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Die Geschäfte der Famiglia Pozzo

Die Geschäfte der Famiglia Pozzo

Es gibt viele Menschen, die mit dem Fußball Geld verdienen.

Der Großteil jagt dem runden Leder selbst hinterher und wird dafür fürstlich entlohnt. Andere trainieren sie und werden ebenfalls gut bezahlt.

Einige nennen sich Manager, handeln diese großzügigen Verträge aus und kommen ebenso mit einer dicken Geldbörse davon.

Und es gibt die Familie Pozzo mit ihrem Oberhaupt Giampaolo. Sie ist grundsätzlich zu jener Personengruppe zu zählen, die Geld in den Sport steckt. Sie ist Klub-Besitzer.

Ein kleines Fußball-Imperium

Doch die Pozzos sind keine Scheichs oder neureichen Russen. Sie sind italienische Industrielle. Von sagenhaftem Reichtum sind sie so weit entfernt wie der Nahostkonflikt von einer friedlichen Lösung.

Aber die Pozzos haben es geschafft, ein System zu entwickeln, um mit dem Fußball ebenfalls Geld zu verdienen. Sie haben sich vom beschaulichen Udine, einer 100.000-Einwohner Stadt im Nordosten Italiens, aus ein kleines Fußball-Imperium aufgebaut.

Ein "ganz normaler" Beginn

Dabei fing alles ganz italienisch an, als die Familie im Sommer 1986 Udinese Calcio übernahm. Der Verein war zu diesem Zeitpunkt in einen Wettskandal verstrickt und musste infolge eines Abzugs von neun Punkten den Abstieg in die Serie B hinnehmen.

Pozzo tat, was so ziemlich alle italienischen Klub-Bosse tun: Er wechselte die Trainer wie andere ihre Unterhosen. Die Ergebnisse waren wenig berauschend, Udinese stieg mal auf, mal wieder ab. Die Saison 1994/95 war die bislang letzte in der zweiten Liga.

Der Sinneswandel

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt fand ein Sinneswandel statt. Der Klub-Eigentümer setzte längerfristig auf Trainer Alberto Zaccheroni und hatte – viel wichtiger – eine neue Strategie entwickelt. Er war es leid, das erwirtschaftete Minus ständig durch private Gelder auszugleichen.

Es waren wohl die ersten Angebote für Thomas Helveg, den er im Sommer 1993 für wenig Geld von Odense geholt hatte, die ihn auf eine Idee brachten: Mit schlauer Transferpolitik lässt sich auch als Eigentümer doch jede Menge Geld machen!

Also wurden weitere Schnäppchen an Land gezogen. Oliver Bierhoff kam von Ascoli, Giuliano Giannichedda von AS Sora, ein Jahr später Marcio Amoroso von Flamengo.

Die ersten Gewinne

Investitionen, die kein allzu großes Risiko bedeuteten. Investitionen, die wenig später einen immensen Gewinn brachten. Helveg ging 1997 für umgerechnet 8,5 Millionen Euro zum AC Milan. Ein Jahr später wurde Bierhoff für 12,5 Millionen Euro an die „Rossoneri“ verkauft. Und 1999 folgte der ganz große Coup: Parma legte 28 Millionen Euro für Amoroso auf den Tisch.

In Sachen Gehalt sieht es nicht viel anders aus. Laut „Gazzetta dello Sport“ belaufen sich die Zahlungen an die Kaderspieler aktuell auf 21,2 Millionen Euro. Antonio di Natale ist mit 1,3 Millionen der Top-Verdiener. 13 Serie-A-Teams zahlen ihren Kickern mehr. Auch in den zwei Saisonen davor rangierte Udinese jeweils auf dem 14. Platz.

Gianluigi Buffon, Wesley Sneijder und Daniele de Rossi verdienen aktuell mit jeweils sechs Millionen Euro jährlich fast ein Drittel dessen, was alle Udinese-Kaderspieler gemeinsam auf ihr Konto überwiesen bekommen.

