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Luis Suarez: Zwischen Genie und Wahnsinn

Luis Suarez: Zwischen Genie und Wahnsinn

Es war der Aufreger der FIFA WM 2014 in Brasilien.

Im Gruppenspiel zwischen Uruguay und Italien biss Luis Suarez seinem Gegenspieler Giorgio Chiellini in die Schulter, der Italiener trug einen Abdruck vom Gebiss des "Urus" davon.

Die Empörung war groß, die FIFA griff durch. Vier Monate Sperre fasste der Star-Stürmer aus, sein Wechsel vom FC Liverpool zum FC Barcelona geriet in Gefahr.

Die Katalanen verpflichteten den "Beißer" dennoch, mussten allerdings zu Saisonbeginn auf ihn verzichten.

Alle Augen auf Suarez

Geschadet hat es dem Team von Luis Enrique, das in La Liga noch ungeschlagen ist, nicht. Rechtzeitig zum Clasico (REAL MADRID vs. FC BARCELONA - Samstag, ab 17:30 Uhr im LAOLA1-LIVE-Stream) ist der Südamerikaner wieder einsatzberechtigt.

Alle Augen werden auf den 27-Jährigen gerichtet sein, der als einer der besten Torjäger der Welt gilt und dennoch vorwiegend aufgrund seiner Skandale Berühmtheit erlangte.

Dabei kann Suarez auch anders - so tickt der "Beißer aus Salto":

Die Anfänge

Luis Suarez wurde am 24. Jänner 1987 in Salto als eines von sieben Kindern von Rodolfo Suarez, einem Portier und ehemaligen Soldaten, und dessen Frau Sandra geboren. Bereits mit vier Jahren begleitete er Bruder Paolo zum Fußballspielen. Das Talent hatte er von seinem Vater geerbt, dieser war ebenfalls leidenschaftlicher Kicker, lehnte ein Profi-Angebot allerdings ab. Luis, genannt "Lucho", ragte sofort heraus und war talentierter als sämtliche seiner Altersgenossen. Das Messen mit deutlich älteren Kids gehörte für ihn fortan zum Alltag. Seine Mutter brachte sogar einmal die Geburtsurkunde des Knirpses mit, "weil die anderen ihm sein Alter nicht glaubten", erklärt Paolo Suarez. Der ältere Bruder des Superstars verdient seine Brötchen ebenfalls mit dem Treten gegen den Ball und steht beim guatemalischen Erstliga-Klub CSC Comunicaciones unter Vertrag.

Als Luis sechs war, zog die Familie in die uruguayische Hauptstadt Montevideo. Zunächst schloss er sich Urreta an, einem Team, das er als Einwechselspieler bei seinem ersten Einsatz nach 0:2-Rückstand per Hattrick zu einem 3:2-Sieg führte. Die Zeit war für Klein-Lucho allerdings nicht leicht, außer dem Fußball hatte er wenig, an das er sich klammern konnte. So arbeitete er Tag für Tag an seinen Fähigkeiten, was sich 1998 schließlich bezahlt machte. Ein Scout von Nacional Montevideo, dem Rekordmeister Uruguays, wurde auf ihn aufmerksam. Suarez schloss sich dem Klub an und blieb ihm bis 2006 treu, ehe er für rund eine Million Dollar in die Niederlande zum FC Groningen wechselte.

 

Der Durchbruch

Es war kein einfaches Unterfangen für den damals 19-Jährigen. Ohne Niederländisch- oder Englisch-Kenntnisse wagte er den Sprung in die Eredivisie und benötigte einige Zeit, um sich zu akklimatisieren. Über die zweite Mannschaft gelang ihm der Sprung nach oben, schon bald avancierte er zum Stammspieler bei den Profis. Das Vertrauen von Trainer Ron Jans zahlte er mit zehn Treffern in 29 Spielen zurück. Ajax Amsterdam blieben die außergewöhnlichen Fähigkeiten des Urus nicht verborgen, sodass der Rekordmeister dem Angreifer ein unwiderstehliches Angebot unterbreitete und ihn unter seine Fittiche nahm.

Suarez, bis dahin ein schlampiges Genie, trainierte härter denn je, um möglichst schnell zu seiner Herzensdame fliegen zu können. "Ich konnte es nicht glauben, aber er war plötzlich ein anderer Spieler", wird sein ehemaliger Trainer Ricardo Perdomo im "Spiegel" zitiert. Suarez schuftete wie ein Irrer, außer Fußball und seiner Sofia gab es nichts, das ihn interessierte.

Die 25-Jährige war beeindruckt von der Willensstärke ihres Luis. Zunächst waren es nur wenige Treffen im Jahr, doch mit dem Wechsel nach Europa sah sich das Paar wieder öfter. Inzwischen sind die beiden längst verheiratet und haben eine Familie gegründet. Während der unfreiwilligen Spielpause war sie die wichtigste Stütze im Leben des Luis Suarez.

 

Der Wechsel

Nach Gala-Auftritten en masse in der Premier League hatte der FC Barcelona gelockt. Mit seinem Ausraster in Brasilien geriet der Wechsel des "Beißers" nach Spanien allerdings in Gefahr. "Ich dachte, dass ich meine Karriere ruiniert habe und der Transfer platzen würde", gestand er kürzlich im spanischen Fernsehen.

