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"Werde Toni Fritsch im Herzen tragen"

„Ganz Österreich hat sich gemeldet, jetzt bin ich wieder interessant.“

Paul Scharner lacht 50 Stunden vor seinem „absoluten Karriere-Höhepunkt“ herzlich ins Telefon. Zwei Tage vor dem FA-Cup-Finale in London ist beim Wigan-Legionär keine Nervosität auszumachen.

Die wird auch nicht kommen. „Es geht jetzt nur noch darum, es kommen zu lassen. Es ist ohnehin schon so viel Vorfreude und Emotion dabei“, so der 33-Jährige vor dem Duell mit Manchester City am Samstag (18:15 Uhr).

„So viel Energie und Motivation“

„Man braucht es sich ja nur auf der Zunge zergehen lassen: Es ist der älteste Fußball-Bewerb der Welt, es wird im ausverkauften Wembley ausgetragen, hunderte Millionen Menschen schauen zu. Wenn man das aufsaugt, dann entsteht ohnehin so viel Energie und Motivation, da braucht man dann nicht mehr extra viel tun“, schildert der Innenverteidiger.

Weil aber Paul Scharner Paul Scharner ist, ist dem dann doch nicht ganz so.

„Für mich persönlich läuft die Vorbereitung schon seitdem wir im Finale stehen. Da geht es seither hauptsächlich um Visualisierung und Energie-Gewinnung für das Finale. Ganz speziell darauf einzugehen, das möchte ich lieber nicht“, lacht der Niederösterreicher, der sein Ziel erreicht hat.

Alles Negative hat etwas Gutes

Im Jänner wechselte der ehemalige ÖFB-Teamspieler, der in Folge eines Disputs im August 2012 nie mehr für den ÖFB auflaufen darf, auf Leihbasis vom Hamburger SV zu seinem früheren Klub Wigan.

In Deutschland lief es im Herbst ganz und gar nicht für das „Enfant terrible“ des österreichischen Fußballs, eine Verletzung kurz nach seiner Verpflichtung warf ihn zurück. In der Folge lief es auch auf dem Platz nicht. Bei seinem Startelf-Debüt sah Scharner noch vor der Pause Gelb-Rot.

Danach reichte es für den Abwehrspieler in der Kampfmannschaft nur noch zu Kurzeinsätzen. Weil alles Negative aber auch irgendetwas Gutes hat, kam es zur Rückkehr nach Wigan.

Erfolgreiches Wembley-Debüt: Halbfinal-Sieg gegen Millwall im April

„Urlaub im Wembley“

Doch das beschäftigt das Team von Trainer Roberto Martinez ohnehin erst wieder am Sonntag, um 17 Uhr, wenn das erste Training nach dem Finale auf dem Programm steht. London hat zur rechten Zeit angerufen.

„Ich beschreibe das immer ein wenig so: Wir fahren das Wochenende jetzt auf Urlaub. Weg vom Abstiegsstrudel, im Prinzip einfach einmal relaxen und absolute Freude am Spielen haben“, weiß Scharner, der im Sommer zum HSV zurückkehrt und es dort dann auch schaffen will.

Genauso wie den Gewinn des FA Cups („Das wäre natürlich Wahnsinn“), den Scharner wie Wigan auf der To-Do-List stehen haben. Mit Manchester City steht ein millionenschwerer Gegner und haushoher Favorit gegenüber, vor einem Monat setzte es aber nur ein knappes 0:1.

Folgt „Wembley-Pauli“ dem „Wembley-Toni“?

„Wir sind sehr optimistisch. Letztes Mal hat nur das Quäntchen Siegeswille gefehlt, das wird bei einem K.O.-Spiel sicherlich anders. Es ist ein Finale, der mit dem größten Siegeswillen und der größten mentalen Stärke wird gewinnen.“

Und dass Österreicher im Wembley für Sensationen sorgen können ist bekannt, der 2005 viel zu früh verstorbene Toni Fritsch traf im alten Stadion 1965 bei seinem Nationalteam-Debüt zwei Mal für Österreich beim 3:2 gegen England.

Der Spitzname „Wembley-Toni“ war geboren. Folgt nun „Wembley-Pauli“?

„Im Prinzip gehört das neue Wembley ja auch entjungfert“, lacht Scharner. Zusatz: „Und ich werde Toni Fritsch sicherlich im Herzen tragen.“

 

Bernhard Kastler

„Es ist unglaublich, was dann alles zusammengelaufen ist. Dann komme ich zurück und wusste, dass man noch im FA Cup steht. Da war für mich die oberste Priorität: Wembley, da will ich hin!“

Als erster Österreicher im Finale

Und einmal mehr hat es Scharner geschafft. Als erster Österreicher wird er im Finale des prestigeträchtigen Bewerbs zum Einsatz kommen: „Es wird das absolute Highlight. Es ist ein Wahnsinn, wie das hier auch zelebriert wird. In Österreich und Deutschland bekommt man das ja gar nicht so mit.“

Am Freitag ging es für den Purgstaller nach London. Für diese Partie erhielten die Spieler eine neue Ausstattung, neue Anzüge. Eine Fotosession im Wembley am Freitag sowie Begrüßung durch ein Mitglied des Königshauses am Samstag auf dem Spielfeld sind inklusive.

Ganze Familie dabei

„Am allermeisten taugt mir aber, dass meine Familie dabei ist. Beim Halbfinale waren schon meine Eltern hier, nun auch meine Frau und die Kids. Ein besseres Ereignis gibt es dafür eigentlich nicht, um gemeinsam zu erscheinen. Ich will jede einzelne Sekunde genießen, so etwas erreicht man nicht oft.“

Ein Spiel im neuen Wembley, das 2007 am Standort des altehrwürdigen Stadions eröffnet wurde, hat Scharner schon hinter sich. Mit dem 2:0 gegen Millwall wurde der Einzug ins Finale fixiert.

„Es ist Gänsehaut und Emotion pur. Der Platz alleine hat schon so viel geschichtliche Energie, das kann man sich gar nicht vorstellen, kriegt man auch nur unterbewusst mit“, so Scharner.

Das Finale werde sicherlich nochmal eine Steigerung. Und vor allem wird es eine Ablenkung vom harten Kampf gegen den Abstieg. Wigan steht zwei Runden vor Schluss auf einem Abstiegsplatz, es braucht Punkte gegen Arsenal und Weimann-Klub Aston Villa, um in der Premier League zu bleiben.