"Als Mittelfeldspieler musst du heutzutage torgefährlich sein. Es gibt auch Außenverteidiger, die Tore schießen. Ich sage keinem, du musst hinter der Mittellinie bleiben und darfst kein Tor schießen", hätte Koller wohl nichts gegen eine breitere Streuung unter den ÖFB-Torschützen einzuwenden.

Mehr Überzeugung, Willen und Selbstvertrauen

Woran es fehlt? "Da brauchen wir noch mehr Überzeugung, noch mehr Willen und auch Selbstvertrauen, um zu zeigen: Ich will und kann Tore erzielen."

Dies sei laut Meinung des 53-Jährigen jedoch zu einem guten Teil auch Klubangelegenheit: "Wenn du das ganze Jahr nicht überzeugt bist, ist es schwierig, das in zehn Tagen beim Nationalteam hinzukriegen."

Dass bezüglich der Frage des Toreschießens im Fußball die Antwort gerne in der aktuellen Verfassung der Stürmer gesucht wird, wird sich aber wohl auch in Zukunft nicht ändern.

Janko feiert noch im Juni seinen 31. Geburtstag. Noch ist das Ablaufdatum freilich nicht gefunden, dennoch wird es langsam Zeit, dass sich international taugliche Alternativen aufdrängen.

"Ein großer Systemwechsel wird nicht stattfinden"

Andere Gedankenspiele blockt Koller vorerst ab – etwa die "Falsche Neun": "Ich schaue viel Fußball. Wenn Deutschland mit einer Falschen Neun spielt, heißt das nicht, dass das bei uns auch geht. Es ist eine Möglichkeit, aber schon auch spielerabhängig."

Oder die Änderung seiner Grundformation: "Es ist immer möglich, Retuschen anzubringen, aber ein großer Systemwechsel wird nicht stattfinden, weil wir ja wissen, international haben wir in Österreich nicht die Stürmer, die uns regelmäßig Tore garantieren. Am besten wäre, wir hätten vier, dann wären zwei gleich dabei und die beiden anderen könnten wir auch dazunehmen. Aber da sind wir ein bisschen dünn besetzt."

Oder die Idee, Marko Arnautovic an vorderster Front angreifen zu lassen: "Arnautovic hat bei uns vor zwei Jahren auch diese Position gespielt. Er hat jedoch bei Stoke und am Freitag bei uns über außen gute Spiele gezeigt. Ich denke, das passt ihm eher."

Die einfachste Lösung bleibt also, dass innerhalb des einstudierten Systems mehr als drei Spieler in einer gewissen Regelmäßigkeit eine gesteigerte Effizienz für sich entdecken…

Peter Altmann