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"Das passiert den Besten"

Was wäre gewesen, wenn…?

Ganz Fußball-Österreich stellte sie sich diese Frage nach der 1:2-Niederlage gegen Deutschland auf die eine oder andere Weise. Etwa hinsichtlich der Abseitsstellung vor dem Elfer zum 0:2 durch Özil oder noch viel mehr hinsichtlich der Chancenverwertung – Marko Arnautovic und seine 87. Minute.

Der Legionär von Werder Bremen hatte das mehr als verdiente 2:2 auf dem Fuß. Nach toller Vorarbeit von Joker Jakob Jantscher stand der Rechtsaußen in der Mitte zum Einschuss bereit, der Ball sprang allerdings leicht vor seinem Abschluss auf, was mitunter den Treffer verhinderte.

Arnautovic lag lange am Boden, kam kaum auf und hatte nach Spielende Tränen in den Augen. Der 23-Jährige wusste, welche Chance er vertan hatte und entschuldigte sich folglich „beim ganzen Land“ (Hier geht’s zum Nachbericht). Seine Mitspieler nahmen es ihm nicht krumm, ganz im Gegenteil.

Lob statt Vorwürfe

„Ich denke, der Ball ist kurz aufgesprungen, aber es ist alles sehr schnell gegangen. Es ist schade, es gibt aber natürlich keinen Vorwurf, er hat sich die Chance gut erarbeitet. Auf der anderen Seite wäre er wohl irgendwie drinnen gewesen, auf unserer heute nicht“, meinte etwa Andreas Ivanschitz, der nachlegte: „Marko hat in zwei, drei Aktionen seine Klasse gezeigt, auch das 1:2 schön aufgelegt. Er braucht jetzt nicht im Boden zu versinken und wird das auch nicht tun. Er ist mental stark genug, um das wegzustecken. Es ist nicht seine Schuld, dass wir gegen Deutschland keinen Punkt geholt haben.“

Dessen Mainz-Kollege Julian Baumgartlinger verteidigte ihn ebenfalls: „Er war natürlich sehr geknickt. Es ist für jeden Spieler sehr ärgerlich, wenn man so eine Chance vergibt. Aber das passiert den Besten. So schnell wird es ihm aber wohl sicher nicht mehr passieren.“

Emanuel Pogatetz schuldete es Fortuna: „Ich habe mir dann schon gedacht, dass ihn irgendeiner reinmachen würde. Ich will nicht vom fehlenden Glück sprechen, aber heute ist das Spiel nicht unbedingt für uns gelaufen.“

ÖFB-Teamchef Marcel Koller hielt am Abend noch Folgendes fest: „Ich habe natürlich auch die Hände über den Kopf geschlagen gehabt, weil es eine super Aktion von Jakob (Jantscher, Anm.) über die linke Seite war und Marko auch gut in die Mitte gekommen war. Wie man aber gesehen hat, wie er am Boden lag und sich natürlich auch ärgerte, braucht er sicher auch noch Unterstützung.“

„Überragende Einzelaktion“

Arnautovic selbst wollte sich der restlichen Presse nicht stellen, Vorwürfe hätte es wohl auch hier keine gegeben. Alleine wegen seiner Vorarbeit zum 1:2 vor dem Treffer durch Zlatko Junuzovic nicht.

„Marko hat das überragend mit einer Einzelaktion eingeleitet“, beschrieb Baumgartlinger die Situation als der Bremen-Offensivspieler Marcel Schmelzer und Mario Götze auf der rechten Seite aussteigen ließ und scharf vor das Tor für seinen Werder-Teamkollegen auflegte.

Mit dieser Aktion wurde das Happel-Stadion aus der kurzen Lethargie nach dem 0:2 geholt, von der einen auf die andere Sekunde bebte es bei den 47.000 Zuschauern – abzüglich der deutschen Fraktion – wie vor Spielbeginn und in der ersten Hälfte.

Vor Anpfiff kochten die Fans bei „I am from Austria“, die Choreografie sorgte für Gänsehaut bei Trainer und Spielern. Darauf hofften selbige auch. „Ich habe mir auch aufgrund dieser Atmosphäre, mit dem Publikum im Rücken, Chancen ausgerechnet“, meinte Pogatetz.

Die Fans standen von der ersten bis zur letzten Minute hinter der Mannschaft, sprachen nach dem Spiel vom Besten, was sie seit langem gesehen haben. „Stolz“ als zentrales Beschreibungswort.

Spektakulär, aber bitter zugleich

Nicht unwesentlich daran beteiligt war eben das Bremer Duo Arnautovic und Torschütze Junuzovic mit ihren Aktionen. Ersterer kam nicht nur beim Tor gut über seine rechte Seite, in der zweiten Hälfte spielte er drei Mal gefährlich in den Rücken der Abwehr der Deutschen – nur Abnehmer gab es nicht.

Pferdelunge Junuzovic erntete großen Jubel mit seinem spektakulären Fallrückzieher, mit dem er aus dem Mittelfeld heraus Harnik in den Lauf spielte. Letztlich blieb es spektakulär, aber bitter zugleich. Sein Tor freute den 24-Jährigen nur bedingt, er trauerte mehr dem verlorenen Punktgewinn nach.

„Natürlich bist du erst einmal zehn Minuten komplett leer im Kopf, weil du alles gegeben hast, dich am Spielfeld zerrissen hast und wirklich viele Chancen gehabt hast. Von dem her ist es sehr bitter, dass du mit null Punkten dastehst“, hielt der nunmehr dreifache ÖFB-Torschütze fest.

Vorwürfe vernahm auch der ehemalige Austrianer, der 2010 per Fallrückzieher das „Tor des Jahres“ erzielte, nicht: „Es sind überhaupt keine verärgerten Worte gefallen, eigentlich nur positive.“

Nicht nur innerhalb des ÖFB-Teams – auch außerhalb in ganz Österreich.

 

Bernhard Kastler/Alexander Karper/Peter Altmann/Martin Wechtl