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"Für mich ist das jetzt optimal und eine gute Basis"

Aus sportlicher Sicht hätte es für Marcel Koller nach der fixen EM-Teilnahme und dem abschließenden Sieg gegen Liechtenstein nicht angenehmer sein können, sich der wartenden Presse zu stellen.

Aufgrund der Feierlichkeiten und der kurzen Nacht (hier geht’s zum Video) jedoch schon. Doch wie immer bewies sich der Schweizer als professioneller ÖFB-Teamchef.

Das 3:0 des Vorabends war nur mehr ein kurz angeschnittenes Thema, viel mehr interessierte die weitere Vorgehensweise in Richtung EURO 2016 in Frankreich und die persönlichen Pläne des 54-Jährigen – vor allem in Hinblick auf eine mögliche Vertragsverlängerung.

LAOLA1 hörte bei der abschließenden Pressekonferenz zur souverän bewältigten EM-Quali aufmerksam zu.

MARCEL KOLLER…

…ÜBER DIE ERKENNTNISSE DES VERGANGENEN ABENDS/NACHT:

Ich habe noch keine neuen Erkenntnisse. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, das Spiel anzuschauen (lacht). Das wird dann aber sicher in den nächsten Tagen passieren. Ich kann nur nochmals betonen, dass wir nicht nur ein geiles Team haben, das sehr gut Fußball spielen, sondern auch feiern kann. Das gestern war ein schönes Erlebnis. Es war aber noch dunkel, als ich gegangen bin.

…ÜBER DEN STELLENWERT DER EURO-TEILNAHME:

Es hat natürlich schon einen sehr großen Stellenwert, weil wir uns eben nicht nur durch die Qualifikation durchgewurstelt, sondern überzeugend gespielt haben. Auf der einen Seite haben wir viel für Österreich gemacht, auf der anderen hat das auch in Europa Aufsehen erregt, dass das schon auch bewusst wird und auch andere Nationen drauf schauen und sehen, dass da etwas gewachsen und eine gute, starke Mannschaft entstanden ist. Es ist wie immer. Das ist auch die Schwierigkeit als Trainer, dass man das bestätigt. Es war für mich auch neu, wir wussten auf der einen Seite nicht, dass wir frühzeitig qualifiziert sind, auf der anderen war wichtig, dass wir uns nicht hängen lassen und noch die zwei Spiele gewinnen. Es war in dem Sinne auch wichtig, um in Topf 2 zu kommen. Natürlich hat man dann Ziele, damit die Spieler merken, dass es nicht nur um die Goldene Ananas geht und sie sich dementsprechend präsentieren müssen. Vor allem vor diesen fantastischen Fans im Stadion und vor dem TV. Wir wollen ja weiterhin, dass sie zu den Spielen kommen, nicht enttäuscht sind und denken, wir lassen uns hängen. Viele Teams, die sich frühzeitig qualifiziert haben, haben dann verloren. Das ist für die Fans schwierig, andere haben wiederum Verständnis, dass man ein bisschen nachgeben kann. Es ist aber besser, noch zwei Siege einzufahren. Das spricht für den Charakter im Team. Alle sind sehr hungrig auf Erfolge. Das wollen wir auch weiter umsetzen.

…ÜBER MASSNAHMEN UM BIS ZUR EURO NOCH UNBERECHENBARER ZU WERDEN:

Es ist schwierig, in der Kürze oder der Schnelle etwas Neues einzuführen und auszuprobieren – gerade beim Nationalteam, weil die Spieler nicht hier sind. Du kannst nur die drei, vier Trainingseinheiten machen, da sind auch nicht immer alle Spieler dabei. Das ist die Schwierigkeit. Unser Ziel muss es sein, auf diesem Level weiterzuspielen, weiter unsere Taktik umzusetzen und in dem System, in unserer Philosophie immer wieder dem Gegner angepasst taktische Möglichkeiten umzusetzen, um anders zu spielen. Ich bin jetzt kein Fan, auch mit meinen Erfahrungen im Nationalteam, dass ich alles auf den Kopf stelle. Da glaube ich schon, dass man die Spieler eher verunsichert, wenn man ein völlig anderes System einführt. Besser ist es, das Vorhandene weiter zu stärken und die eine oder andere Variante dazu zu nehmen. Das ist schon wichtig, um dann auch nach der Auslosung auf die Gegner eingehen zu können.

…DARÜBER, WIE GROß DER HUNGER NACH WEITEREN ERFOLGEN NOCH IST:

Mein Hunger ist noch nicht gestillt, da ist noch genug Platz. Es geht jetzt eh noch bis zur EM. Wenn wir es nicht geschafft hätten, wäre der Vertrag nur bis Ende November gelaufen. Jetzt haben wir das geschafft, dadurch ergibt sich ein weiteres halbes Jahr, in dem man über die Vertragsverhandlung nachdenken kann. Es ist jetzt auch noch zu früh, weil wir noch nicht in Verhandlungen stehen. Für mich ist das jetzt optimal und eine gute Basis. Daher habe ich auch keine Eile. Ich habe noch zehn Monate Vertrag, also wird das sicher nicht heute oder morgen entschieden.

