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"Die müssen so schnell wie möglich weg vom Fenster"

György Garics und das Nationalteam haben eine Vorgeschichte.

Die zwei Jahre der Absenz unter Didi Constantini gehören jedoch der Vergangenheit an.

Unter Marcel Koller ist der Serie-A-Legionär gefragt und zeigt sich angesichts der Veränderungen zuversichtlich.

„Ich kann nur sagen, dass Spieler, ÖFB, Trainerstab und Staff alle in die gleiche Richtung rudern“, verkündet der 28-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.

Auch zum jüngsten Wettskandal, italienischem Taktik-Verständnis und Cristiano Ronaldo hat er seine eigene Meinung:

 

LAOLA1: Zunächst einmal die Frage: Wie geht’s Dir? Wie ist das körperliche Befinden?

György Garics: Dankeschön. Es geht eigentlich sehr gut. Nach den Verletzungen ist alles bestens. Auch die Armverletzung ist wieder verheilt. Wir stehen am Ende der Saison. Jetzt haben wir noch diese letzte Hürde zu bestehen. Und am Mittwoch haben wir dann Ferien.

LAOLA1: Die schwere Knieverletzung, die du im Vorjahr erlitten hast, belastet dich überhaupt nicht mehr?

Garics: Nein, es ist alles gut verlaufen. Ich habe in Italien schon meine Spiele gemacht. Leider Gottes habe ich mir dann meinen Ellbogen gebrochen. Da war ich fünf, sechs Wochen weg vom Fenster. Aber ab Mitte April war ich wieder zurück und habe bis zum Ende der Meisterschaft immer gespielt und habe eigentlich gute Leistungen gebracht. Das war sehr positiv.

LAOLA1: Wo wir auch schon beim Thema sind: Der neunte Platz mit Bologna. Kann man damit zufrieden sein?

Garics: Da kann man sehr zufrieden sein. In den ersten fünf Runden haben wir einen Punkt gesammelt und gleich darauf einen Trainerwechsel gehabt. Vor dem was Stefano Pioli geleistet hat, kann man nur den Hut ziehen. Er hatte die gleichen Spieler zur Verfügung und daraus eine sehr gute Mannschaft gebastelt, mit klaren Ideen, einer klaren Linie und einer guten Verteidigung, die wenig Tore bekommen hat. Diese Abwehr hat jeden Gegner unter Druck gesetzt. Und man hat ja auch nicht von ungefähr gegen die Großen gute Ergebnisse erzielt. Der neunte Platz in Italien ist ein tolles Ergebnis. Vor uns liegt nur Parma, das ein kleinerer Verein ist. Die ersten sieben Plätze sind durchwegs mit Großen besetzt und da ist es ziemlich schwer mitzuhalten.

LAOLA1: Hast du mit dem Teamchef über dieses System gesprochen, oder wie legt er die Außenverteidiger-Rolle an?

Garics: Wir haben nicht darüber gesprochen. Er hat seine eigenen Ideen und möchte das durchsetzen, was er im Kopf hat. In den nächsten Spielen werden wir das dann sehen. Deswegen sind wir ja da, um in Ruhe arbeiten zu können. Jeder von uns hat die Saison abgeschlossen und nun haben wir die Möglichkeit, uns in zehn Tagen darauf vorzubereiten, was im September auf uns zukommen wird.

LAOLA1: Marcel Koller hat aber schon das persönliche Gespräch mit dir gesucht in diesen Tagen?

Garics: Wir haben seit dem ersten Tag ein gutes Verhältnis. Ich kann recht zufrieden sein damit. Er ist ein cooler Typ und versucht eigentlich den Kontakt mit jedem aufrecht zu erhalten.

LAOLA1: In diesem System von Pioli hast du sowohl in der Verteidigung, als auch im Mittelfeld gespielt.

Garics: Jein. Im Jänner haben wir umgestellt auf ein 3-4-2-1 oder 3-4-3-System, in dem ich im Mittelfeld außen gespielt, der in der Defensive dann zum Verteidiger in der Viererkette wird. In der Offensive werde ich zum Flügelspieler und beide Rollen sind zu erfüllen.

LAOLA1: Also ein hybrides Taktik-System, mit dem du gut zurecht kommst?

Garics: Ich habe das in Neapel schon zwei Jahre lang gespielt, von dem her war es nicht neu. Wir müssen eben das tun, was uns die Trainer sagen. Und wenn auch noch die Resultate kommen, geben ihm diese Recht. Wie gesagt haben wir super Ergebnisse und alle an einem Strang gezogen. Deswegen sind wir auch Neunter geworden, ansonsten schafft man das eh nicht.

