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Michael Carrick – der kontinentale Engländer

Michael Carrick – der kontinentale Engländer

Seit der Saison 2006/07 holte Manchester United viermal den Premier-League-Titel und wurde zweimal Zweiter.

Dreimal standen die „Red Devils“ in diesem Zeitraum im Champions-League-Finale, einmal davon setzte sich die Truppe von Sir Alex Ferguson auch Europas Krone auf (2008). Dazu kommt ein Triumph im Weltpokal, zwei im Carling Cup und vier im Community Shield.

Sündenbock statt Held

Bei all diesen Erfolgen mittendrin statt nur dabei: Michael Carrick. Doch trotz dieser ansehnlichen Trophäensammlung schenkt die Öffentlichkeit dem zentralen Mittelfeldspieler vergleichsweise wenig Beachtung.

Außer es geht darum, einen Sündenbock zu finden. So wie bei den zwei verlorenen Champions-League-Endspielen 2009 und 2011 gegen Barcelona. Carrick erwischte wie der Großteil seines Teams in diesen Partien einen schlechten Tag, wurde aber überproportional hart kritisiert und mit einem Loser-Image bei entscheidenden Begegnungen versehen.

Kein Box-to-Box-Player

Seitdem ist viel Zeit vergangen. Carrick hat an seinen Schwächen (Probleme bei Pressing des Gegners) gearbeitet und ist noch verlässlicher geworden, doch der 31-Jährige ist weiterhin kein Mann für das Spektakuläre. Er ist ein tiefstehender Sechser, der Bälle erobert und verteilt. Quasi ein zentraler Mittelfeldspieler kontinentaleuropäischer Prägung.

Zu kontinental für viele Engländer. Carrick trägt die Rückennummer 16 und ist in Augen vieler Premier-League-Fans damit der designierte Nachfolger des legendären Roy Keane, dem Prototyp der sogenannten Box-to-Box-Player.

Die Engländer lieben diese aggressiven Laufmaschinen mit Pferdelunge, die am besten auch noch Tore schießen können, diese Frank Lampards und Steven Gerrards. Doch so einer ist Carrick einfach nicht.

Antizipieren und passen

Aber mit seiner Antizipationsfähigkeit und seiner Passgenauigkeit entwickelte sich der ehemalige West-Ham- und Tottenham-Spieler zum Taktgeber der "Red Devils".

In der Premier League bringt Carrick laut "whoscored.com" fast 88 Prozent seiner Bälle an den Mann, in der Champions League sind es über 93 Prozent. Es sind Pässe in hoher Quantität und im Regelfall auch hoher Qualität.

Der "Rolls Royce" auf dem Platz

In seiner Mannschaft erntet Carrick dementsprechende Anerkennung. So meinte Paul Scholes etwa im Jahr 2012 gegenüber "express.co.uk": „Sie (Anm.: Ex-United-Stars Roy Keane und Nicky Butt) waren brillant, aber Michael ist das auch, nur in einer anderen Art. Er beruhigt das Spiel und exerziert auf dem Feld eine Parade, wie ein Rolls Royce.“

Scholes ging noch einen Schritt weiter: „Es gibt keinen besseren Spieler, wenn es darum geht, den Ball zu halten und unkompliziert zu spielen.“

Auch von Alex Ferguson gibt es für den Mann, den er einst für fast 30 Millionen Euro von Tottenham loseiste, Lob: „Er ist der Schlüssel für unsere Saison“, meinte der „Sir“ vor dem Start in die aktuelle Spielzeit.

EM-Ausbootung

Bei all den genannten Qualitäten ist eigentlich verwunderlich, dass Carrick nur 22 Länderspiele zu Buche stehen hat. Bei der EM 2012 verzichtete Roy Hodgson gänzlich auf den zentralen Mittelfeldspieler, angeblich weil dieser eine Stammplatzgarantie forderte.

Rein sportlich gesehen spricht vielleicht gegen Carrick, dass seine Art zu spielen, nicht zu Tempogegenstößen, die die Engländer bei den letzten Großereignissen bevorzugt praktizierten, passt.

Mittlerweile ist Carrick trotzdem zurück im Kader der „Three Lions“. Das Rampenlicht sucht er aber weder dort noch im United-Trikot.

Vertragsverlängerung?

„Wichtig ist für mich nur der Klub und mit diesem zu gewinnen. Ich möchte von meinen Mitspielern und meinem Trainer wertgeschätzt werden, die Meinungen anderer sind mir egal“, so der 31-Jährige auf der Vereins-Homepage.

Die Wertschätzung des Vereins könnte spätestens im Sommer auch nochmals auf Papier festgehalten werden. Dann soll nämlich der noch bis 2014 laufende Kontrakt Carricks verlängert werden.

 

Máté Esterházy