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"Es gibt in Österreich leider kein Mittelding"

In Stuttgart reiben sie sich noch immer die Hände. Oder schon wieder.

Läppische 300.000 Euro mussten die VfB-Verantwortlichen im Sommer 2010 an Werder Bremen überweisen, um Martin Harnik (aktueller Marktwert rund 5,5 Mio. Euro) an den Neckar zu lotsen.

Und das Geschäft hatte sich schon nach der ersten Saison mehr als rentiert.

Mit 17 Pflichtspieltreffern war der 24-Jährige Stuttgarts bester Torschütze und rettete die Schwaben so vor dem Abstieg.

Aber der ÖFB-Legionär ruht sich darauf nicht aus. Er will noch mehr.

Was er gleich zum Auftakt beim 3:0 gegen Schalke 04 mit einem Tor unter Beweis stellte.

Im LAOLA1-Interview spicht Harnik über seine Wandlung vom Joker zum Führungsspieler, seine rechtzeitige Erkenntnis und die Schwarz-Weiß-Sicht in Österreich.

LAOLA1: Martin, 3:0 gegen Schalke - ein perfekter Auftakt. War das so zu erwarten?

Martin Harnik: Die Zeichen standen vor dem Spiel schon auf Sieg, durch die gute Vorbereitung, das fertige Stadion und die fantastische Stimmung in der Arena. Wir hatten natürlich auch die Stadioneröffnung im Kopf und wollten nicht die Stimmung vermiesen. Ich glaube, wir haben jetzt eine richtige Festung zu Hause.

LAOLA1: Der VfB hat heuer keine Dreifach-Belastung durch den Europacup. Könnte das zum großen Vorteil werden?

Harnik: Wir hätten schon lieber die Dreifachbelastung gehabt, weil es immer schön ist, international zu spielen. Ich denke aber nicht, dass es heuer wieder ähnliche Überraschungen geben wird, wie vergangene Saison. Letztes Jahr wirkte die WM noch nach, das fällt jetzt weg. Die Top-Vereine werden wieder ganz oben sein.

LAOLA1: Was traust du dem VfB zu?

Harnik: Ich traue uns vieles zu, aber es muss auch vieles passen. Wir sollten nicht übermütig werden, da wir ein sehr schlechtes Jahr hinter uns haben. Wir konzentrieren uns mal auf einen einstelligen Tabellenplatz und schielen mit einem Auge auf das internationale Geschäft.

LAOLA1: Du hast gleich gegen Schalke getroffen und an deine guten Leistungen aus dem Vorjahr angeknüpft. Fühlst du dich als richtiger Führungsspieler, obwohl du erst seit einem Jahr beim VfB bist?

Harnik: Ich denke, dass im heutigen Fußball jeder Verantwortung übernehmen muss. Ich habe diesbezüglich in den letzten Jahren einiges dazu gelernt und weiß, was ich in gewissen Situationen tun muss.

LAOLA1: Wie schätzt du deine Rolle im Team ein?

Harnik: Ich muss primär an die Leistungen aus dem Vorjahr anschließen. Mit den Leistungen habe ich mir einen gewissen Respekt erarbeitet, den muss ich nun bestätigen. Wichtig ist, dass ich mich im Gesamten weiterentwickle.

LAOLA1: Wie würdest du deine Entwicklung in den letzten Monaten generell beurteilen?

Harnik: Ich habe im Prinzip dort weitergemacht, wo ich in Düsseldorf aufgehört habe. Es waren zwei tolle Jahre, die ich jetzt hinter mir habe. Und durch die schwierige Situation in Stuttgart habe ich mich noch einmal weiterentwickelt.

Harnik ist von Holzhauser begeistert

LAOLA1: Beim VfB sind mit Raphael Holzhauser und Kevin Stöger zwei hoffnungsvolle Talente in der zweiten Mannschaft. Bist du als Landsmann da der erste Ansprechpartner?

Harnik: Ich gebe mir zumindest Mühe. Aber die beiden sind sehr gut integriert und bringen sich sehr gut ein. Sie halten sich nicht zurück, sind aber trotzdem respektvoll. Im Prinizp brauchen sie meine Tipps gar nicht.

LAOLA1: Was traust du ihnen zu?

Harnik: Raphael ist ein ganz großes Talent, der mit seiner Größe und seinem Spielverständnis gute Anlagen hat. Er muss in der Zweikampfführung noch zulegen, da er seinen Körper noch nicht so einsetzt, wie er es könnte. Kevin kenne ich noch nicht so gut, er hat mich in der Vorbereitung aber positiv überrascht. Er hat einen starken linken Fuß und ist körperlich trotz seiner geringen Körpergröße top.

LAOLA1: Die fußballerischen Fähigkeiten sind das eine, die charakterlichen das andere. Wie schätzt du die beiden ein?

Harnik: Sie sind da schon eher die Bodenständigen. Aber sie haben auch den nötigen Ehrgeiz und die nötige Frechheit. Charakterlich wird sich bei beiden sicher noch etwas tun, sie haben ihre Entwicklung nicht abgeschlossen.

LAOLA1: Es gab nach deinem Wechsel zu Düsseldorf auch kritische Stimmen. Muss man ab und zu einen Schritt zurück machen, um wieder zwei nach vorne gehen zu können?

Harnik: Man weiß immer erst im Nachhinein, ob es der richtige Schritt war. Es ist auf jeden Fall nicht so einfach, einen Schritt zurück zu machen und sich einzugestehen, dass man für die erste Bundesliga noch nicht so weit ist. Bei mir ist es zum Glück voll aufgegangen. Das habe ich auch Fortuna Düsseldorf zu verdanken. Ich bin dort in die Rolle des Führungsspielers reingewachsen.