LAOLA1: In früheren Interviews hast du immer den modernen Rechtsverteidiger auch klar über die Offensive definiert. Entspricht dieses System deiner Auffassung?

Garics: Die Defensive muss passen, aber genauso ist die Aufgabe nach vorne hin zu erfüllen. In einem hybriden System, wie du das sagst, muss man beide Phasen beherrschen. Es wird von einem verlangt, zum Abschluss zu kommen, genauso wie in der Defensive einen Beitrag zu leisten.

Gegen Finnland feierte Garics sein Comeback

LAOLA1: Die Situation bei den Italienern erinnert ein bisschen an 2006, wo der letzte große Manipulationsskandal ins Rollen gekommen ist. Wird das die Spieler aus der Bahn werfen?

Garics: Die Italiener haben 2006 gezeigt, dass sie negative Schlagzeilen wegstecken. Leider hat sich gezeigt, dass an den Schlagzeilen auch etwas dran war, und nach dem vielen Wirbel, der heuer gemacht wird, scheint wieder etwas dran zu sein. Leider ist das eine schlechte Werbung für Italien und den italienischen Fußball. Das stört mich natürlich auch. Anstatt über Stars und tolle Spieler zu reden, fragen mich alle nur, was da schon wieder passiert. Das ist natürlich nicht angenehm. Ich hoffe schon, dass der ganzen Geschichte jetzt ein Ende gesetzt wird. Ansonsten wird das ständig wieder hochkommen. Die Italiener haben leider immer schon diesen „Mafiosi-Ruf“ gehabt. Solche Schlagzeilen helfen der Nation und dem Fußball sicher nicht weiter. Trotz all dieser Geschichten gibt es in Italien Top-Vereine und Top-Spieler. Es ist für mich immer noch die schwierigste Liga der Welt.

LAOLA1: Schwieriger als etwa Deutschland, Spanien oder England?

Garics: Wenn jemand sagt, der italienische Fußball ist der schönste, ist das ein Blödsinn. Ich habe zwar noch nicht in England oder Deutschland gespielt, aber aufgrund der Erzählungen von Spielern aus diesen Ligen lässt sich das sagen. Effenberg ist zurück nach Deutschland und hat gesagt, dass das eine Jahr in Italien ihm sehr viel geholfen hat. Das sind die Bestätigungen. Viele Spieler schaffen es nicht, weil es sehr komplex ist. Es ist vielleicht schöner, wenn du dir ein deutsches Spiel anschaust, das 5:2 endet. Das wird in Italien nicht passieren. Zuerst ist es wichtig, kein Tor zu bekommen und dann werden wir schon irgendwie eins machen.

LAOLA1: Wieviel bekommst du hier in Seefeld von den Geschehnissen in Italien mit?

Garics: Ich versuche, so wenig wie möglich an Fußball zu denken, abgesehen von dem, was ich hier fürs Team leiste. Ich möchte diese zwölf Tage so gut wie möglich verbringen, mich in den Dienst der Mannschaft stellen und dem Trainer so zu helfen. Danach konzentriere ich mich auf meinen Urlaub. Ab dem 9. Juli, wenn ich wieder zurück bin, werde ich sehen, was los ist. Jetzt muss die Justiz ohnehin erst mal ihre Wege gehen. Im August geht es wieder los. Wenn die Dinge nur halb-halb erledigt werden, wäre das nicht positiv. Es muss dem Ganzen so bald wie möglich ein Ende gesetzt werden. Jene, die einen Fehler begangen haben, der ihnen auch nachgewiesen wurde, müssen so schnell wie möglich für immer weg vom Fenster.

LAOLA1: Wie siehst du als langjähriger Nationalspieler die Veränderungen der letzten Monate angesichts der Erfahrungen der vergangenen Tage?

Garics: Auch wenn ich schon länger dem Team angehöre, habe ich eine zweijährige Pause gehabt und es ist erst das zweite Mal, dass ich unter diesem Trainer dabei bin. Der erste Eindruck ist sicher, dass von den Spielern mehr Qualität da ist. Man sieht schon, dass die Spieler, die seit kurzem oder eben schon länger im Ausland spielen, mehr Erfahrung haben. Es entsteht etwas. Von Seiten des ÖFB wird alles verstärkt, gibt es viel mehr Unterstützung. Wünsche werden von den Therapeuten, Trainern oder Doktoren erfüllt. Es erinnert mich ein bisschen an die Stimmung, die vor der EURO 2008 geherrscht hat. Der Verband tut einfach alles dafür. Wir haben auch einen konsequenteren, sehr gut vorbereiteten Trainer auf der Linie stehen. Ich denke, dass man große Möglichkeiten hat, ein gutes Resultat zu erzielen und schließlich aus eigener Kraft bei einem großen Turnier dabei zu sein.

