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"Campeones, campeones, oe oe oe!"

Das Licht im Santiago Bernabeu geht langsam aus.

Schritt für Schritt sitzen über 80.000 Fans plötzlich im Dunkeln.

Was nach einem Stromausfall klingt, wie man ihn etwa vor geraumer Zeit in der UPC-Arena in Graz erleben durfte, ist der Auftakt zu einer Festivität besonderer Art.

Real Madrid feiert die 32. Meisterschaft, die erste seit 2008 und, ohne sich weit aus dem Fenster zu lehnen, eine historische.

100 Punkte haben die „Königlichen“ in einer Spielzeit gesammelt und damit die Bestmarke des Erzrivalen aus Barcelona – 99 Punkte in der Saison 2009/10 – geknackt.

Zahlen für die Ewigkeit

In den Sekunden der Finsternis, die selbstredend von steten Kamerablitzen erhellt werden, hat die Anhängerschaft der „Blancos“ kurz Zeit, das eben erst Geschehene noch einmal Revue passieren zu lassen.

Abschluss-Gegner RCD Mallorca wurde mit 4:1 wieder nach Hause geschickt. Cristiano Ronaldo (19.), Karim Benzema (23.) und Mesut Özil mit einem Doppelpack (49., 58.) schraubten dabei das Tor-Konto der Madrilenen auf unglaubliche 121.

Passend zum Gewinn der 32. Meisterschaft konnte am letzten Spieltag der 32. Sieg bejubelt werden.

Bilder der 31 anderen Saison-Erfolge werden kurz danach auf die Video-Walls des Stadions projiziert.

„Königliches“ Bankett

Aus den Lautsprechern tönt die Opern-Arie „Nessun dorma“, um allen klar zu machen, dass gemäß der Übersetzung des Titels „Niemand schlafen“ solle. Real feiert sich selbst und das kann sich sehen lassen.

Die Vereins-Hymne schmettert an diesem Abend niemand Geringerer als Placido Domingo höchstpersönlich. Der Edel-Fan wird von seinen weniger bekannten Geistesbrüdern auf den Tribünen mit frenetischem Beifall begrüßt.

„Hala Madrid“, vorgetragen von einem der größten Sänger der jüngeren Geschichte, dargeboten in einem ganz in weiß gehüllten Stadion, unterstreicht in beeindruckender Manier die Relevanz des größten Klubs des 20. Jahrhunderts.

„Ronaldo, Ronaldo“

Mit Gänsehaut am ganzen Körper ist das Ambiente nun geschaffen, die Herren hochzuleben lassen, die sich in der Saison 2011/12 endgültig ihren Platz in den Annalen des 1902 gegründeten Klubs gesichert haben.

Spieler für Spieler betritt die provisorisch in der Feldmitte aufgebaute Bühne, begleitet von über 80.000 Stimmen, die ihre Namen schreien.

Bei der Nummer 7 erreicht der ohnehin schon hohe Geräuschpegel sein Maximum. Reals portugiesischem Superstar wird mit „Ronaldo, Ronaldo“-Sprechchören gehuldigt. Auch wenn dieser im persönlichen Duell um den „Goldenen Schuh“ mit „nur“ 46 Treffern gegenüber Lionel Messi den Kürzeren zieht.

„Pipa, bleib!“

Nichts scheint der Stimmung Abbruch tun zu können. Selbst der immer wahrscheinlicher scheinende Abschied von Gonzalo Higuain nicht.

Durch mehrmaliges Anstimmen des eigens umgetexteten Schlachtgesangs „Pipa quedate“ soll der Argentinier mit dem kantigen Spitznamen zum Bleiben überredet werden.

Von der Ehrbezeugung sichtlich gerührt und nach eigenen Worten „sprachlos“ zieht der 26-Jährige bei den folgenden Dankesreden dennoch so etwas wie eine Abschluss-Bilanz. „Es waren sechs wunderbare Jahre, in denen ich bis zum Äußersten gehen musste.“

Magere Jahre sind vorbei

Das Stadion-Areal ist mittlerweile von Scheinwerfern hell ausgeleuchtet. Sterne, Pokale und ein übergroßer Ball mit dem Vereinswappen und der Zahl 32 flankieren die Bühne.

Der Mittelpunkt auf selbiger ist ein Pokal, den Kapitän Iker Casillas zum ersten Mal seit 2008 wieder in Händen hält.

Angel Maria Villar, Präsident des Spanischen Fußballverbandes, hat das Objekt der Begierde kurz davor unter lauten Anfeindungen gegen seine Person („Villar, cabrón, saluda al campeon“ – „Villar, du Mistkerl, begrüße den Meister!“) an den Real-Torhüter übergeben.

„Wir haben in den 38 Spielen hart gearbeitet, um nach drei Jahren wieder den Titel zu holen, den sich alle so sehr wünschen“, erklärt der Welt- und Europameister.

Nachdem auch seine Teamkollegen zu Wort kommen, ist er es, der die Mannschaft in die Ehrenrunde durchs Stadion-Oval führt.

Begleitet von einem prachtvollen Feuerwerk verabschieden sich die Spieler schließlich in die Kabinen und die Liga in die Sommerpause.

 

Aus Madrid berichtet Christian Eberle