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"Ich wollte die Wertschätzung, die ich verdiene"

„Schwarze Adler“ – so werden die Spieler von Besiktas Istanbul ehrfürchtig genannt.

Wer beim Süper-Lig-Klub bestehen will, muss so wie das majestätische Wappentier die Krallen zeigen und auf (Titel-) Beutejagd gehen.

Viele nahmen in den vergangenen Jahren den Beinamen „König der Lüfte“ jedoch zu ernst und breiteten zu schnell wieder die Flügel aus. Ein Kommen und Gehen war die Folge.

Einer erwies sich hingegen als sesshaft: Veli Kavlak. Trotz der Lockrufe europäischer Top-Adressen verließ der 26-jährige Wiener seinen Horst nicht und verlängerte bis 2019. Diese Verbundenheit machte sich bisher bezahlt und soll auch in Zukunft belohnt werden.

Warum der ÖFB-Teamspieler nicht vom Verbleib überzeugt werden musste, warum Besiktas über Teams aus England, Italien und Deutschland steht und wie er seine Aktie über die letzten Jahre steigern konnte, verrät er beim Treffen mit LAOLA1 im großen Interview:

LAOLA1: Während deine Kollegen im Winter Sonne und Strand suchen, machst du wieder einmal Heimaturlaub in Wien. Wie wichtig ist dieser Heimatbesuch, um den Kopf wieder frei zu bekommen und richtig abzuschalten?

Veli Kavlak: Sehr wichtig! Meine Familie und meine Freunde sind alle da. Wenn man so eine lange Zeit weg ist, freut man sich umso mehr, wenn man mal abschalten kann. Ich war jetzt eine Woche da und es hat mir wirklich sehr gut getan.

LAOLA1: Zuletzt standen viele Spiele an, es gab viele Spekulationen um deine Zukunft. Wieviel ist da in letzter Zeit auf dich eingeprasselt?

Kavlak: Es stimmt schon, es war wirklich keine einfache Zeit. Jetzt haben wir das zum Glück abgeschlossen. Jetzt ist mein Kopf wieder frei und ich kann mich ausschließlich auf Fußball konzentrieren. Die Entscheidung ist definitiv! Ich habe für vier Jahre bis Sommer 2019 verlängert. Mal schauen, wie es weitergeht.

LAOLA1: Warum ist die Entscheidung auf Besiktas gefallen, was gibt und bedeutet dir der Verein mittlerweile?

Kavlak: Ich habe dort seit dreieinhalb Jahren einiges miterlebt. Wir hatten am Anfang schwierige Zeiten, finanzielle Probleme, dann hatten wir kein Stadion und mussten immer auswärts spielen. Diese Talfahrt haben wir mit dem ganzen Verein, dem Vorstand und den Fans immer gemeinsam durchgestanden. Jetzt habe ich es einfach nicht übers Herz gebracht, den Verein zu verlassen. Deswegen habe ich hier verlängert. Es kommt das neue Stadion, das wird einmalig. Ich freue mich schon extrem auf die Atmosphäre dort. Das möchte ich miterleben und ein Teil davon sein. Ich hoffe, das bekommen wir so schnell wie möglich.

LAOLA1: Besiktas ist für dich, neben Rapid, der Herzensverein. Gab es nichts, was dich trotzdem in Versuchung bringen hätte können?

Kavlak: Es waren schon einige Möglichkeiten innerhalb Europas da, aber es muss auch das Herz mitspielen. Das war nie so der Fall wie beim Gedanken, bei Besiktas zu verlängern. Da hatte ich immer wieder ein gutes Gefühl. Tief im Inneren habe ich gespürt, dass es das Richtige ist, deshalb habe ich das auch gemacht. Für mich ist es jetzt ganz wichtig, mit Besiktas Erfolg zu haben und das neue Stadion zu betreten.

Kavlak bestätigte LAOLA1 die Vertragsverlängerung bei Besiktas

LAOLA1: Die Namen renommierter Klubs wie Everton, Southampton, Lazio Rom, Schalke oder Stuttgart sind herumgeschwirrt. Wie konkret war das Interesse tatsächlich?

