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"Der beste Torwart der Welt sollte Chance bekommen"

„Warum denn kein Torhüter?“

Für Keeper-Legende Jean-Marie Pfaff kommt es beinahe einer Majestätsbeleidigung gleich.

In der Diskussion, ob Manuel Neuer mit Cristiano Ronaldo und Lionel Messi verglichen werden sollte, bezieht der mittlerweile 61-jährige Belgier klar Stellung.

„Der beste Torwart der Welt sollte auch mal eine Chance auf den Goldenen Ball bekommen“, entgegnet die Bayern-Ikone im Vorfeld der Weltfußballerwahl gegenüber LAOLA1.

Selten sorgte die Konstellation der verbliebenen Top 3 für so viel Gesprächsstoff wie in diesem Jahr.

Werden Torhüter unter Wert geschlagen?

Während Lionel Messi trotz umstrittener Wahl zum „Spieler der WM“ kaum Chancen zugetraut werden, spitzt sich ein Zweikampf zwischen Neuer und Ronaldo zu.

Wenig überraschend schlägt sich Pfaff auf die Seite seines Nachfolgers im Bayern-Tor. Prinzipiell ist er der Meinung, dass Torleute oft unter Wert geschlagen werden.

„Man muss mehr Respekt vor einem Torwart haben, das ist eine wichtige Position. Wenn Neuer in Brasilien nicht mitspielt, dann verliert Deutschland.“

Während die Ronaldo-Kritiker die WM-Karte ausspielen, muss sich Neuer den Vorwurf gefallen lassen, nicht annähernd so einen Einfluss auf ein Spiel zu haben wie ein Feldspieler.

„Bekommst nicht oft die Chance, dir ein Denkmal zu setzen“

Zum „Welttorhüter“ wurde der 28-Jährige aufgrund seiner erbrachten Leistungen bereits verdientermaßen gekürt, auch den Titel „Keeper der WM“ kann ihm keiner nehmen.

Den Ballon d’Or konnte bisher jedoch noch kein einziger Schlussmann für sich gewinnen. Zudem schaffte bisher mit Lothar Matthäus (1991) nur ein Deutscher den großen Coup.

„Wenn Neuer gewinnt, werde ich sehr glücklich sein. Er ist ein netter Junge und verdient das auch. Als Torwart bekommst du nicht oft die Chance, dir ein großes Denkmal zu setzen“, weiß Pfaff.

Dafür müsste ein neuer Weg eingeschlagen werden. Da Fabio Cannavaro 2006 als erster Verteidiger den Pokal stemmen durfte, könnte diesmal die Durststrecke der Torhüter enden.

„Man muss mit der Tradition brechen“

Viele Ex-Profis, Legenden und Experten bezogen in den vergangenen Wochen Stellung und sicherten dem DFB-Weltmeister ihre Unterstützung zu.

„Ich glaube schon, dass er eine Chance hat. Ich glaube, man muss mit der Tradition brechen. Man denkt, die anderen schießen immer drei, vier Tore. Ein Torwart möchte kein Tor auf seine Kappe bekommen, damit er nicht als schlechter Torwart abgestempelt wird“, kennt Pfaff die Tücken auf dieser Position aus eigener Erfahrung.

Neuer ist anders, prägt einen revolutionären Stil und modernisierte das Spiel des Schlussmanns auf eine spezielle Art und Weise.

Die endgültige Reifeprüfung habe der Gelsenkirchener für Pfaff mit der Weltmeisterschaft in Brasilien abgelegt, eine Erfahrung, die ihm keiner mehr nehmen kann.

Neuer der modernste der modernen Torhüter

„Vor drei, vier Jahren haben viele schon gesagt, dass er der beste Tormann der Welt sei. Ich habe immer gesagt: Er muss erst eine WM spielen, da wird man international konfrontiert. Es gibt die Bundesliga, Champions League und Europameisterschaft. Aber eine EM ist nicht dasselbe wie eine WM.“

Aufhorchen ließ der ehemalige belgische Nationaltorhüter im Interview mit der Aussage „Es gibt viele gute Torleute, aber keine Weltklasse-Torleute“, welche er wenig später auf „Es gibt viele gute, aber zu wenige Weltklasse-Torhüter“ revidierte.

Neuer sei momentan ein sehr moderner Torwart, der gut mitspielt. Das habe er mit seinen Einsätzen bei Bayern München und im DFB-Team unter Beweis gestellt.

„Neuer zeigt jetzt mit seiner Erfahrung, dass er ein hervorragender Torhüter ist, der im Vergleich zu anderen sehr gut herausläuft.“

Courtois und Co. noch nicht auf Neuers Niveau

Es gäbe noch weitere gute Torleute und Talente, denen möglicherweise die Zukunft gehört.

Etwa seinem aufstrebenden Landsmann Thibaut Courtois vom FC Chelsea, dieser habe allerdings noch nicht das Niveau eines Neuers.

Für Pfaff kommt derzeit keiner auch nur annähernd an Deutschlands Nummer eins heran. „Neuer tut sein Bestes und ist momentan der beste Torwart der Welt“.

Ob das auch reicht, um mit der Tradition zu brechen und zum „Weltfußballer des Jahres“ ernannt zu werden, wird am Montag in Zürich geklärt.

Pfaff wird Neuer die Daumen halten, das steht außer Frage.


Alexander Karper / Claus Schlamadinger