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Bradford will auch im Finale jubeln

Bradford will auch im Finale jubeln

Cup-Bewerbe leben von den Märchen der Underdogs, vom Duell David gegen Goliath, vom Mythos der besonderen Fußballmomente.

Wenn am Sonntag Swansea City im Wembley Stadion zum Finale des League Cup antritt, könnte man meinen, dem walisischen Klub kommt die Rolle des Außenseiters zu.  Der Premier-League-Mittelständler geht allerdings als großer Favorit in die Partie, steht ihm doch mit Bradford City ein relativ unbekannter Viertligist mit bewegter Historie gegenüber. Wir haben uns den Außenseiter etwas genauer angesehen.

Viertligist in der Europa League?

Die Engländer wissen nur zu gut um das besondere Flair der Cup-Bewerbe und so gönnt man sich im Mutterland des Fußballs derer gleich mehrere. Seit 1961 wird der League Cup, aktuell nach einem Finanzdienstleister Capital One Cup benannt, ausgespielt. Dem Sieger winkt ein Startplatz in der Europa League, Bradford City könnte in der kommenden Saison also als Viertligist die europäische Bühne betreten.

Klub-Boss Mark Lawn schiebt diesem Traum gegenüber der „Sun“ allerdings bereits einen Riegel vor. Auch wenn man berechtigt wäre, international zu spielen, würde man aufgrund der finanziellen Belastung darauf verzichten. „Ich bezahle nicht dafür, um in Europa spielen zu dürfen“, so Lawns Kommentar.

„Curry-Capital“ Bradford

Das in der nordenglischen Grafschaft West Yorkshire gelegene Bradford beheimatet knapp 300.000 Menschen. Die Bevölkerung ist stark von Zuwanderern geprägt. So weist die Stadt, die sich zehn Kilometer von Leeds entfernt befindet, den höchsten Anteil an pakistanischstämmigen Einwohnern in ganz Großbritannien auf.

Zudem haben zahlreiche Einwanderer aus Bangladesch und Indien in Bradford ihre neue Heimat gefunden, was der Stadt den Beinamen „Curry Capital“ einbrachte. Mit dem aus Bangladesch stammenden Mohammed Ajeeb stellte Bradford 1985 auch den ersten asiatischstämmigen Bürgermeister Großbritanniens.

Wirtschaftlich fristete Bradford lange Zeit ein Schattendasein. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Region mit den Nachbarstädten Halifax und Huddersfield aber zum Zentrum der industriellen Wollverarbeitung.

Wie Bradford zu den „Zwerghühnern“ wurde

Zu Beginn als Rugby-Klub gegründet, wandte man sich  1903 dem Fußball zu und trat fortan als Bradford Association Football Club auf.

Seinen Spitznamen „The Bantams“ (die Zwerghühner) hat der Verein der Legende nach einem Missgeschick im Jahre 1911 zu verdanken. Auf dem Weg zum FA-Cup-Finale gegen Newcastle United wurde ein Huhn von Brandfords Mannschaftsbus erfasst.

Nachdem durch ein 1:0 im Wiederholungsspiel (das erste Spiel endete 0:0) der FA-Cup-Sieg eingefahren werden konnte, entschloss sich Bradford dazu, dem tierischen Opfer zu gedenken und sich „The Bantams“ zu nennen. Zudem fand das Huhn Eingang in das Klub-Wappen.

Die Final-Coaches: Laudrup und Parkinson

Der FA-Cup-Triumph blieb bis heute der größte Erfolg von Bradford City. Von den 1940er bis in die 1980er Jahre dümpelte man in der Third und Fourth Division herum. 1999 schaffte Bradford zum bislang letzten Mal den Sprung in die Premier League.

Nach zwei Spielzeiten im englischen Oberhaus mussten die „Bantams“ allerdings absteigen, gerieten in der Folge in finanzielle Probleme und standen 2003 und 2004 vor dem Bankrott. Aufgrund eines strikten Sparkurses stieg man bis in die vierte Liga ab.

Der Dalai Lama drückt die Daumen

Bradford spielt traditionell in weinrot-bernsteinfarben gestreiften Trikots und schwarzen Hosen. Eine Kombination, die in England einmalig ist und stark polarisiert. So schaffte es das Brandford-Dress kurioserweise, in einem Jahr sowohl zum schönsten, als auch zum hässlichsten Trikot gewählt zu werden.

Die Farbkombination, die der Robe der buddhistischen Mönche ähnelt, machte aber selbst den Dalai Lama zum Fan. Der bekam im Vorjahr auf einer Konferenz in Yorkshire ein Trikot geschenkt. Vor dem Finale meldete sich der Nobelpreisträger in einem Schreiben und wünscht „Erfolg für das große Spiel“.

Die Heimspiele werden seit 1903 im 1886 eröffneten Valley Parade ausgetragen. Sponsor Coral Windows leiht dem Stadion, das heute 25.136 überdachte Sitzplätze beherbergt, seinen Namen.

Nachdem Stadtrivale Bradford Park Avenue 1974 aufgelöst und 1988 unterklassig neu gegründet wurde, gelten Leeds United, Huddersfield Town und Halifax Town als größte Kontrahenten der „Bantams“.

Das teuerste Tackling der Geschichte

Der ehemalige Bradford-Stürmer Gordon Watson erlangte 1998 einen Eintrag in die Geschichtsbücher, auf den er wohl gerne verzichtet hätte. Der damals teuerste Einkauf der Vereinshistorie (550.000 Pfund) wurde am 1. Februar  1997 in seinem erst dritten Spiel für die „Bantams“ von Huddersfields Kevin Gray böse gefoult. Bei der Attacke erlitt Watson einen doppelten Beinbruch.