Kavlak: Es gab schon konkrete Gespräche, aber es war nicht so, dass ich Besiktas für die genannten Klubs verlassen kann. Das Herz hat einfach nein gesagt. Ich habe ein super Leben dort und Fans, die mich wirklich lieben. Das möchte ich alles nicht für die genannten Klubs aufgeben.

LAOLA1: Stehen die englische, italienische und deutsche Liga für dich somit gar nicht über der türkischen?

Kavlak: Über der Liga vielleicht, aber diese Klubs stehen für mich nicht über Besiktas Istanbul. Da hätten auch die Rahmenbedingungen nicht gepasst. Seit ich hier bin, ist alles sehr professionell, es wird alles für die Spieler getan. Wenn man irgendetwas braucht, wird das sofort zur Verfügung gestellt. Alles wird dem Erfolg untergeordnet, das taugt mir einfach so. Ich hoffe einfach, dass es vier weitere erfolgreiche Jahre werden.

LAOLA1: Das heißt, es musste gar nicht viel gemacht werden, um dich von einem Verbleib zu überzeugen?

Kavlak: Eigentlich nicht! Es gab nur ein paar Probleme wegen anderen Aspekten. Ich wollte einfach die Wertschätzung haben, die ich meiner Meinung nach verdiene. Das haben sie mir dann sofort – ohne Wenn und Aber – erfüllt. Ich habe immer wieder gesagt: Wenn das passiert, dann bleibe ich. Somit bin ich jetzt glücklich.

LAOLA1: Ist Besiktas für dich bereits die sportliche Erfüllung oder schließt du es nicht aus, dass in ein paar Jahren vielleicht doch noch der ganz große Sprung gelingt?

Kavlak: Wenn wirklich ein Klub kommt, der vom Umfeld und den Fans größer ist als Besiktas, dann kann man es sich überlegen. Aber bei den genannten Klubs war das bisher einfach nicht der Fall. Ich habe alles zusammen mit meiner Familie für mich abgewogen. Istanbul ist eine sehr schöne Stadt. Ich habe mich dort eingelebt, habe Freunde gewonnen, habe eine super Mannschaft und spiele bei einem großen Top-Klub, der 20 Millionen Fans hat. Das kann man nicht einfach liegenlassen.

LAOLA1: Fakt ist, dass du deine Aktie in der Türkei, seitdem du als Nobody geholt wurdest, bis zum heutigen Tag gesteigert hast. Ist dir eigentlich bewusst, welchen Aufstieg du genommen hast?

Kavlak: Als ich zu Besiktas kam, wurde ich noch gefragt, ob Fußball in Österreich mit den Händen gespielt wird. Noch dazu hatten wir im Mittelfeld Spieler wie Guti, Quaresma, Simao, Fernandez, Fabio Aurelio oder Fabian Ernst. Da wollte ich mich erst einmal hineinbeißen und die Einsatzzeit, die ich kriege, ausnützen. Aber ich hatte immer Trainer, die mich in jeder Einheit verfolgt haben und mir immer wieder gesagt haben, dass ich spielen werde und mir das verdient habe. Wir haben viele Trainerwechsel gehabt, aber jeder Trainer hat auf mich gesetzt und mich sofort spielen lassen. Denen bin ich sehr dankbar.

LAOLA1: Der jetzige Coach Slaven Bilic ist als harter Hund bekannt. Doch auch bei ihm genießt du das volle Vertrauen.

Kavlak: Gott sei Dank! Das war auch ein Grund, wenn man unter so einem Trainer zu einem anderen Spieler herangereift ist und von dem man viel gelernt hat. Er ist sehr korrekt. Ich bin überzeugt davon, dass wir in den nächsten Jahren wirklich erfolgreich sein können. Er hat wie alle anderen sofort auf mich gesetzt und wenn ich mal frei brauche, sagt er: Flieg nach Hause zu deiner Familie und erhol dich. Das sind Dinge, die nicht alltäglich sind.

LAOLA1: Viele Stars rund um dich sind gekommen und wieder gegangen, du hast dich gehalten. Eine Tatsache, die schon stolz macht?

