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Der teuerste Teamchef der Welt bekommt kein Geld

Der teuerste Teamchef der Welt bekommt kein Geld

Ein grauer Tag im schönen Burgenland. Über dem kleinen Örtchen Unterschützen liegt eine dichte Wolkendecke. Das trostlose Wetter passt zur Stimmungslage beim russischen Nationalteam.

Auf dem Sportplatz, auf dem sich die Mannschaft von Fabio Capello für die wichtige EM-Qualifikations-Partie gegen Österreich vorbereitet, geht es ruhig zu. Während des Trainings wird kaum einmal gelacht. Die Atmosphäre beim Aufwärmspielchen über die Breitseite des Platzes ist gedämpft. Der italienische Coach steht regungslos daneben, Anweisungen haben Seltenheitswert.

Spätestens seit dem 1:1 gegen Moldawien ist bei der „Sbornaja“ Feuer am Dach. „Für uns zählt gegen Österreich nur der Sieg. Wir müssen uns für das Resultat im letzten Spiel rehabilitieren“, erklärt Aleksandr Samedov. Der Flügelspieler und seine Kollegen sind unter Zugzwang.

Noch mehr Druck lastet aber auf Teamchef Capello. Der Italiener steckt in einer chaotischen Situation fest.

"Wir haben einfach nicht genug Geld"

Auf der einen Seite fordert die russische Öffentlichkeit schon seit dem Vorrunden-Aus bei der WM in Brasilien seine Ablöse.  „Capello trainiert die Mannschaft ohne Seele. Er lässt zu defensiv spielen, seine Philosophie ist geradezu militaristisch“, sagt Dmitri Simonov, russischer Journalist beim Sport-Express, über den Disziplin-Fanatiker.

Andererseits bekommt Capello selbst laut Medienberichten aber schon seit fünf Monaten kein Gehalt mehr. „Wir haben einfach nicht genug Geld, um ihn zu bezahlen“, gibt Verbandsfunktionär Sergei Stepashin gegenüber der Agentur „Interfax“ zu.

Als man Capellos Kontrakt im Jänner bis zur WM 2018 verlängerte, habe man nicht besprochen, wie das ca. 8 Millionen Euro hohe Jahresgehalt zu stemmen wäre. „Wir hätten darüber nachdenken sollen, woher das Geld kommt“, meint Stepashin nun elf Monate zu spät.

Wie kann so etwas passieren? „Das Geld wurde schlecht investiert. Bei der WM in Brasilien hat man zu viel ausgegeben“, mutmaßt Sturms russischer Legionär Naim Sharifi, der beim Trainingslager in Unterschützen einige Freunde besuchte.

Das Finanz-Desaster beim russischen Verband rief kürzlich sogar Sportminister Vitaly Mutko auf den Plan. Er war darüber gar nicht erfreut, das sein Verband dem bestbezahltesten Teamchef der Welt das Gehalt nicht auszahlen kann: „Weder für das Team noch für den Coach stellt das eine Extra-Motivation dar. Die ganze Situation lässt Russland nicht gut aussehen.“

Italienische Assistenz-Trainer lassen Capello im Stich

Capellos Assistent Cristian Panucci und Athletiktrainer Massimo Neri haben das sinkende Schiff bereits verlassen. Sie sind zum Trainingslager nach Österreich gar nicht erst angereist, obwohl sie vor dem Moldawien-Spiel noch Teil des Coaching-Teams waren.

Den beiden Trainern werden Auffassungsunterschiede mit dem Verband bezüglich ihres Vertrags nachgesagt. Was genau passiert ist, das weiß niemand so richtig. Fakt ist jedoch, dass Capello damit seine Vertrauenspersonen verloren hat. Er steht alleine da. Mit Ausnahme seiner Person arbeitet kein Ausländer mehr im Umkreis des russischen Nationalteams.

Es stellt sich die Frage, warum sich der fünffache italienische und zweifache spanische Meister-Coach die Aufgabe in Russland überhaupt noch antut. Die Antwort ist simpel: Kündigt Capello selbst seinen Vertrag, so entgeht ihm ein großer Patzen Geld. Medienberichten zufolge hätte der 68-Jährige Anspruch auf eine Abfindung von bis zu 20 Millionen Euro, sollte der russische Verband ihn hinauswerfen.

Capello arbeitet akribisch weiter

Capello vorzuwerfen, er würde seinen Vertrag nur noch aussitzen, wäre aber ungerecht. Denn der schweigsame Sir geht seinem Job noch immer mit aller Ernsthaftigkeit nach. „Er lebt in Russland und besucht fast jedes Wochenende ein Spiel der Premier Liga – nicht nur jene in Moskau, sondern auch in den abgelegenen Regionen. Er arbeitet sehr viel“, lobt Journalist Simonov den seit 2012 bei der „Sbornaja“ tätigen Teamchef.

Der langjährige Milan-Trainer wird seine Mannschaft also mit der gewohnten Akribie auf Gegner Österreich vorbereiten. Lok-Profi Samedov, der am Samstag rechts am Flügel beginnen könnte, glaubt nicht, dass sich das Team vom unruhigen Umfeld beeinflussen lassen wird.

„Das hat keinen Einfluss auf die Vorbereitung. Bei uns ist alles okay“, beschwört der 30-Jährige. Die Bedingungen mit der Unterkunft im Thermenhotel Bad Tatzmannsdorf sowie dem Sportplatz in Unterschützen seien optimal.

Auch das trostlose Wetter bereite den Russen keine Probleme. „Es ist zumindest ein bisschen besser als bei uns daheim“, meint Samedov.

 

Jakob Faber