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"In Breite besser aufgestellt als in den letzten Jahren"

„Next man up“, ist im US-Sport ein geflügeltes Wort, wenn es eine Stammkraft zu ersetzen gilt.

Auch wenn die individuelle Qualität einzelner Spieler schwierig zu kompensieren sein mag, lässt sich wiederum die Qualität einer Mannschaft ganz gut daran messen, wie gut oder schlecht sie den Ausfall von Leistungsträgern verkraftet.

Das ÖFB-Team darf nach dem 1:0 gegen Russland für sich in Anspruch nehmen, dieser Aufgabenstellung positiv gerecht geworden zu sein. Denn mit David Alaba und Julian Baumgartlinger musste man immerhin das komplette defensive Mittelfeld vorgeben.

„Es war natürlich ein Schock für uns, dass David und dann auch noch Jules ausgefallen sind. Aber wir haben das meisterhaft gelöst. Wir haben gewonnen“, verdeutlichte Marko Arnautovic.

„Wir fokussieren uns nicht auf Einzelspieler“

Aleksandar Dragovic ergänzte: „Wenn einer ausfällt, kommt der Nächste nach und gibt alles für die Mannschaft.“

Bei aller Floskel-Gefahr bringt es diese Aussage auf den Punkt. Anstelle der beiden Deutschland-Legionäre sprang das Salzburg-Duo Christoph Leitgeb und Stefan Ilsanker ein.

Wenngleich die beiden spürbar nicht auf dem gewohnten Niveau von Alaba und Baumgartlinger agierten, fügten sie sich so in die Einheit ein, dass diese weiterhin funktionierte.

„Uns ist das komplette zentrale Mittelfeld ausgefallen. Ich finde, dass Stefan und Leiti das sehr gut gemacht haben. Wir haben auch immer wieder betont, dass wir uns nicht auf Einzelspieler fokussieren, sondern als Mannschaft stark sind“, erklärte Christian Fuchs.

„Können Ausfälle, die normal nicht zu kompensieren sind, kompensieren“

Begünstigt wird diese Herangehensweise im Normalfall dadurch, dass gerade mit Alaba der alles überragende Akteur nicht den Star heraushängen lässt, um den sich alles drehen soll, sondern als der perfekte Teamplayer auftritt.

So sehr seine Präsenz auf dem Platz fehlte, so sehr fand das Nationalteam andere Wege, um zum Erfolg zu kommen.

 



Für Marc Janko ein Qualitätsmerkmal, das den rot-weiß-roten Fortschritt in der jüngeren Vergangenheit symbolisiert: „Wir haben wirklich gezeigt, dass wir in der Breite viel besser aufgestellt sind, als in den letzten Jahren und wir solche Ausfälle, die normal nicht zu kompensieren sind, kompensieren können. Das war überragend von den Jungs, die anstelle der Verletzten eingesprungen sind.“

Diesbezüglich war es vor allem der Abend des Stefan Ilsanker. Der 25-Jährige bestritt seinen ersten Pflichtspiel-Einsatz im A-Team von Beginn an, obwohl sich sein Name in der ursprünglichen Aufstellung gar nicht wiederfand.

„Jules und David sind das Herz und die Lunge der Mannschaft“

Da Julian Baumgartlinger jedoch schon seit Donnerstag Probleme plagten und der Einsatz des Mainz-Legionärs zunehmend fraglich erschien, fuhr Teamchef Marcel Koller eine Doppel-Strategie.

„Ich habe mich aufgewärmt, als würde ich von Anfang an spielen. Es ist natürlich komisch, wenn du der zwölfte Mann bist. Aber Jules hatte schon während der Woche Probleme, also habe ich mich ganz normal vorbereitet“, erzählte Ilsanker.

Koller habe ihm für den Fall der Fälle schon frühzeitig seine Aufgaben mit auf den Weg gegeben. Beim Aufwärmen musste Baumgartlinger dann tatsächlich w.o. geben. „Dann habe ich halt gespielt“, meinte der Salzburger trocken.

Druck hätte er keinen verspürt, wobei er eingestand: „Jules und David sind in den letzten Spielen das Herz und die Lunge der Mannschaft gewesen und haben überragend gespielt. Es war natürlich vor allem für die anderen Spieler schwierig, die die Abläufe der beiden kennen und so oft mit ihnen gespielt haben. Aber ich denke, Leiti und ich haben unsere Sache ganz gut gemacht, haben uns reingehaut und gefightet.“

Angenehmer Nebeneffekt für Koller

Für Ilsanker, der in diesem Jahr sein ÖFB-Debüt gefeiert hat, war es erst das fünfte Länderspiel. Angesichts der Unerfahrenheit auf diesem Terrain sei es kein Nachteil gewesen, mit Leitgeb den aus dem Verein gewohnten Partner an seiner Seite zu wissen:

„Ich weiß, wann Leiti nach vorne stößt, dann muss ich hinten absichern. Er weiß, wann ich einmal mitgehe. Es ist natürlich gut, wenn man das ganze Jahr miteinander trainiert und spielt. Wir kennen uns sehr gut.“

Für Koller hatte der Umstand, dass man trotz des Fehlens von Alaba und Baumgartlinger drei Punkte einfahren konnte, so gesehen natürlich einen angenehmen Nebeneffekt. Für einen Coach ist es ohnehin kein Kinderspiel, den kompletten Kader bei Laune zu halten - noch dazu wenn dessen Qualität in der Breite stetig steigt, man jedoch trotzdem über eine relativ gefestigte Stammelf verfügt.

In seiner Nachbetrachtung wertete er das gelungene Auffangen der Ausfälle als wichtiges Signal in Richtung aller Kadermitglieder, wie schnell es gehen kann, dass sie gebraucht werden: „Für mich ist das wichtig, damit diejenigen, die im Moment vielleicht nicht zur ersten Elf gehören, trotzdem das Gefühl haben, dass sie wichtig sind. Wenn einer ausfällt, kommt ein anderer rein und kann dementsprechend seine Leistung abrufen.“

„Leitgeb ist ja auch schon ein alter Hase“

Große Sorgen, dass Leitgeb und Ilsanker dieser Bewährungsprobe nicht gewachsen sein könnten, plagten den Schweizer offenkundig nicht: „Leitgeb ist ja auch schon ein alter Hase, der kennt das. Ilsanker wusste bis kurz vor dem Spiel noch gar nicht, dass er spielt. Daher konnte er sich gar keine Gedanken über den Druck oder die Situation machen.“

Ilsanker selbst wertete es indes nicht als Plus-Punkt, dass er nur wenig Zeit zum Nachdenken hatte: „Ich glaube nicht, dass das ein Vorteil ist. Es ist schon gut, wenn die Mannschaft die Aufstellung weiß und sich darauf einstellen kann. Aber es ist halt so gewesen, wie es war. Wir haben das Beste daraus gemacht.“

Dies lässt sich nach einem Sieg unterschreiben. Von einer Teilnahme an der EURO möchte der Shootingstar jedoch noch nicht träumen, wie er grinsend feststellte: „Ich träume meistens nur von meiner Freundin.“


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