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"Muss auf so hohem Level noch mehr an sich arbeiten"

„Apropos Aprilscherz! Wir haben uns am Weg überlegt, ob wir was erzählen wollen oder sollen, aber ich denke, wir lassen es weg“, erntete ÖFB-Teamchef Marcel Koller bei der Nachbetrachtung des 1:1 gegen Bosnien-Herzegowina Lacher.

Nach Bekanntwerden der schweren Verletzung von David Alaba (hier geht’s zur Story) war man im rot-weiß-roten Lager ohnehin nicht mehr zum Scherzen aufgelegt.

Die Verletztenmeldungen sowie einige Erkenntnisse waren nicht zufriedenstellend, in anderen Bereichen gab der Test zukunftsweisende Aufschlüsse.

Auch die Bedeutung, Integration einiger Spieler sowie Vorbereitung auf den richtungsweisenden EM-Quali-Auftritt Mitte Juni in Russland standen im Fokus.

MARCEL KOLLER…

…BILANZIERT DAS 1:1 GEGEN BOSNIEN-HERZEGOWINA:

Es war ein schwieriges Spiel, weil Bosnien natürlich nicht mit Liechtenstein zu vergleichen ist. Sie sind in der Weltrangliste knapp hinter uns, also schon auf Augenhöhe. Das hat sich auch bestätigt. Es war ein guter, wichtiger Test für uns, weil es aus meiner Sicht kein Freundschaftsspiel war und schon Gehässigkeiten drin waren. Das ist aber auch gut, weil die Spieler, die nicht immer so zum Zug kommen, gemerkt haben, dass schon ein anderer Wind bläst und sie wahrscheinlich noch ein bisschen zulegen müssen. Wir wissen, dass in Russland eine ganz gute Leistung notwendig sein wird, wenn wir Punkte mitnehmen wollen. Auch wenn es erst in zwei Monaten und noch weit weg ist, haben wir die Intensität, die Fokussierung gefunden und die Spieler gespürt, was notwendig ist. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich keine Bedenken, dass etwas nicht so laufen könnte, wie uns das vorschwebt.

…ÜBER DIE VERLETZUNGSBEDINGTEN AUSWECHSLUNGEN:

Es ist natürlich schade mit den Verletzungen. Bei Janko ist es nicht so schlimm, er hat schon länger Probleme mit der Schulter und eine Muskelverhärtung. Er hat ein herrliches Tor erzielt. Es war schön wie wir den Ball erkämpft, herausgespielt haben und Junuzovic direkt in die Spitze gespielt hat. Janko hat den Ball super durch die Beine durchgelassen und zwischen zwei Verteidigern mit der Spitze getroffen. Das ist ein Torjäger, der auf Beute war, das 20. Tor erzielt und sehr viel Selbstvertrauen getankt hat. Baumgartlinger hatte Halsschmerzen und sich dementsprechend durchgebissen. Wie man ihn kennt, hat er sich für das Team aufgeopfert, bis er ausgewechselt wurde. Ich hoffe, dass er am Wochenende spielen kann und sich nicht krank melden muss. Bei David (Anm.: Innenbandriss im linken Knie) schaut es nicht gut aus. Er hat sich auch gleich ans linke Knie gelangt, als ihm der Gegenspieler draufgefallen ist. Er hat gleich gespürt, dass da etwas nicht stimmt. Von seinem Gefühl her war abzusehen, dass es was ist, was eine Pause bedingt.

…ÜBER DIE GEFAHR, ALABA AB UND ZU BREMSEN ZU MÜSSEN:

Da gibt es natürlich zwei Seiten. Auf der einen sind wir natürlich froh, dass er einer ist, der dem Ball noch hinterherhetzt und versucht, ihn noch vor der Linie abzufangen. Das sind auch seine 22 Jahre, ein 30-Jähriger wäre vielleicht nicht mehr hingerannt und hätte das mit mehr Routine anders gelöst. Das ist in dem Sinne eine schlechte Erfahrung, die er machen musste. Wie wichtig er für uns ist, ist schon x Mal besprochen worden. Er ist direkt hinter dem Tor vorbei in die Kabine gegangen. Wir haben versucht, herauszufinden, was es sein könnte. Ich habe ihn dann gefragt, ob es noch geht. Er hat aber gemeint, es geht nicht mehr und war natürlich enttäuscht. Sein Gefühl, man spürt es ja selbst am besten, war schon da nicht sehr gut.