Sein Manager, kein Geringerer als Pere Guardiola, der Bruder von Bayern-Trainer Pep, bewies indes großes Verhandlungsgeschick und konnte die Verantwortlichen der Katalanen davon überzeugen, dass sie weiterhin auf den Top-Torjäger bauen. Als ihm die Nachricht vom Transfer-Vollzug überbracht wurde, habe er geweint, so Suarez.

 

Das Comeback

In Testspielen wusste die Tor-Maschine bereits zu überzeugen, ob ihm das auch im "Clasico" gelingt, darf angesichts der fehlenden Spielpraxis durchaus bezweifelt werden. Zuzutrauen wäre es dem unberechenbaren Suarez allerdings.

"Ich bin die Art von Person, die glaubt, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Und von 19 Teams in der Liga ist es ausgerechnet das Spiel gegen Real Madrid im Bernabéu, in dem ich mein Comeback gebe", beschwört er das Schicksal herauf.

Das Gipfeltreffen der beiden spanischen Top-Vereine (Samstag, ab 17:30 Uhr LIVE bei LAOLA1.tv) wird zeigen, ob dieses es auch gut mit ihm meint.


Christoph Nister

Vier Jahre und 111 Treffer in 158 Pflichtspielen später - er wurde Torschützenkönig und Fußballer des Jahres in den Niederlanden - konnte Suarez dem Lockruf der Anfield Road nicht widerstehen. Der FC Liverpool überwies 26,5 Millionen nach Amsterdam und war fortan neuer Arbeitgeber des Goalgetters. Der Torreigen ging munter weiter, insgesamt mussten gegnerische Torhüter 82 Mal in 133 Partien hinter sich greifen. Besonders beeindruckend war seine letzte Saison in Diensten der "Reds", bescherten ihm doch 31 Volltreffer auch in England den Titel "Fußballer des Jahres" samt Torjägerkrone. Garniert wurde das Ganze mit dem "Goldenen Schuh" (Europas erfolgreichster Torschütze) als Sahnehäubchen.

 

Die Skandale

Berühmtheit erlangte Suarez bedauerlicherweise nicht vorwiegend durch seine Treffsicherheit. Primär ist diese seinen zahlreichen Eskapaden geschuldet. Jene, als er mit 16 Jahren einem Schiedsrichter einen Kopfstoß verpasste, ließen viele noch als Jugendsünde durchgehen. Auch eine Schlägerei bei Ajax mit Mitspieler Albert Luque wurde ihm in der breiten Öffentlichkeit nicht lange übel genommen.

Globalen Zorn zog er erstmals bei der WM 2010 auf sich, als er im WM-Viertelfinale durch ein absichtliches Handspiel in der letzten Minute Uruguay gegen Ghana rettete. Asamoah Gyan verschoss den fälligen Strafstoß in der 122. Minute, den Afrikanern versagten im anschließenden Elfmeterschießen die Nerven. Uruguay scheiterte zwar im Halbfinale, Suarez wurde in seiner Heimat dennoch als Volksheld gefeiert.

Damit nicht genug, sorgte der "Bad Boy" mit rassistischen Äußerungen gegen Patrice Evra für Negativ-Schlagzeilen. Berühmt-berüchtigt sind zudem seine Beißattacken in bester Mike-Tyson-Manier. 2010 bekam sie Otman Bakkal zu spüren, 2013 Branislav Ivanovic. Zu guter Letzt musste Giorgio Chiellini bei der WM in Brasilien eine Geschmacksprobe des Fußball-Rüpels über sich ergehen lassen. "Solche Dinge passieren auf dem Platz", diktierte er den verdutzten Reportern ins Mikrofon. Sie passieren allerdings nur, wenn Suarez auf dem Rasen steht.

Während seine Heimat erneut hinter ihrem Aushängeschild stand und Staatspräsident Jose Mujica die FIFA-Bosse als "Haufen alter Hurensöhne" schimpfte, war die Empörung im Rest der Welt groß. Spieler, Funktionäre und Fans forderten eine Sperre, die sich gewaschen hat. Die FIFA-Disziplinarkommission zog den Wiederholungstäter schließlich für neun Länderspiele sowie vier Monate aus dem Verkehr.

 

Der Rückhalt

Geborgenheit fand Suarez während dieser Zeit bei seinen Kindern Delfina und Benjamin sowie Frau Sofia. Die beiden lernten sich kennen, als Suarez gerade mal 15 Jahre jung war - Sofia noch zwei Jahre jünger. Es war eine schwierige Phase für den Jungspund. Seine Eltern hatten sich getrennt, der Vater kämpfte gegen den Alkohol an.

Mama Sandra war darum bemüht, mit mehreren Putzjobs die Familie finanziell über Wasser zu halten. Suarez, dessen einzige Liebe bis dahin das runde Leder war, war hin und weg von seiner Freundin und machte es sich zum Ziel, seiner Familie eines Tages mehr bieten zu können. Die Beziehung wurde jedoch auf eine harte Probe gestellt, als Sofias Eltern aufgrund der Wirtschaftskrise beschlossen, nach Spanien auszuwandern.