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Neptun und Kybele

Neptun und Kybele

Kaum war Ronaldo 2002 in Madrid angekommen, trat er schon ins erste Fettnäpfchen.

„Das darf nicht wahr sein“, rang die „Marca“ nach Fassung.

Der Stein des Anstoßes war aus weißem Marmor und stellte den römischen Meeresgott Neptun dar. Auf seiner offiziellen Homepage war ein Bild aufgetaucht, auf dem der Brasilianer vor dem Neptun-Brunnen posierte.

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„Eines der Wahrzeichen der spanischen Hauptstadt, kein Problem“, wird sich die italienische Agentur, die für den Fauxpas verantwortlich zeichnete, gedacht haben. In Madrid ist das aber sehr wohl ein Problem, und nicht einmal ein kleines.

Zwei Vereine, zwei Brunnen

Denn die Brunnen im Zentrum der Stadt repräsentieren die Rivalität zwischen den beiden Vereinen. Am „Fuente de Neptuno“ feiern die Atletico-Fans, am „Fuente de Cibeles“ hingegen die Anhänger von Real.

„Nein, nicht richtig. Aber ich weiß, dass dort die Titel gefeiert werden. Und ich will da unbedingt hin“, antwortete ein anderer Ronaldo, nämlich jener mit dem Vornamen Cristiano, auf die Frage, ob er den wisse, wer Cibeles sei.

Der Portugiese kam im Sommer 2009 also besser, wenngleich nicht perfekt vorbereitet nach Madrid. Als er 2012 nach dem gewonnenen Meistertitel vor dem Brunnen ein Tänzchen hinlegte, wusste er bereits, dass Kybele eine griechische Göttin der Fruchtbarkeit ist.

Neptuns Übersiedlung

Beide Brunnen sind geschichtlich miteinander verbunden. Sie wurden während der Regentschaft von Carlos III. gebaut und federführend von Ventura Rodriguez, der nicht zuletzt auch für die Fassade der Kathedrale von Pamplona verantwortlich ist, entworfen.

Der Cibeles-Brunnen entstand zwischen 1777 und 1782, der Neptun-Brunnen zwischen 1780 und 1784. Ursprünglich standen sie sich an der „Plaza de Cibeles“ sogar gegenüber, erst 1898 übersiedelte der Neptun-Brunnen rund 500 Meter weiter auf die „Plaza de Canovas del Castillo“. Auch der Apollo-Brunnen, der dritte im Bunde, stand jahrzehntelang an der „Plaza de Cibeles“.

Zuerst badeten die Atletico-Fans bei Kybele

Und auch die Zuweisung, welcher Klub wo feiert, war früher nicht so in Stein gemeißelt, wie das dieser Tage der Fall ist.

Der Cibeles-Brunnen ist Reals Jubelstätte

In den 1970er Jahren waren die Titel-Partys der Atletico-Fans nämlich noch unter den Augen Kybeles über die Bühne gegangen. Erst 1985/86 fand dort die erste Meisterfeier der „Königlichen“ statt. Doch weil der Rekordmeister danach noch vier Mal in Folge den Titel erringen konnte, hatten die Real-Fans praktisch das Vorrecht auf diesen Platz gepachtet.

1996, als Atletico das Double feierte, wollten die Fans nicht im selben Brunnen baden, wie die Anhänger des Stadtrivalen und übersiedelten spontan zum Neptun-Brunnen. In diesem Jahr wurde die Trennung endgültig vollzogen.

Randale wegen Badeverbot

Dass bei den ausgelassenen Feierlichkeiten der Anhänger eher sorglos mit den Brunnen umgegangen wurde, liegt auf der Hand, war der Stadt Madrid irgendwann dann auch ein zu großer Dorn im Auge.

Weil das Denkmal beim traditionellen Bad der Fans im Brunnen immer wieder beschädigt wurde, riegelte die Polizei im Mai 1998 den Platz hermetisch ab und legte den Brunnen sogar trocken. Einige Fans versuchten dennoch, zu Kybele durchzudringen. Wüste Straßenschlachten mit mehreren Verletzten und Verhafteten waren die Folge.

Mit dem Kran zum Kopf

Auch in den Jahren danach gingen die Beamten rigoros vor. 2003 versuchte Raul vergeblich, sie zu überreden, auf den Brunnen klettern zu dürfen, um Kybele einen Schal umzubinden.

Atletico feiert unter Neptuns Aufsicht

Erst 2007 wurde der Wunsch des Stürmer-Stars erfüllt, ein Kran hob ihn hinauf zum Kopf der Figur. Mittlerweile führt ein Gerüst die Kicker zur Statue, um ihr ein Küsschen zu geben.

Laportas Porno-Sternchen

Nicht ganz so liebevoll ging Joan Laporta mit dem Brunnen um. Kurz nach seiner Amtszeit als Präsident des FC Barcelona gründete der katalonische Separatist seine Partei „Democracia Catalana“.

Für einen Werbespot engagierte er das Porno-Sternchen Maria Lapiedra und ließ es mit einer Katalonien-Flagge halbnackt vor dem Brunnen tanzen. Der Skandal war perfekt, die gewünschte Aufmerksamkeit erreicht – dennoch kam seine Partei bei den Regionalwahlen lediglich auf 3,3 Prozent der Stimmen.

Fast mit dem Papst kollidiert

Apropos FC Barcelona: Als die Katalanen 2011 die Supercopa im Duell mit Real für sich entscheiden konnten, atmeten wohl alle Polizei-Beamten in der Hauptstadt auf.

An diesem Abend war nämlich eine Zeremonie von Papst Benedikt XIV. auf der „Plaza de Cibeles“ angesetzt. Wären neben den unzähligen Gläubigen auch noch die Real-Fans zum Brunnen geströmt, hätte das vermutlich zu chaotischen Zuständen geführt.

Auch Barca hat seinen Brunnen

Auch Barca hat übrigens seinen Brunnen. An der „Placa de Catalunya“, an der die „Rambla de Canaletes“ anschließt, steht der „Font de Canaletes“. Dort feiern die „Blaugranes“ ihre Triumphe.

Die Legende besagt: Wer das Wasser dieses Brunnens trinkt, wird wieder nach Barcelona zurückkehren. Nun ja, auch Luis Figo hat einst davon gekostet. Und er hat danach bei Real Madrid angeheuert.

Aber bekanntlich hat ja auch Ronaldo sein Brunnen-Fiasko unbeschadet überstanden.


Harald Prantl


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