…ÜBER GEDULD UND EINGEWÖHNUNGSPHASE NEUER SPIELER:

Es war im letzten Test wichtig, dass Spieler, die sonst nicht so zum Zug kommen, Spielpraxis bekommen, auch wenn es für den Spielfluss nicht gut ist. Beim Nationalteam wird in mehreren Monaten gerechnet. Es sind natürlich jüngere Spieler, die die ersten Male dabei sind. Es ist wichtig, diese Erfahrungen zu sammeln und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Man muss spüren, indem man mit mir oder dem Klubtrainer redet, dass man auf so einem hohen Level noch mehr tun und an sich arbeiten muss.

…ÜBER EINEN MÖGLICHEN KLASSENUNTERSCHIED IM KADER?

Das ist sicher zu hart. Es ist natürlich so, dass, wenn viele, die normalerweise von Anfang an spielen, nicht dabei sind, dann auch das Gerüst fehlt. Wenn nur ein oder zwei reinkommen, dann hält man das wahrscheinlich aus. Das sind Erfahrungswerte. Wir wissen, dass sich ein Spieler erst adaptieren muss und die Möglichkeit hat, zu sehen, welches Level herrscht und was für einen Stammplatz verlangt wird. Dementsprechend ist es wichtig, dass man sich Gedanken macht, das mitnimmt und verbessert.

…ÜBER THERAPEUTISCHE WIRKUNG SOLCHER SPIELE, UM NICHT ABZUHEBEN:

Dazu können die Medien sehr viel beitragen. Pressing, Spielaufbau und Passform ist auch vom Gegner abhängig, der stark war. Er ist defensiv gut gestanden, hat aggressiv und robust dagegengehalten. Das macht das ganze schwieriger. Es ist richtig, dass wir in der ersten Halbzeit den einen oder anderen Ballverlust hatten, der nicht nötig ist. Da gilt es, sich immer wieder zu fokussieren, konzentrieren und das den Spielern mitzuteilen. Ich bin überzeugt, und das haben die Spieler schon öfters gezeigt, dass wir in Russland so fokussiert sein können, dass das Ergebnis passt.

…ÜBER DAS „AUSWÄRTSSPIEL“ IM EIGENEN STADION:

Viele Bosnier in Österreich waren einfach schneller. Aber wir müssen nicht über unsere Fans lästern, weil wir uns in den drei Jahren mit ihnen eine fantastische Stimmung aufgebaut haben. Wir haben ein Auswärtsspiel getestet, von den Fans her war es Halbe-Halbe. Gegen Russland wird es nicht anders sein, da wird wahrscheinlich auch gepfiffen, wenn wir in Ballbesitz sind. Wir sind zufrieden mit unseren Fans und freuen uns, wenn sie kommen. Dementsprechend super ist die Unterstützung.

…ÜBER DIE CHANCEN FÜR SPIELER AUF DER ABRUFLISTE:

Durch die Verletzung von Rubin Okotie haben wir Marko Djuricin dazu genommen. Es gibt immer wieder Möglichkeiten, auch wenn sich jemand verletzt. Das ist eine Möglichkeit, einen Platz zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich reinhauen. Wir sind viel unterwegs, schauen uns die Spieler an. Auf der Abrufliste sind vor allem die Spieler, die wir beobachten, die uns auffallen und die Gusto bekommen, wenn sie auf der Liste stehen. Wenn es der Fall ist, müssen wir überlegen, wer nachkommen kann und wo es Sinn macht. Da ist es wichtig, dass wir ein großes Blickfeld haben und informiert sind, wer gut drauf ist und den Sprung ins A-Team schaffen könnte.

