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Die Gründe für Southamptons Erfolgslauf

Die Gründe für Southamptons Erfolgslauf

„Sechs Jahre einer wunderbaren Reise – zerstört in nur einer Stunde!“

Es war purer Frust, der aus Morgan Schneiderlin sprach.

Nachdem er mit dem französischen Nationalteam ins WM-Viertelfinale gestürmt und dem späteren Weltmeister Deutschland unterlegen war, befand er, die Zeit wäre reif.

Reif für den nächsten Schritt in seiner Karriere. Weg vom FC Southampton, hin zu einem Topverein. Trainer Mauricio Pocchetino hatte die Hafenstadt im Süden Englands ebenfalls erst wenige Wochen zuvor in Richtung Tottenham verlassen und wollte seinen Schützling mit zu den Spurs nehmen.

Erstes und einziges Veto

Der FC Southampton legte jedoch sein Veto ein. Das erste und einzige im vergangenen Transferfenster. Denn ansonsten hielt es das Überraschungsteam der Vor-Saison (Rang acht) nach dem Motto: „Kommen Sie, kaufen Sie!“

Die „Saints“ erlebten einen Sommer wie am Basar. Ein Topspieler nach dem anderen ging über die Ladentheke. Luke Shaw wurde für 37,5 Millionen an Rekordmeister Manchester United abgegeben, Adam Lallanas Wechsel zum FC Liverpool spülte 31 Millionen in die Klubkassen.

Auch Dejan Lovren (für 25,3 Millionen zu Liverpool), Calum Chambers (für 20,2 zu Arsenal) und Rickie Lambert (für 5,5 zu Liverpool) suchten allesamt das Weite und konnten dem Lockruf der „Big Player“ nicht widerstehen. Die halbe Stammelf samt Erfolgstrainer wurde abgegeben, weshalb Schneiderlins Wunsch nach einer Veränderung nur allzu verständlich war.

Identifikationsfigur Schneiderlin

Neo-Trainer Ronald Koeman pochte jedoch darauf, dass der 25-Jährige seinen erst vor wenigen Monaten bis 2017 verlängerten Kontrakt einhält. Der Niederländer sah nicht nur das große Potenzial, das Schneiderlin zweifelsohne besitzt, sondern auch die Identifikationsfigur, die die Fans in ihm sehen.

Der Filigrantechniker kickt schließlich bereits seit 2008 für die „Saints“. Als er kam, spielte der Klub in der zweiten Liga, stieg in seiner Premieren-Saison ab und dümpelte anschließend zwei Jahre lang in der dritten Spielklasse vor sich hin.

Auch dank Schneiderlin gelang der Durchmarsch in die Premier League, der in Rang acht 2013/14 seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Die meisten Experten sahen den Zenit erreicht und handelten den FC, der sich in Besitz des Liebherr-Konzerns befindet, nach dem sommerlichen Ausverkauf als ernsthaften Abstiegskandidaten. Einen solchen Aderlass könnte schließlich selbst ein Top-Team kaum verkraften.

Wenger schwärmt von Koeman

Koeman und seine Jungs belehrten sämtliche Kritiker eines Besseren. Ein knappes Saisondrittel ist absolviert und der vermeintliche Abstiegskandidat ist auf Champions-League-Kurs. Rang zwei spuckt die Tabelle für Southampton aus.

Vier Zähler hinter Leader Chelsea, aber auch vier vor dem drittplatzierten Titelverteidiger Manchester City. Sogenannte Top-Klubs wie der FC Arsenal, Manchester United, der FC Liverpool oder auch Tottenham können von den Erfolgen der Koeman-Elf derzeit ohnehin nur träumen.

„Ronald Koeman hat für ein Wunder gesorgt“, schwärmt daher Arsene Wenger von den Leistungen seines Kollegen. Ein solches „Wunder“ propagieren auch diverse nationale und internationale Medien seit Wochen.

Das Ergebnis harter Arbeit

Angesichts der „Heiligen“, wie die Kicker genannt werden, liegt diese Bezeichnung vielleicht nahe, doch führt sie klar am Thema vorbei. Der unglaubliche Erfolgslauf ist das Ergebnis harter Arbeit, einer klugen Einkaufspolitik und exzellenter Nachwuchsarbeit.

Koeman, der vom niederländischen Klub Feyenoord Rotterdam abgeworben wurde, setzte auf Altbekanntes und nahm Graziano Pellè, mit dem er bereits im Vorjahr zusammenarbeitete, mit auf die Insel. Auch Dusan Tadic, der ihm als Gegner beim FC Twente sorglose Nächte bereitete, wusste er von einem Engagement zu überzeugen.

„Abgänge sind doch kein Problem, wenn man sie mit Qualität ersetzen kann“, weiß der 51-Jährige genau, wovon er spricht. In den Niederlanden ist es schließlich gang und gäbe, regelmäßig seine Stars an größere Vereine zu verlieren.

Pellè und Tadic dankten ihm das Vertrauen mit Topleistungen. Pellè ist mit sechs Treffern Top-Torjäger des FC Southampton, Tadic mit sieben Assists bester Vorbereiter. Auch Schneiderlin und weitere Neuzugänge wie Fraser Forster (von Celtic), Toby Alderweireld (von Atlético geliehen) und der von Red Bull Salzburg verpflichtete Sadio Mane tragen ihr übriges dazu bei, dass der FA-Cup-Sieger von 1976 den Favoriten reihenweise ein Schnippchen schlägt.

Eine exzellente Jugendarbeit

Ein bedeutender Baustein des Teams mit der besten Defensive der Liga (erst fünf Gegentore) ist die exzellente Jugendarbeit. Während in Spanien „La Masia“ des FC Barcelona das Nonplusultra darstellt, gilt die Akademie in der Hafenstadt als Vorzeigemodell im Mutterland des Fußballs.

Alex Oxlade-Chamberlain, Theo Walcott oder Gareth Bale, um nur einige zu nennen, gingen aus ihr hervor und reiften in Southampton zu Stars heran. Mit dem derzeit verletzten James Ward-Prowse (20/Fußbruch) oder Lloyd Isgrove wächst bereits eine neue Generation heran, die sich anschickt in die Fußstapfen der genannten Größen zu treten.

Champions League keine Utopie

Geführt werden sie von den Routiniers wie Schneiderlin. Vor wenigen Monaten hatte er noch mit Streik gedroht, inzwischen ist er froh, dass sein Klub ihn für zu wichtig hielt, als auch ihn ziehen zu lassen.

„Wenn mir am Ende des Transferfensters jemand gesagt hätte, dass Southampton jetzt Zweiter sein würde, hätte ich es nicht geglaubt, zitierte ihn „L’Equipe“ kürzlich. Er träumte immer von der Champions League und wollte „bei einem Topklub“ spielen.

Bei einem solchen kickt er derzeit. Und wenn Southampton so weitermacht, ist auch die Königsklasse nicht mehr lange Utopie.

 
Christoph Nister