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Gladbach gegen Bayern ist wieder ein Spitzenspiel

Gladbach gegen Bayern ist wieder ein Spitzenspiel

Y.M.C.A., Kung Fu Fighting, Daddy Cool und Waterloo waren Hits der 70er Jahre. Die Village People, Carl Douglas, Boney M. und ABBA ihre Interpreten. Ein weiterer Hit aus dieser längst vergangenen, bunten Zeit: Gladbach vs. Bayern.

Im vierten Jahrzehnt nach dem Beginn einer großen Rivalität, scheint sich die Borussia vom Bökelberg wieder in die Sphären des Rekordmeisters hochgearbeitet zu haben. Gladbach ist Bayern-Jäger Nummer eins, auch wenn man sich selbst (noch) nicht so sieht. Fakt ist aber, wenn die Fohlenelf am Sonntag den FC Bayern empfängt, dann ist das wieder ein Schlager, ein Spitzenspiel, ein Retro-Hit.

Der erste große Schlager

In der noch jungen Bundesliga entwickelte sich in den 70er Jahren zwischen Gladbach und Bayern der erste große Schlager ihrer Geschichte. Von 1970 bis 1977 ging der Titel nur an diese beiden Teams, die Borussia fuhr fünf Mal die Meisterschale ein, der FCB war drei Mal erfolgreich.

Der legendäre Hennes Weisweiler formte am Bökelberg eine Truppe, die zur ersten dominanten Mannschaft Deutschlands wurde und die auch international für Furore sorgte. Berti Vogts, Günther Netzer, Jupp Heynckes und Uli Stielike hießen u.a. die Stars dieser Generation. 

Die Bayern standen am Beginn ihrer Zeit im Olympia-Stadion, mit dessen Eröffnung die finanzielle Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz eingeleitet wurde. Für die Münchner schnürten damals Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Gerd Müller oder "Katsche" Schwarzenbeck die Schuhe.

Man lieferte sich enge Kämpfe um die Vormachtstellung in Deutschland, die nicht selten erst am letzten Spieltag entschieden wurden. Wie etwa 1976/77, als die Fohlenelf ausgerechnet mit einem 2:2 in München ihren fünften und bislang letzten Meistertitel fixierten  

Prägende Trainer

Einer der diese Zeit gemeinsam mit Weisweiler prägte war Udo Lattek. Der achtfache deutsche Meistertrainer war erst als Coach der Bayern Gegenspieler und schnappte sich 1972 bis 1974 dreimal den Titel. Nach Weisweilers Abgang zum FC Barcelona wechselte er ausgerechnet zum Konkurrenten an den Rhein und holte sich mit Gladbach zwei Meisterschaften.

Auch in der aktuellen Ära sind es die Trainer, die ihrer jeweiligen Mannschaft den Stempel aufdrücken. Pep Guardiola schießt mit dem FCB alles in Grund und Boden, arbeitete ständig daran, seinem Team neue taktische Varianten beizubringen.

Lucien Favre auf der Gegenseite formte aus dem Abstiegskandidaten, den er 2011 übernahm, ein Team, das konstant um die Europacup-Plätze spielt. Mit taktischer Disziplin brachte er die Borussia auf Kurs. Zuletzt holte er sich mit guten Transfers nicht nur Breite in seinen Kader, sondern merzte auch gezielt eine Schwäche der Vorsaison aus, indem er durch Spieler wie Hahn, Traore und Johnson Schnelligkeit ins Spiel brachte. Favre hat sich in seinen Jahren in der Bundesliga einen Namen gemacht, gilt als einer der Besten seiner Zunft, weil er es schafft, seine Teams weiterzuentwickeln.

"Sind nicht Bayern-Jäger Nummer eins"

Auch Guardiola ringt das Respekt ab. "Gladbach ist eigentlich ein Champions-League-Klub", sagt der Spanier vor der Partie und verweist auf die neun Spiele andauernde Schwäche-Periode ohne Sieg, nur deretwegen die Borussen in der Vorsaison einen Platz in der Königsklasse verpassten.

Die alten Schlachten, die die beiden Klubs ausgetragen haben, sind ihm allerdings kein Begriff. "Ich bin jung", so seine ebenso kurze wie einleuchtende Erklärung.

Was zählt ist aber ohnehin nur das hier und jetzt. In diesem präsentiert sich Gladbach als Bayern-Jäger Nummer eins - auch wenn man sich selbst nicht so sieht.

"Bayern will noch keinen Spieler von uns. Normal werdern wir erst ernst genommen, wenn Bayern Spieler von uns attackiert. Das ist meines Wissens noch nicht der Fall, deswegen sind wir noch nicht Bayern-Jäger Nummer eins", meint Sportdirektor Max Eberl scherzhaft und kann sich damit einen Seitenhieb auf die bayrische Transferpolitik nicht verkneifen.

Borussia in historischer Form

Die Zahlen sprechen aber eine deutliche Sprache. Gladbach ist, wie Bayern, Hoffenheim und Mainz in dieser Spielzeit noch ungeschlagen. Die ersten 13 Pflichtspiele einer Saison blieb man zuletzt 1970/71 ohne Niederlage, konnte diese Serie damals sogar auf 17 ausbauen und am Ende den Meistertitel feiern.

Zuhause war die Fohlenelf zuletzt immer ein harter Brocken für den Rekordmeister. Seit dem Jahrtausendwechsel verlor die Borussia nur drei ihrer zwölf Bundesliga-Heimspiele, insgesamt gab es für die Bayern auswärts in 46 Partien nur elf Siege.

Über die Form der Bayern muss man nach der 7:1-Gala in der CL bei der Roma ohnehin keine Worte verlieren, Gladbachs 5:0-Kantersieg in der Europa League gegen Limassol war ebenso beeindruckend. Bestens in Schuss sind also beide Teams.

Vier Punkte trennen Bayern und Gladbach vor der direkten Begegnung. Dem 93. Duell in der Bundesliga, dem ersten seit über 40 Jahren, in das die beiden Rivalen als Spitzenduo gehen. Bleibt abzuwarten, wie lange sich das Cover dieses alten Gassenhauers in der Hitparade Bundesliga halten wird.

 

Christoph Kristandl