Kavlak: Klar! Der Verein hatte eine schwierige Zeit. Es ist so viel Rivalität da, wir haben diese Saison jedes Spiel auswärts gespielt, außer gegen Trabzonspor, wo wirklich 40.000 Besiktas-Fans in Konya waren. Wenn man die vielen Reisen, dazu noch die Europa League durchsteht, zeigt das den Zusammenhalt des Klubs. Deshalb hoffe ich auf weitere erfolgreiche Zeiten.

LAOLA1: Gibt es bei all diesen Namen einen Star, zu dem du besonders aufgeschaut hast oder der dich besonders geprägt hat?

Kavlak: In der Anfangszeit hat mir Fabian Ernst enorm geholfen, wir haben beide deutsch im Mittelfeld gesprochen. Bei Guti wäre es wirklich schön gewesen, wenn er länger geblieben wäre, auch Quaresma war ein cooler Typ. Seine Tricks hatte ich nicht drauf, da hat er eine viel beweglichere Hüfte als ich. Jetzt ist er bei Porto und schickt über Twitter Nachrichten, wie er Besiktas vermisst. Wer da war, weiß schon, dass es ein großer Klub ist. Es waren tolle Spieler dabei, von denen ich viel gelernt habe und ich bin stolz, mit ihnen zusammengespielt zu haben.

LAOLA1: Durch die gestiegene Aktie sind schon ganz andere Summen im Spiel, es kommen Anfragen von viel größeren Klubs. Ehrt dich das trotzdem, auch wenn du dich anders entschieden hast?

Kavlak: Auf jeden Fall, man freut sich einfach, wenn solche Klubs wirklich Interesse zeigen und einen verpflichten wollen. Dann kann man nicht so viel falsch gemacht haben.

LAOLA1: Welche Rolle spielen abseits deines guten Rufes die türkischen Wurzeln. Verstärken diese den Wohlfühlfaktor in Istanbul?

Kavlak: Die spielen schon auch eine Rolle, aber das war jetzt nicht der Hauptgrund. Viel mehr glaube ich, dass mit dem neuen Stadion rosige Zeiten bevorstehen. Man träumt immer davon, in einem vollen Stadion mit einer geilen Atmosphäre zu spielen. Es ist nicht mehr so lange bis dahin. Kurz vor dem Ziel zu gehen, hätte nicht gepasst.

LAOLA1: Was macht diesen Verein für dich so speziell und besonders, was vielleicht andere gar nicht so nachvollziehen können?

Kavlak: Die Zuschauer! Das ist ein Zusammenhalt, der unglaublich ist. Ich habe ja schon viel gekannt, da ich von Rapid weggegangen bin, wo es die besten Fans in Österreich gibt. Aber wenn man einmal dort ist, dich 2.000 Fans beim Auswärtsspiel am Flughafen bejubeln oder der Bus nicht wegfahren kann, bis ein Spieler mit ihnen redet - diese Verbundenheit und Leidenschaft ist schon einmalig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das von vielen getoppt werden kann.

LAOLA1: Das hitzige Derby gegen Galatasaray ging verloren, du musstest nach einer Tätlichkeit gegen Wesley Sneijder mit Rot vom Platz. Was war da los?

Kavlak: Wer die Aktion gesehen hat, kann sich sein eigenes Bild machen. Es waren im Spiel viele Provokationen dabei. Ich habe selber einstecken müssen, nach einem Ellbogencheck an mir ist es weitergegangen. Der Gegner hat dann genau gewusst, wen sie sich aussuchen und ich bin darauf reingefallen. Manchmal erkenne ich mich fast nicht wieder, auf dem Platz bin ich ein anderer Mensch. Das war mein Fehler, eine dumme Aktion. Das wird sicher nicht wieder vorkommen.

LAOLA1: Ihr habt die Tabellenführung zwar zuletzt abgegeben, seid aber voll dabei. Zählt für Besiktas dieses Jahr nur der Titel?

Kavlak: Das ist hier so, jeder Spieler ist sich dem bewusst. Mit dem Druck muss man umgehen, wenn man bei dem Klub unterschreibt. Wir haben noch alle Chancen, sind nur einen Punkt hinter Fenerbahce. Es werden noch brutale 18 Runden, jede Woche wird es hin- und hergehen. Aber das ist auch das Schöne am Fußball.


Das Gespräch führte Alexander Karper