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Baumgartlinger: "Jede Spielminute purer Genuss"

Baumgartlinger:

Bei allem Verständnis dafür, dass die Saison einiger Teamspieler schon seit zwei Wochen zu Ende ist: Teamchef Marcel Koller verwehrt sich entschieden dagegen, im ÖFB-Camp in Seefeld Urlaubsstimmung aufkommen zu lassen.

Zu wichtig ist dem Schweizer die Vorbereitung auf die beiden EM-Quali-Generalproben gegen Island und in Tschechien.

Keine Sorgen muss sich der ÖFB-Coach diesbezüglich bei Julian Baumgartlinger machen. Aus gutem Grund. Nach einer verletzungsbedingt mehrheitlich verlorenen Saison strotzt der Mainz-Legionär nur so vor Tatendrang.

„Es ist alles wieder wie früher“

„Für mich ist es das genaue Gegenteil. Ich bin froh, dass ich meine Saison bis in den Juni hinein verlängern kann“, betont der 26-Jährige.

Anfang April konnte er nach monatelanger Pause wegen einer Meniskusverletzung wieder ins Mannschaftstraining einsteigen: „Für mich sind momentan jede Trainingseinheit und jede Spielminute purer Genuss. Deswegen war ich froh, als mich Marcel Koller angerufen hat, dass er mich gerne mitnehmen würde.“

Mit drei Kurzeinsätzen in den letzten drei Runden belohnte sein damaliger Trainer Thomas Tuchel die Schufterei fürs Comeback, insgesamt stehen nach dieser Spielzeit nur neun Bundesliga-Einsätze zu Buche. Zudem lief er zwei Mal über 90 Minuten für die Amateure der Mainzer auf, um wieder ein wenig Spielrhythmus zu bekommen.

„Ich bin topfit“, versichert Baumgartlinger, „das Knie hält alles aus und macht keine Probleme mehr. Es ist alles wieder wie früher.“

Tuchel-Abschied? „Man hat damit rechnen können“

Überschattet wurde der erfolgreiche Mainzer Saisonausklang durch den umstrittenen Abschied von Tuchel, der trotz laufenden Vertrags sein Amt niederlegte.

Für Baumgartlinger eine Trennung, die ein weinendes Auge hinterlässt: „Er hat mich zu Mainz geholt, mir sehr viel beigebracht und mich sehr gefördert. Deswegen finde ich es ein Stück weit schade.“

Gänzlich aus heiterem Himmel sei der Abgang jedoch nicht gekommen: „Man hat damit rechnen können - zwar nicht auf diese Art und Weise, aber er hat als Trainer in Mainz fünf Jahre lang einen guten Job geleistet, uns in dieser Saison wieder in die Europa League geführt. Ich glaube, so ein Trainer steht immer auf den Zetteln von Teams in Deutschland oder anderen Ligen. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte ihn vielleicht jemand herausgekauft.“

Hjulmand? „Ich bin gespannt“

Möglicherweise tut Mainz ein frischer Wind auch gut. Für diesen soll der Däne Kasper Hjulmand sorgen, der vom FC Nordsjaelland verpflichtet wurde. Der 42-Jährige gilt ähnlich wie sein amtsmüder Vorgänger als detailversessener Analytiker.

Der langersehnte Moment des Comebacks: Einwechslung gegen Nürnberg Ende April

Baumgartlinger hat seinen neuen Coach noch nicht persönlich kennengelernt, ist jedoch froh, dass von den Mainzer Verantwortlichen eine schnelle Entscheidung getroffen wurde, bevor sich große Teile der Mannschaft in Richtung diverser Nationalteams oder in den Urlaub verabschiedeten.

„Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich ihn vorher extrem gut gekannt habe. Wir sind aber natürlich von Manager Christian Heidel informiert worden. Ich bin gespannt. Er hat einen guten Ruf. Die Leute aus dem Betreuerteam, die bereits mit ihm gesprochen haben, sind positiv beeindruckt. Deswegen freue ich mich schon auf den Saisonstart mit dem neuen Trainer.“

Auswärtsbilanz als Knackpunkt

Dieser ist noch Zukunftsmusik. In der Gegenwart zählen die Aufeinandertreffen mit Island und Tschechien – zwei Partien, die Baumgartlinger als „sehr wichtig“ einschätzt:

„Ich glaube, es ist noch gar nicht so offensichtlich, aber das sind die letzten beiden Tests, bevor es in einen sehr heißen Herbst geht. Das rufen wir uns ins Bewusstsein. Einerseits können wir jetzt noch testen, andererseits müssen wir vieles schon finalisieren, damit wir gleich topfit in diese harte Qualifikation einsteigen können.“

Bei der größten Weiterentwicklungsmöglichkeit wird der 29-fache Internationale schnell fündig: „Die Auswärtsbilanz. Das war ein Knackpunkt in der WM-Quali. Die Leistungen waren oft gut, aber von den Ergebnissen her haben wir nicht das auf den Platz gebracht, was wir spielerisch gezeigt haben.“

„Wir müssen das Ergebnis total in den Mittelpunkt rücken“

Baumgartlinger fordert daher bei Spielen in der Fremde einen nüchterneren Zugang: „Wir müssen schauen, dass wir auswärts mehr auf den Endzweck spielen – von mir aus einmal nicht das Spiel dominieren wie in Irland oder wie in Schweden eine überragende erste Halbzeit spielen, sondern meinetwegen zwei Kontertore schießen und das Ergebnis total in den Mittelpunkt rücken. Ich glaube, das ist es, was uns noch fehlt, um eine erfolgreiche Quali spielen zu können.“

 Der defensive Mittelfeldspieler betont, dass es „natürlich immer leicht gesagt ist, wir müssen ergebnisorientierter spielen“, ortet jedoch teamintern die notwendige Entschlossenheit, diesen Schritt zu gehen:

„Man hat im Training schon in den ersten kleinen Spielchen gesehen, dass der Biss sehr groß ist und alle wollen. Es ist das Wichtigste, dass wir zielstrebig darauf hinarbeiten. Wir sind nicht hier, um Urlaub zu machen.“

Baumgartlinger käme dies nach seiner langen fußballlosen Zeit ohnehin nicht in den Sinn.


Peter Altmann