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Die gute alte Zeit

Die gute alte Zeit

Er erinnert sie an bessere Zeiten. An Zeiten des Erfolgs. An Zeiten der Konstanz.

„2+2+6“ war auf dem Trikot zu lesen, das Roberto Mancini bei seiner Präsentation symbolisch überreicht bekam. Eine Anspielung auf die 226 Mal, die er in seiner ersten Ära als Inter-Coach auf der Bank saß.

Im Zusammenhang mit „Mancio“ hat das Wort Ära tatsächlich seine Berechtigung. Von 2004 bis 2008 war er der „Mister“, der die „Nerazzurri“ zu Höchstleistungen antrieb. Der vor ihm letzte Mann, der so lange bei den Mailändern werken durfte, war Giovanni Trapattoni (1986-1991). Nach Mancini kam kein Coach mehr annähernd an diese Zeitspanne heran.

Rafa Benitez, Leonardo, Gian Piero Gasperini, Claudio Ranieri, Andrea Stramaccioni und Walter Mazzarri – diese Namen sind unvermeidlich mit Inters Fall in die internationale Bedeutungslosigkeit verbunden.

Das dominante Inter

2009/10 setzte der Klub unter Mancini-Nachfolger Jose Mourinho mit dem legendären Triple (Champions League, Meisterschaft, Coppa) ein letztes Ausrufezeichen. Danach hat sich der 18-fache Meister mehr und mehr zu einem italienischen Durchschnittsverein, dessen Ansprüche die tatsächliche Leistungsfähigkeit weit überragen, entwickelt.

Und da wird man doch gerne an bessere Zeiten erinnert. Als Juventus die Liga nicht nach Belieben dominierte, sondern durch den „Calciopoli“ kurzfristig sogar in die Serie B musste, als die Roma stets in Schach gehalten wurde, als Napoli sich gerade erst vorsichtig anschickte, die Serie A wieder aufzumischen. Eben als Mancini drei Meisterschaften (die erste wurde erst im Nachhinein gerichtlich von Juve an Inter weitergereicht), zwei Coppa-Titel und zwei Supercoppa-Erfolge einfuhr – die ersten nationalen Inter-Titel seit 1989!

Klar, Mancini wurde damals nicht immer so richtig gewürdigt. Er sei einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Die Konkurrenz sei damals aufgrund von „Calciopoli“ nicht wirklich vorhanden gewesen. Und als Mancini im Sommer 2008 trotz des Meistertitels entlassen wurde, weinte ihm wenige Wochen niemand mehr eine Träne nach, sollte doch mit „The Special One“ an der Seitenlinie zumindest die Weltherrschaft erobert werden.

Doch im Nachhinein ist man eben immer ein wenig schlauer. Die ganz großen Stars haben Italien den Rücken gekehrt, nicht wenige Ligen haben die Serie A in vielerlei Hinsicht überholt und nach dem Kick in Mailand kräht in der großen, weiten Fußballwelt kaum ein Hahn mehr. Trainierte Mancini 2008 noch Zlatan Ibrahimovic, Luis Figo und Patrick Vieira, sind die Inter-Stars von heute Mateo Kovacic, Mauro Icardi und der in die Jahre gekommene Nemanja Vidic.

Image ist alles

„Es ist anders als vor zehn Jahren“, sagte Mancini bei seinem zweiten Antritt als Inter-Coach. Und Inters neuer Eigentümer, Erick Thohir, eilte ihm prompt zur Seite: „Ich erwarte mir keine Heldentaten.“

Mancini würde so viel Zeit wie möglich bekommen, so der Indonesier. Wer das italienische Trainer-Karussell kennt, mag sich die Frage stellen, wie viel Zeit in der Serie A denn vorhanden sei.

Das Minimal-Ziel bleibe jedenfalls die Qualifikation für die Europa League, versicherte Thohir. Daran habe sich auch nach der Entlassung Mazzarris nichts geändert. Worauf der Geschäftsmann aber noch schärfer sein dürfte, ist ein positives Image für seinen Klub.

Mazzarris Frustration an der Seitenlinie ist in zu vielen Memes bestens dokumentiert. Thohirs Freude über die unzähligen Facepalm-Bilder dürfte sich in überschaubaren Grenzen gehalten haben. Mancini soll die Sieger-Mentalität zurück ins Giuseppe Meazza bringen.

Nicht viel Spielraum

Wenn das nur so einfach wäre. Seit über zwei Jahren hat Inter in der Liga keine drei Siege in Folge mehr gefeiert. Oder wie es Mancini ausdrückt: „Eine wundervolle Herausforderung! Eine der vielen Gründe, warum ich sie akzeptiert habe, ist, dass das junge Team und ich gemeinsam wachsen können.“

Tatsächlich wird ihm nicht viel anders übrig bleiben. Financial Fair Play sei Dank, sind für die Mailänder auf dem Transfermarkt keine großen Sprünge möglich. Durchaus problematisch, wurde der aktuelle Kader doch auf Mazzarris System mit einer Dreier-Abwehrkette zugeschnitten. Mancini bevorzugt indes ein 4-2-3-1. „Kein Problem“, meint der Rückkehrer.

Überhaupt habe er sich in seinen ersten Tagen im Amt sowieso weniger auf Taktik, sondern vielmehr auf Enthusiasmus fokussiert. „Wann werden wir ein siegreiches Inter sehen? Ich kann kein präzises Datum nennen, aber wir müssen uns rasch verbessern“, sagt er.

Ein schwieriger Start

Der Spielplan verheißt jedenfalls einen immens schwierigen Start in die zweite Amtszeit. Zunächst steigt das Mailänder Derby gegen den AC, danach muss Inter zur Roma. Und dazwischen feiert Mancini seinen 50. Geburtstag.

Schenkt man einem Bericht von „La Repubblica“ Glauben, hat sich der Mann, der mit Manchester City (Meister, FA-Cup-Sieger, Community Shield) und Galatasaray (Cupsieger) vier weitere Titel gesammelt hat, aber abgesichert. In seinem Vertrag, der zweieinhalb Jahre läuft, soll schon für den Sommer eine Ausstiegsklausel verankert sein. Wenn der Trainer mit den Transfers unzufrieden sei oder ein besseres Angebot habe, könne er davon Gebrauch machen, so die Tageszeitung.

Doch daran denkt er derzeit freilich nicht. „Ich bin von diesem Projekt überzeugt. Es könnte wieder eine großartige Geschichte werden“, sagt Mancini.

Wie in guten alten Zeiten wird er wieder mit dem schwarzblauen Schal an der Seitenlinie stehen und Inter dirigieren. Doch seit damals hat sich sehr viel geändert.

Harald Prantl