Der nächste Schritt

Doch all diese beachtlichen Erfolge waren der Familie Pozzo nicht genug. Udine wurde ihr zu klein. Und weil der Clan sowieso schon gute Kontakte auf der iberischen Halbinsel hat – er verdient sein Geld mit der Herstellung von Holzverarbeitungs-Maschinen in erster Linie in Italien und Spanien –, war das nächste Ziel irgendwie klar: 2009 wurde Pozzo Mehrheitseigentümer des FC Granada.

An dieser Stelle kommt Quique Pina ins Spiel. Der frühere Unterliga-Kicker ist in Spaniens Fußball ein bunter Hund. 1999 hatte er Cuidad de Murcia gegründet und es bis in die zweite Liga geschafft, ehe er den Klub verkaufte.

Seit seinem Karriereende arbeitet der Mann auch als Spielermanager. Daher kennt er die Pozzos, allen voran Giampaolos Sohn Gino, sehr gut. 2007 war Pina etwa an der Verpflichtung von Alexis Sanchez beteiligt.

Trotz seiner Hilfe scheiterte ein Übernahme-Angebot der Pozzos für Espanyol Barcelona. Beim FC Granada klappte es dann aber. Pina wurde zum Statthalter ernannt und leitet seitdem die Geschicke des spanischen Klubs.

Die Pozzos rieben sich Sommer für Sommer (siehe Diashow) die Hände und verpflichteten in der Zwischenzeit für einen Bruchteil der Summe weitere hoffnungsvolle Talente. Ende der 90er Jahre etwa Stephen Appiah, Martin Jörgensen, David Pizarro und Stefano Fiore.

Scouting deluxe

In weiterer Folge wurde das System perfektioniert. Der Verein webte ein dichtes Netzwerk an Scouts, die weltweit nach neuen Talenten fahndeten. Mittlerweile sind rund 20 von ihnen exklusiv für Udinese tätig, mehr als doppelt so viele geben regelmäßig Auskunft.

Wenn irgendwo ein Teenager die Anlagen zum Topspieler hat, steht er gewiss in den Notizbüchern der Norditaliener. Oder wie es Andrea Carnevale, Chef der Scouting-Abteilung, ausdrückt: „Wenn ein Spieler zu Chelsea, Real oder Manchester United wechselt, dann kennen wir den schon lange.“

Weil es dann aber schon zu spät ist, die absoluten Spitzenklubs über finanzielle Mittel verfügen, von denen man in Udine nur träumen kann, werden überwiegend Kicker aus kleineren Ländern geholt. Chile und Kolumbien statt Argentinien und Brasilien.

Kaufen und verleihen

Als im Sommer 2007 halb Europa die Scheckhefte zückte, um den Brasilianer Alexandre Pato zu verpflichten und der AC Milan letztlich mit einer Ablösesumme von 22 Millionen Euro das Rennen machte, hatte Pozzo bereits ein anderes Supertalent an Land gezogen.

Der gleichaltrige Alexis Sanchez hatte schon einige Monate vorher bei Udinese unterschrieben. Gerade einmal zwei Millionen Euro wurden für den damals 18-Jährigen an den chilenischen Klub Deportes Cobreloa überwiesen.

Das Problem, dass nicht jeder Neuzugang auch sofort das Zeug hat, in der Serie A mitzuhalten, wurde durch ein simples Geschäftsmodell umgangen. Udinese verlieh jedes Jahr Dutzende Spieler. Bis zu 100 Profis stehen regelmäßig unter Vertrag, kicken aber in aller Herren Länder. Oft in Italien, bisweilen aber auch noch in ihrer Heimat oder anderswo.

Das Stadio Friuli ist also ein riesengroßer Spielerbasar, auf dem ständig neue Ware angeboten wird. Wer mit seinen Leistungen heraussticht, wird für viel Geld verkauft. So funktioniert das System.

Schlechte Voraussetzungen

Und es funktioniert tatsächlich. Denn aufgrund des großen Spielerpools können die durch Abgänge gerissenen Lücken, die die meisten Klubs nie und nimmer verkraften würden, rasch gestopft werden. Nur drei Mal verpasste Udinese in den vergangenen 17 Saisonen die Top 10 der Serie A.

Dabei sind die Voraussetzungen dafür eigentlich gar nicht gegeben. In den abgelaufenen sieben Spielzeiten hatten die „Zebrette“ nur zwei Mal den zehnthöchsten Zuschauerschnitt der Liga, sonst lagen sie stets im unteren Mittelfeld.

