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Die Leiden des Giuseppe Rossi

Die Leiden des Giuseppe Rossi

Giuseppe Rossi ist wieder dort, wo alles angefangen hat. In Teaneck, New Jersey.

Nein, Fußball-Hotspot ist das keiner. Aber an Fußball ist für den 25-Jährigen derzeit sowieso nicht zu denken.

Was zählt, sind Familie und Freunde. Und sein rechtes Knie. Denn das ist der Grund, warum der Stürmer seit geraumer Zeit wieder in den USA ist.

Papas Liebe zum Calcio

Dort, wo seine Reise begonnen hat. Seine Eltern brachen von Italien aus ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf. Als Sprachlehrer zogen sie im knapp 40.000 Einwohner fassenden Teaneck, das als Musterbeispiel für friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen gilt, ihre zwei Kinder groß.

Die Rossis lernten Englisch, aßen Burger und taten auch sonst Vieles, was der typische US-Amerikaner so tut. Aber vor allem Papa Fernando vermochte sich mit den Sportarten, die die Massen in seiner neuen Heimat begeistern, nie so recht anzufreunden.

Sein Herz schlug für den Calcio. Und weil auch viele andere Bewohner New Jerseys so empfinden, hatte er die Möglichkeit, sein Wissen über den Umgang mit dem runden Leder als Nachwuchstrainer eines örtlichen Vereins weiterzugeben.

In Parma war er „America“

Sein herausragender Schüler war Giuseppe, sein Sohn. Aber in den USA eine anständige Kicker-Karriere hinlegen? Das erschien ihm doch ein wenig unwahrscheinlich. „Mir war immer klar: Um den nächsten Schritt zu machen, muss er dorthin, wo sie Fußball leben, wo sie Fußball atmen.“

Ein Urlaub in der alten Heimat 1999 bot sich schließlich an, um Kontakte zur Nachwuchsabteilung des AC Parma zu knüpfen. Den Verantwortlichen blieb das außergewöhnliche Talent des Zwölfjährigen nicht verborgen, sie integrierten ihn in ihre Jugend.

„America“ riefen ihn seine Mitspieler in der Emilia-Romagna. Dabei schlug das Herz des Jungen sofort für Italien. Als es darum ging, welches Nationalteam er als Jugendlicher vertreten würde, wählte er sofort die „Azzurrini“.

Die Reise eines Talents

Rund fünf Jahre später sprach das Talent wieder regelmäßig Englisch. Manchester United hatte den damals 17-Jährigen verpflichtet. Parma nahm die rund 250.000 Euro der Engländer gerne an, immerhin hatte der Verein drei Monate zuvor Insolvenz anmelden müssen.

Im Oktober 2005 feierte Rossi sein Premier-League-Debüt – beim 3:1 in Sunderland gelang ihm auch gleich ein Treffer. Nichtsdestoweniger ging die Reise im Sommer 2006 weiter. Die „Red Devils“ verliehen den Youngster nach Newcastle. Ein halbes Jahr später saß er wieder im Flieger nach Italien – Ausleihe zu seinem alten Klub FC Parma.

2005 debütierte Rossi für Manchester United

Auch dort blieb der Angreifer nur ein halbes Jahr. Denn im Juli 2007 überwies Villarreal 10,5 Millionen Euro nach Manchester, um die Rechte an dem Stürmer zu erwerben.

Endlich angekommen

Endlich wurde der Doppelstaatsbürger heimisch.

Elf Tore in der ersten Saison, zwölf in der zweiten, zehn in der dritten, 18 in der vierten – Rossi fühlte sich im „gelben U-Boot“ richtig wohl, wurde von Spanien aus auch zum italienischen A-Teamspieler.

Das jähe Ende des Höhenflugs

Dann kam der 26. Oktober 2011, der dem Höhenflug des Goalgetters ein jähes Ende setzen sollte. Beim 0:3 im Auswärtsspiel gegen Real Madrid wurde Rossi mit einer Knieverletzung vom Platz getragen. Es sollte bis dato sein letztes Spiel gewesen sein.

„Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Giuseppe Rossi fällt für sechs Monate aus“, verkündete Villarreal am Tag danach. Kreuzbandriss im rechten Knie, es würde knapp werden mit einer Teilnahme an der EURO 2012.

Der schwere Rückschlag

Doch der Heilungsprozess verlief nach Plan, der Italiener nahm im Frühjahr das Training wieder auf. Rossis Leiden waren damit aber nicht beendet, sie sollten erst so richtig beginnen.

Mitte April riss während eines Trainings dasselbe Kreuzband noch einmal. Wieder ein halbes Jahr Pause. All die harte Reha-Arbeit der vergangenen Monate war umsonst.

Der Stürmer musste mitansehen, wie seine Mannschaft überraschend aus der Primera Division abstieg. „Ich leide, wenn ich mir die Spiele ansehe. Ich will da draußen sein, für das Team kämpfen. Ich werde mich nie daran gewöhnen, vor dem Fernseher sitzen zu müssen.“

Noch einmal unters Messer

Zu allem Überfluss machte das Knie den neuerlichen Genesungsprozess nicht wie gewünscht mit. Anfang Oktober musste sich der mittlerweile 25-Jährige in Vail, Colorado, einer neuerlichen Operation unterziehen. Aller Voraussicht nach werden weitere sechs Monate vergehen, bis er wieder auf dem grünen Rasen stehen kann.

„Ich muss ruhig bleiben und positiv denken, nur so kann ich mich darauf vorbereiten, was im nächsten halben Jahr auf mich zukommen wird“, sagt Rossi.

Die 22. Minuten im "El Madrigal"

Vor dem Fernseher leidet er nun nicht mehr: „In den USA wird die Segunda Division nicht übertragen.“ Neben der Reha verbringt der Italiener viel Zeit mit seiner Familie und seinen Freunden. „Seit ich zwölf Jahre alt war, habe ich nicht mehr so viel Zeit in den USA verbracht.“

Nichtsdestoweniger will er Teaneck so bald wie möglich wieder verlassen. „Ich kann im Fußball noch viel erreichen. Das Spiel ist mein Leben“, stellt er fest.

Noch steht aber in den Sternen, wann er wieder im „El Madrigal“ auflaufen kann. Allgegenwärtig ist er dort aber trotz zwölfmonatiger Absenz. In der 22. Minute (Anm.: Seine Trikotnummer ist die 22) singen die Villarreal-Fans stets seinen Namen.

„Das berührt mich“, sagt Rossi. Und fügt hinzu: „Ich will ihnen noch viel Freude bereiten.“ Nein, Teaneck, New Jersey, ist längst nicht mehr seine Welt.


Harald Prantl