Es brauchte fast zwei Jahre und fünf Operationen, ehe Watson auf das Spielfeld zurückkehren konnte. Vor Gericht erstritt er 950.000 Pfund an Schmerzensgeld und Verdienstentgang-Entschädigung. Das Tackling am Bradford-Angreifer ging als teuerstes Tackling in die britische Fußball- und Justizgeschichte ein.

Valley-Parade-Katastrophe

Traurige Bekanntheit wurde Bradford aber bereits 1985 zuteil. Eine Woche nachdem die Meisterschaft und damit seit 1937 die erstmalige Rückkehr in die Second Division (damals Englands zweithöchste Liga) fixiert wurde, sollte das Heimspiel gegen Lincoln City der krönende Abschluss der Saison werden. Die Partie endete allerdings in einer Katastrophe.

Über 11.000 Zuschauer strömten am 11. Mai 1985 in das Valley-Parade-Stadion. Auf einer alten Holztribüne, die nach der Saison durch neue Zuschauerränge aus Stahl und Beton ersetzt werden sollte, fanden 3.000 Fans Platz. Eine ausgedrückte Zigarette fiel durch einen Spalt zwischen den Tribünenstufen auf Papierabfälle, die unter der Tribüne gelagert wurden. Angefacht von starkem Wind stand innerhalb von vier Minuten die gesamte Tribüne unter Flammen.

Der Großteil der Zuschauer suchte die Flucht nach vorne auf das Spielfeld. Viele konnten die Mauer, die Platz und Zuschauerraum trennte nicht überwinden und versuchten, dem Inferno durch die Hinterausgänge der Tribüne zu entkommen. Vermutlich blockierten die Drehkreuze den Fluchtweg, die Notausgänge wurden vor dem Spiel geschlossen – ein verhängnisvoller Fehler. 56 Menschen fanden in der Flammenhölle den Tod, 265 kamen mit Verletzungen davon.

Endlich wieder positive Schlagzeilen

In dieser Saison brachte sich Bradford mit sportlichen Leistungen wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Trainiert wird die Mannschaft von Phil Parkinson.  Der ehemalige Mittelfeldspieler verbrachte den Großteil seiner aktiven Karriere beim FC Reading. Als Trainer arbeitet der heute 45-Jährige bereits bei Hull City und Charlton Athletic.

Große Namen sucht man in der Vita des Viertligisten vergebens. Ex-Nationalspieler Chris Waddle stellt mit einem Engagement in der Saison 1996/97 die bekannteste Personalie dar, die das Bradford-Trikot trug. Chelsea-Ersatzkeeper Ross Turnbull absolvierte 2004 zwei Spiele für die „Bantams“. Über Premier-League-Erfahrung verfügt Torwart Matt Duke, der für Hull zwischen den Pfosten stand.

Bradford freut sich auf das Finale

In der League Two liegt Bradford derzeit auf Rang elf. In Topform präsentierte sich das Team zuletzt nicht, das Spiel gegen den Tabellenvorletzten AFC Wimbledon ging am vergangenen Wochenende  1:2 verloren.

Top-Torschütze ist Nahki Wells. Der 22-Jährige von den Bermudas traf in 27 Liga-Partien 14 Mal. Im League Cup trug er sich bislang drei Mal in die Schützenliste ein.

Riesentöter und Last-Minute-Spezialist

Der League Cup bescherte den „Bantams“ in dieser Saison allerdings so manch dramatische Begegnung. Bereits in Runde eins ging es beim Drittligisten Notts County in die Verlängerung. Gegen den FC Watford (Championship) kam man durch zwei späte Tore zu einem 2:1-Auswärtssieg.

Vor heimischem Publikum lag Bradford gegen Liga-Konkurrent Burton Albion bereits 0:2 zurück, ein Wells-Doppelpack in den letzten sieben Minuten hievte die „Bantams“ in die Verlängerung, wo man sich abermals durchsetzte.

Bei Premier-League-Klub Wigan Athletic musste Bradford erstmals ins Elfmeterschießen. 120 torlosen Minuten folgte ein 4:2-Sieg vom Punkt.

Eine noch größere Sensation lieferte das Viertelfinale gegen den FC Arsenal. Lange lag Bradford in Führung, ehe Vermaelen kurz vor Schluss den Ausgleich besorgte. Der „Gunners“-Kapitän scheiterte im Elfmeterschießen aber ebenso wie Cazorla und Chamakh. Brandford siegte 4:3.

Traum wird wahr

Im Halbfinale, das in Hin- und Rückspiel ausgetragen wird, stellte sich Aston Villa als letzte Hürde zwischen die „Bantams“ und das Endspiel in Wembley. Zuhause gewann Brandford 3:1, ÖFB-Legionär Andreas Weimann wahrte mit seinem Treffer die Aufstiegschance für Aston Villa. In Birmingham schoss Weimann sein Team spät zum 2:1-Sieg, den Aufstieg feierte aber der Viertligist.

Keeper Duke fasste seine Freude nach dem Finaleinzug in Worte: „Wenn du als Kind anfängst Fußball zu spielen, träumst du davon, eines Tages in Wembley zu spielen." Für den 35-Jährigen und die „Zwerghühner“ geht dieser Traum nun in Erfüllung und Brandford hat die Chance, sich ein weiteres Mal in die Fußball-Geschichtsbücher einzutragen.

Diesmal mit einer positiven Schlagzeile.

 

Christoph Kristandl