LAOLA1: Hast du in den letzten Jahren auch einmal an dir bzw. an deinem Weg gezweifelt?

Harnik: Die Monate in Bremen als Rechtsverteidiger waren schon hart. Sie haben mir jedoch auch gezeigt, dass man alles dafür tut, um Fuß zu fassen. Aber es war einfach nicht meine Position. Im Nachhinein war es eine blöde Entscheidung, das zu machen. Doch es dauert eben, bis man sich eingesteht, dass man vielleicht eine Liga tiefer muss.

LAOLA1: Hättest du Bremen schon früher verlassen sollen?

Harnik: Nein, das denke ich nicht. Ich habe mich auch in den dreieinhalb Jahren in Bremen weiterentwickelt. Es war halt eine On-Off-Beziehung zwischen den Profis und den Amateuren. Ein Jahr länger hätte ich nicht bleiben dürfen.

LAOLA1: Hast du mit deinem schnellen Durchbruch in Stuttgart gerechnet?

Harnik: Es wäre schon etwas größenwahnsinnig gewesen, wenn ich als Zweitliga-Spieler davon geträumt hätte, dass ich bester VfB-Torschütze werde. Aber ich bin auch nicht nach Stuttgart gekommen, um ein Jahr auf der Bank zu sitzen und einfach mitzulaufen. Ich wollte meine eigenen Akzente setzen und das ist mir zum Glück gelungen.

LAOLA1: War es auch ein Vorteil, dass du als Schnäppchen nicht so viel Druck hattest?

Harnik: Ich weiß nicht wie es ist, wenn man als 8-Millionen-Neuzugang kommt. Keine Ahnung, wie groß der Druck dann ist. Für mich war es schon angenehm, dass ich von der Ablöse her keine Belastung für den Verein war. Das Wort Schnäppchen war für mich daher ein schöner Titel.

LAOLA1: Während es für dich persönlich gut gelaufen ist, kämpfte die Mannschaft gegen den Abstieg. Hast du versucht, die Stimmung zu heben?

Harnik: Wenn man zwei Tore gegen die Bayern schießt und trotzdem 3:5 verliert, ist es nicht einfach, die anderen mitzureißen. Fußball ist eben ein Mannschaftssport – da gewinnst du gemeinsam und verlierst gemeinsam. Daher war es eigentlich nebensächlich, wie meine persönliche Entwicklung voranschreitet. Es war nur wichtig, dass wir in der Liga bleiben. Die Saison lief für mich ganz gut, aber genießen konnte ich sie nicht.

LAOLA1: Du rückst am Montag wieder ins Nationalteam ein. Wie tief sitzt der Stachel nach der knappen Deutschland-Niederlage noch, dass der EM-Zug für Österreich quasi schon abgefahren ist?

Harnik: Er sitzt nicht so tief, weil wir den EM-Zug nicht im Spiel gegen Deutschland verpasst haben. Wir haben ihn davor gegen Belgien und Türkei verpasst. Das müssen wir uns selbst ankreiden und daraus lernen. Aber die Spiele gegen Deutschland und Lettland geben mir Hoffnung.

LAOLA1: Warum schafft es das Team nicht, bei genau diesen entscheidenden Partien auf dem Punkt zu sein?

Harnik: Es war generell keine allzu gute Qualifikation von uns. Die Deutschland-Partie und mit Abstrichen das Spiel in Belgien waren okay, aber die beiden Siege gegen Kasachstan und Aserbaidschan waren auch eher mit Ach und Krach. Wir waren alles andere als souverän. Klar, haben wir von der Qualifikation geträumt, aber verdient haben wir sie nicht.

LAOLA1: Hat Österreich auch ein Mentalitätsproblem?

Harnik: Bei uns gibt es eben nur die Schwarz-Weiß-Sicht. Entweder wir sind schon fast bei der EM, wie nach dem 4:4 in Belgien. Oder wir können schon unsere Koffer packen, wie nach dem 0:2 gegen Belgien. Es gibt in Österreich leider kein Mittelding. Wir dürfen uns aber nicht auf die Öffentlichkeit konzentrieren, sondern auf uns selbst.

LAOLA1: Was muss konkret besser werden?

Harnik: Wir müssen einfach an die letzten beiden Spiele gegen Deutschland und Lettland anknüpfen. Das war spielerisch teilweise schon sehr ansehnlich. Können wir das dauerhaft umsetzen, dann sieht es auch wieder besser aus.

LAOLA1: Es gibt immer wieder Kritik an Teamchef Constantini. Wie stehst du dazu?

Harnik: Das hat ja nichts mit Didi Constantini zu tun, sondern liegt an der Position des Teamchefs. Wenn ein Ziel nicht erreicht wird oder Spiele verloren werden, ist es klar, dass zuerst der Trainerstuhl wackelt.

LAOLA1: Constantini wird aber darüber hinaus vorgeworfen, dass er auf Taktik keinen oder wenig Wert legt.

Harnik: Das ist von außen immer leicht gesagt. Wir treffen uns vor Spielen oft nur vier Tage davor, kommen aus 15 verschiedenen Vereinen und spielen insgesamt sieben verschiedene Taktiken. Das musst du dann als Teamchef zusammenführen können. Aus meiner Sicht ist ein Aufschwung zu erkennen und dazu trägt Didi Constantini genauso viel bei wie die Mannschaft.

Das Interview führten Kurt Vierthaler und Christoph Nister