…ÜBER DAS WISSEN ÜBER DAS POTENZIAL VON MARKO ARNAUTOVIC UND WAS BEI IHM NOCH MÖGLICH IST:

Ich habe es ihm auch gesagt, dass noch ein bisschen mehr drin ist, als ich gestern auf dem Platz gesehen habe. Das ist auch, was ich immer mit ihm bespreche, dass er Potenzial hat, das er natürlich abrufen muss. Liechtenstein ist sicher nicht der Maßstab, um als Topspieler definiert zu werden. Er hat aber aufgezeigt, was er drauf hat. Wir sind froh, wenn er das bei uns abruft und regelmäßig zeigt. Die Konstanz ist enorm wichtig, damit Stoke nicht die Endstation ist und er noch weiter kommt. Deshalb braucht er permanent jede Woche solche Leistungen, dann werden sicher auch noch andere Vereine anklopfen.

…ÜBER EXTRALOB FÜR EIGENE SPIELER ODER ENTSCHEIDENDE ACHSEN WÄHREND DER QUALI:

Ich habe auch schon als Klubtrainer immer geschaut, dass der Stamm in der Mitte immer gut besetzt ist. Dass dort meistens wichtige Leute spielen sollten, die viel Erfahrung haben. Das ist schon wertvoll. Speziell beim Nationalteam ist aber nicht nur die Mitte entscheidend. Das Tor steht in der Mitte, du musst auch irgendwann wieder in die Mitte kommen. Aber wir haben auf den Außenbahnen hervorragende Spieler. Das ist ein Vorteil, wenn du dir das aussuchen kannst. Es ist ja grundsätzlich nicht so, dass man wie bei Klubs Qualitäten einkaufen kann.

…ÜBER NEGATIVEN EINFLUSS AUF DIE EM-VORBEREITUNG, SOLLTE DER VERTRAG NICHT VERLÄNGERT WERDEN:

Warum? Das hat ja nichts mit den Spielern zu tun, die Leistung ist entscheidend. Ob dann der Trainer Koller oder anders heißt, dürfte normalerweise nicht entscheidend sein. Vielleicht meinen Sie dann, dass man die Entscheidung früher mitteilen müsste, dass ihnen dann klar ist, länger darüber nachzudenken und sich der Gedanke schon wieder gesetzt hat.

…ÜBER DIE BEZEICHNUNG ALS „VOLKSHELD“, DER DEN ENTSCHEIDUNGSPROZESS BEEINFLUSSEN KÖNNTE:

Ich bin jetzt nicht der Typ, der das so sieht oder nach außen trägt. Ich freue mich für die Leute und Fußball-Fans, die natürlich noch mehr geworden sind. Man merkt es an der Vielzahl an Fotos, die ich machen muss. Aber ich sehe es nicht so. Natürlich ist die Arbeit wichtig und dass sie gut präsentiert wird. Da haue ich mich voll rein und versuche es, so gut wie möglich umzusetzen. Das Ziel ist, immer erfolgreich zu sein. Mit diesem Team geht das sehr gut, es zieht hervorragend mit. Das ist das Wichtigste. Wie ich vor zwei Jahren gesehen habe, muss man in diesen Topf alles mit rein nehmen. Es geht nicht nur um eine sportliche, finanzielle oder Fan-Entscheidung. Es geht darum, ein gutes Gefühl zu bekommen, um hier zu bleiben oder zu sagen, dass seine Arbeit erledigt ist und man sich woanders sieht. Das spielt alles mit rein. Das braucht somit ein bisschen Zeit, bis die Entscheidung gefallen ist. Es sind jetzt noch zehn Monate, letztes Mal war es kürzer. Da waren schon alle ungeduldig, da ist es schon wichtig, diesmal Geduld zu haben.

…ÜBER DIE DÜNNER WERDENDE LUFT NACH OBEN UND RASCHE ENTWICKLUNG:

Diese schnelle Entwicklung hat mich nicht überrascht. Ich habe eher gehofft, dass es schneller geht. Ich musste feststellen, dass es nicht schneller geht, weil die Spieler nicht immer hier sind. Das hat sich erst entwickelt. Diese Konstanz und Zusammenarbeit war wichtig. Es war wichtig, dass ich hier geblieben bin, das ist sicher ein Vorteil, als wenn ein Neuer gekommen wäre. Das gilt es individuell zu verbessern, diese Konstanz zu halten. Wenn du länger zusammen bist, fallen auch wieder Spieler weg, die du dann ersetzen musst, dann kommen andere dazu. Mit den Jahren kann das eine andere Struktur, Spielweise und neue Charaktere im Team ergeben. Das macht es über Jahre und Jahrzehnte dann schon schwierig, sich auf einem guten Level zu halten.