…ÜBER DIE BESTÄTIGUNG, KEVIN WIMMER IMMER BRINGEN ZU KÖNNEN:

Ja, aber das heißt nicht, dass ich nicht auch andere in der Startelf bringen könnte. Ich will nur darauf hinweisen, dass jeder weiter an sich arbeiten muss und nicht zufrieden sein soll, wenn er mal eine Einberufung oder einen Einsatz bekommen hat. Es geht weiter. Die Legionäre haben zusätzlich einen anderen Ryhthmus und werden anders gefordert. Kevin hat jetzt das erste Mal von Anfang an gespielt und hat das gut gemacht. Aber auch er kann und wird sich steigern. Es war für uns wichtig zu sehen, wie er gegen einen Dzeko, der schon sehr abgeluchst ist, spielt.

…ÜBER UMSETZUNG DES TAKTISCHEN KONZEPTS IM HINBLICK AUF RUSSLAND:

Wir haben versucht, ein bisschen was in der Defensive umzusetzen. Das wäre auch fast geglückt, wenn wir das abgefälschte Tor nicht unglücklich bekommen hätten. Es wird in Moskau sehr wichtig sein, dass wir gut stehen und die Räume zumachen. Wir haben in Wien gesehen, dass sie in der Offensive sehr schnelle, quirlige und trickreiche Spieler haben. Da ist auch entscheidend, dass nicht nur die Verteidiger, sondern auch die davor gut stehen. Da haben wir uns in der EM-Quali entwickelt, aber es gilt, das weiter zu verfeinern. Es gibt nicht groß etwas zu verändern, weil wir grundsätzlich auch den Spielstil in der Offensive seit drei Jahren versuchen, umzusetzen. Das Team hat das gut angenommen. Ich bin überzeugt, dass wir das auch in Russland so bringen können.

…ÜBER VERBESSERUNGSWÜRDIGE STANDARDSITUATIONEN:

Da seid ihr natürlich zu fokussiert auf die deutsche Liga mit Alaba und Junuzovic. Wir hatten gegen Liechtenstein auch nur zwei Freistöße. Es liegt nicht nur an uns, dass wir die bekommen, sondern dass der Gegner auch gut verteidigt. Die wussten auch, dass wir gute Freistoßschützen haben und versuchen, nicht foul zu spielen, abzulaufen, zu verschieben und zu hoffen, dass wir den Ball verlieren. Es ist nicht mehr so, dass geholzt wird und alles, was steht, von den Beinen geholt wird. International wird versucht, 30 Meter vor dem Tor Freistöße bewusst zu vermeiden.

…ÜBER DEN GESTAFFELTEN, ZWEIWÖCHIGEN LEHRGANG VOR RUSSLAND:

Das ist so gedacht. Es geht nicht zwei Wochen durch. In Deutschland ist es schon am 23. Mai zu Ende, am 14. Juni ist das Spiel. Wir haben noch nie so spät gespielt. Das zieht das Ganze schon raus und es ist ein wichtiges Spiel für uns. Wir können nicht 14 Tage auf Urlaub fahren und dann zusammenkommen. Das wird sehr individuell angeschaut und dann mit den Spielern besprochen. Am 3. Juni ist ÖFB-Cup-Finale, eventuell spielt Bayern im CL-Finale. Wir müssen die Spieler mit speziellen Trainingsplänen hinbringen, dass sie nicht zu viel verlieren und abschweifen, sondern den Fokus erhalten. Das wird ein richtig geiles Auswärtsspiel. Da musst du heiß sein, mit viel Freude und Lust hinkommen. Dann kannst du auch was bewegen.

…ÜBER GEFAHR, DASS SPIELER NACH LANGER SAISON AUSGEBRANNT SIND:

Grundsätzlich ist eine lange Saison Kopfsache! Wer international spielt, für den ist die Saison zu Ende, wenn die Nationalmannschaft und nicht die Klubsaison endet. Im Sommer sind immer noch Länderspiele, das ist schon lange so. Wenn wer vom Kopf abschaltet und denkt, dass er noch zum Nationalteam muss, dann soll er zu mir kommen und sagen, dass er nicht mehr im Nationalteam sein will. Dann kann er in Urlaub fahren. Anders verstehe ich es nicht, das ist die falsche Einstellung.


Aufgezeichnet von Alexander Karper