Im Sommer erwarb Pozzo den FC Watford

Granada ist Udinese II

Mit großem Erfolg. Nicht zuletzt dank jeder Menge Leihgaben aus dem reichhaltigen Spielerfundus Udineses schaffte Granada den Durchmarsch und durfte im Sommer 2011 nach 22 Jahren Absenz die Rückkehr in die Primera Division bejubeln.

Im aktuellen Kader sind mit Antonio Floro Flores, Gabriel Torje, Diego Mainz, Odion Ighalo, Dani Benitez, Jaime Romero, Allan Nyom und Stole Dimitrievski acht Leihspieler der Italiener zu finden. Guilherme Siqueira und Fabian Orellana wurden bereits fix verpflichtet.

Die Vorteile der Pozzos liegen auf der Hand. Einerseits garantiert der Deal praktisch, dass ihre Leihspieler auch tatsächlich zum Einsatz kommen. Andererseits bekommen Nicht-EU-Bürger in Spanien bereits nach zwei Jahren einen europäischen Pass ausgehändigt, was den Weiterverkauf entsprechend erleichtert.

Darüber hinaus ist Pina ausgezeichnet vernetzt. Bis Sommer 2012 war er nebenbei Sportdirektor von Cadiz, aktuell knüpft er enge Bande mit dem Zweitligisten SD Huesca. Gescheitert sind indes seine Versuche, bei Teneriffa und Oviedo einzusteigen.

Watford ist Udinese III

Doch das sind Pinas Geschäfte. Die Pozzos haben indes in diesem Sommer den dritten Klub unter ihre Fittiche genommen – nämlich den FC Watford.

„Unser Ziel ist klar: Wir wollen Watford als Premier-League-Klub etablieren“, verkündete die Familie nach der Übernahme.

Um dem Zweitligisten zum Aufstieg zu verhelfen, wurden mit Almen Abdi, Alex Geijo, Marco Cassetti, Fernando Forestieri,  Lars Ekstrand, Jean-Alain Fanchone, Matej Vydra, Neuton, Cristian Battocchio und Leo Beleck gleich zehn Spieler von Udine in die Ortschaft, die 29 Kilometer nordwestlich von London liegt, geschickt. Mit Daniel Pudil und Ikechi Anya kamen zudem zwei Kicker von Granada.

Das Trio Gianluca Nani (Technischer Direktor), Scott Duxbury (Sportlicher Leiter) und Gianfranco Zola (Trainer) ist für die Engländer verantwortlich. Die Drei arbeiteten auch schon bei West Ham United zusammen.

Zusätzliche Anreize

Das Engagement bei Watford macht Sinn. Am englischen Markt werden hohe Transfersummen umgesetzt und die Pozzos können bei Watford ihre Spieler präsentieren. Duxbury erklärt außerdem: „Die Pozzos wollten unbedingt einen Londoner Klub, weil sie das in Bezug auf Verhandlungen mit Spielern als großen Anreiz sehen.“

Neuton, 22-jährige Udinese-Leihgabe bei Watford, kann das nur bestätigen: „Es ist großartig für mich, in verschiedenen Ländern Erfahrung sammeln zu können.“

Wie die italienischen Eigentümer die skeptischen Watford-Fans für sich gewinnen wollen, liegt auf der Hand: Das Stadion an der Vicarage Road ist in einem ganz schlechten Zustand, die Pozzos wollen es renovieren.

Die Weiterentwicklung

In Sachen Stadion tut sich übrigens auch in Udine etwas. Ab April wird das baufällige Stadio Friuli im großen Stil modernisiert, 2014 soll der Umbau fertig sein. Dadurch erhoffen sich die Pozzos mehr Zuseher und höhere Einnahmen.

Denn ihr Fußball-Imperium ist bereit, den nächsten Schritt zu machen. Während in Granada und Watford fleißig Talente entwickelt und teuer verkauft werden, soll Udinese Stammgast in der Champions League werden.

Dort würden auf die Norditaliener nämlich einige Millionen warten. Aber wie man im Fußball Geld macht, muss der Familie Pozzo niemand erklären…


Harald Prantl