…ÜBER DIE PLANUNG DER VORBEREITUNG UND TEAM-CAMP FÜR DIE EURO 2016:

Wir sind eigentlich immer noch in der Planung, das wird auch nicht heute oder morgen abgeschlossen sein. Da müssen auch Verhandlungen geführt werden. Bevor da nicht ein Vertrag unterschrieben ist, bringt es auch nichts, darüber zu spekulieren. Ansonsten haben wir jetzt noch im November das Spiel gegen die Schweiz, dann ist vorgesehen, im März (21.-29.3.) und dann noch einmal im Mai zwei Spiele zu absolvieren, bevor es dann am 5. Juni nach Frankreich geht, wo davor noch ein Trainingslager stattfindet.

Was Wie, Wo, Wann
EM-Endrunde
  1. Juni bis 10. Juli 2016 in Frankreich
Orte Bordeaux, Lens, Lille, Lyon, Marseille, Nizza, Paris, St. Denis, Etienne, Toulouse
Teilnehmer 20 der 24 Teilnehmer fix: FRA, ENG, CZE, ISL, <span style=\'color: #ff0000;\'>AUT, NIR, POR, ESP, SUI, ITA, 
BEL, WAL, ROU, ALB, GER, POL, RUS, SVK, TUR, CRO
Auslosung
  1. Dezember 2015 in Paris
Gruppen 6 zu je 4 Teams
Aufsteiger Beide Gruppenersten plus die vier besten Dritten 
K.o.-Runde Achtelfinale startet ab 25. Juni 2016
Tickets Sind für die Fans der Teilnehmer nach der Auslosung wieder erhältlich
Trainingslager
  1. bis 16. November 2015 in Alicante, Spanien
Nächstes Spiel Test gegen die Schweiz am Dienstag, 17.11. 2015, in Wien
ÖFB-Lehrgang
  1. bis 29.3. März 2016 - zwei Testspiele möglich
Bundesliga Start 2016: Frühjahrsstart: 6.2. statt 13.2., MS-Ende am 15.5. statt 26.5.
Cup-Finale 21./22.5. statt 29.5.
EM-Vorbereitung Ende Mai, Abstellungspflicht: 30.5. 2016
EM-Kader Bekanntgabe des 23-Mann-Kaders am 31.5. 2016

…ÜBER DAS NEULAND EM UND WORAUF ES IHM PERSÖNLICH IN DER VORBEREITUNG ANKOMMT:

Natürlich, dass alle Spieler gesund sind, alle regelmäßig in den Vereinen spielen und eine gute Form haben. Das wäre so das Wunschdenken, die Praxis sieht meistens anders aus und macht es meist ein bisschen schwieriger. Wir hoffen es nicht, müssen aber abwarten. Wichtig wird sein, dass wir Ruhe haben, uns gut vorbereiten können und Trainingseinheiten drin haben. Die Regeneration wird dann auch wichtig sein, um für das Turnier gerüstet zu sein.

…ÜBER DIE UNANGENEHME ROLLE, DEN DERZEITIGEN KADER VOR DER EURO AUF 23 MANN REDUZIEREN ZU MÜSSEN:

Als Trainer muss man jeden Tag Entscheidungen treffen. Die sind nicht immer angenehm und nicht immer schön. Es ist halt immer wichtig, dass man mit den Spielern spricht und versucht, ihnen das zu erklären. Es ist mir auch klar, dass die Antworten von mir nicht immer angenehm sind und der eine oder andere dann enttäuscht ist. Ich habe das selber auch erlebt. Es ist aber so, wir können nur 23 Mann mitnehmen, für die müssen wir uns entscheiden. Diese suchen wir mit unserem besten Wissen und Gewissen. Natürlich kann man aber auch einmal falsch liegen. Es gibt aber keine spezielle Strategie, schließlich wissen wir nicht, wer gesund ist, beim Trainingslager dabei sein kann und wie lange der eine oder andere spielt. Wir haben ja aktuell noch einen Spieler, welcher z.B. die Möglichkeit hat, ins Champions-League-Finale zu kommen. Deshalb werden wir das dann kurzfristig entscheiden.

…ÜBER DIE CHANCEN ANDERER SPIELER, NOCH AUF DEN EM-ZUG AUFZUSPRINGEN:

Grundsätzlich geht es darum, gut zu spielen und besser zu sein, als die 23 Mann, die momentan dabei sind. Das ist die erste Voraussetzung, um für uns als Alternative in Frage zu kommen. Vielleicht ergibt sich dadurch auch im taktischen Bereich eine andere Möglichkeit. Als Trainer bist du auch froh, wenn Spieler – gerade in so einem Turnier – auf verschiedenen Positionen spielen können. Erste Priorität hat aber, Aufmerksamkeit mit guten Spielen, Konstanz und Präsenz zu wecken.


Alexander Karper