LAOLA1: Aufgrund der Qualität des Kaders und der geschaffenen Strukturen siehst du Österreich also durchaus in der Lage, beim nächsten Großereignis dabei zu sein?

Garics: Das wird die WM-Qualifikation weisen. Ich kann nur sagen, dass Spieler, ÖFB, Trainerstab und Staff alle in die gleiche Richtung rudern. Es ist etwas im Entstehen und es liegt an uns, das weiterzuführen und auch ab September die Resultate zu erzielen. Ich hoffe es für mich, fürs Team und für die Nation. So schlecht, wie wir mitunter abgeschnitten haben, sind wir nämlich mit Sicherheit nicht. Man kann lange herumreden, aber das Wichtigste ist, die Punkte zu machen, um beim nächsten Turnier dabei zu sein.

LAOLA1: Nicht dabei sein wird Österreich bei der EM im Sommer. Was erwartest du dir von der EURO und wie schätzt du als Kenner die Italiener ein, wo mit Alessandro Diamanti sogar ein Bologna-Kollege im Kader steht? Ist György Garics Italien-Fan?

Garics: Natürlich drücke ich die Daumen. Es ist ja mein Arbeitgeber. Ich war auch immer schon ein Sympathisant. Was ihre Chancen betrifft... Sie haben sicher eine schwierige Gruppe. Wenn ich die Gruppen anschaue, sind das aber alle. Man sagt ja nicht umsonst, dass die EM schwerer ist als die WM, da in Europa mehr ausgeglichene Qualität vorhanden ist. Es gibt einige gute Kandidaten. Von Deutschland angefangen, über Spanien bis hin zu Holland. Portugal würde ich auch eine Chance zugestehen, denn die haben lange nicht mehr gewonnen. Nach dieser Saison hat Cristiano Ronaldo sicherlich viel Selbstvertrauen, obwohl an dem mangelt es ihm eh nicht.

LAOLA1: Dein Finaltipp?

Garics: Italien gegen Portugal würde mir gefallen.

LAOLA1: Auf die persönliche Zukunft hat das aber keinen Einfluss?

Garics: Wer weiß. Ich kann nur sagen, ich habe mit der ganzen Geschichte nichts zu tun. Für alle andern kann man nicht garantieren, da man ja eh niemandem trauen kann. Ich hoffe, dass es bei Bologna keine Probleme gibt. Ich habe ja noch zwei Jahre Vertrag.

LAOLA1: Hast du eigentlich von den Erdbeben etwas mitbekommen?

Garics: Leider Gottes. Beim ersten Beben war ich zum Glück nicht in Bologna, sondern in Neapel. Aber Freunde von mir haben es gespürt und es war echt stark. Von den Nachbeben habe ich eines gespürt über zwei, drei Sekunden, aber das war eigentlich eh harmlos. Meine Freundin hat es vor wenigen Tagen in Bologna erlebt und das war ein ziemlicher Schrecken für sie. Da hab ich ihr gesagt, entweder kommst du her oder gehst nach Neapel.

LAOLA1: Diesem Rat ist sie auch gefolgt?

Garics: Nein, das war kein Ratschlag, das war ein Befehl. (lacht) Entweder Tirol oder Neapel und jetzt ist sie nach Neapel gefahren.

LAOLA1: Abschließende Frage: Wie erklärst du dir den Erfolgslauf von Juventus Turin?

Garics: Das sind Früchte der Arbeit von Juventus in den letzten Jahren. Das neue Stadion und die Atmosphäre haben ihren Teil dazu beigetragen. Natürlich haben sie super Spieler geholt, wie Andrea Pirlo, der im Mittelfeld das Ganze in die Hand genommen hat. Sie haben gut begonnen und bis zu einem gewissen Punkt nie mehr verloren. Das gibt sehr viel mehr Selbstvertrauen und nimmt einen eigenen Lauf. Das haben wir auch heuer mit Bologna erlebt, wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Mit der Zeit wird das Gewinnen zur Routine, da gehst du ganz anders ins Spiel rein. Ich glaube, da hat der Trainer sehr gut an der Vermittlung dieser Mentalität gearbeitet. Und so eine ähnliche Denkensweise müssten wir auch im Team bekommen. Das würde uns auch sehr helfen, anders in ein Spiel zu gehen und ganz andere Resultate zu erzielen.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch


Das Gespräch führte Christian Eberle