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"Ich musste den nächsten Schritt wagen"

Die Überraschung ist Pep Guardiola gelungen, am 5. April des vergangenen Jahres. Kaum jemand konnte mit dem jungen Österreicher etwas anfangen, den der Bayern-Trainer beim Bundesligaspiel in Augsburg plötzlich, einen Tag vor dessen 20. Geburtstag, in die Startelf stellte: Ylli Sallahi.

Die durchgewürfelte bayrische B-Elf unterlag 0:1, womit der bereits feststehende Meister nach 53 BL-Partien erstmals wieder ohne Punkte den Platz verließ.

Kein optimales Debüt für Sallahi, dessen 51-minütiger Einsatz sein einziger für die Münchner Profi-Mannschaft bleiben sollte und der damit wohl einer der wenigen Spieler ist, der im FCB-Trikot eine negative Bilanz aufweist.

In der Bundesliga konnte sich der Linksfuß, der im Jänner 2011 vom Kapfenberger SV in die Jugendabteilung der Bayern wechselte, ob der großen Konkurrenz nicht durchsetzen und erkannte die Notwendigkeit eines Vereinswechsels.

Der nächste Schritt musste folgen

"Ich habe selber gemerkt, dass ich den nächsten Schritt wagen muss", erklärt Sallahi gegenüber LAOLA1 seine Entscheidung, im Winter zum Karlsruher SC in die 2. Bundesliga zu gehen.

"Ich bin ja auch schon 20. Ein Talent ist man mit 17, 18, vielleicht noch mit 19. Deswegen habe ich mir gedacht, ich muss etwas ändern", spricht er an, was international die übliche Sichtweise ist, sich in Österreich aber erst langsam durchsetzt: In diesem Alter musst du bereits regelmäßig spielen.

An Angeboten mangelte es nicht, wie Sallahi bestätigt. "Ich habe mit vielen Vereinen gesprochen und viele Meinungen gehört. Mit dem KSC gab es aber sehr positive Gespräche und es war schnell klar, dass ich mich hier weiterentwickeln kann", erläutert er, warum er bis 2018 bei den Badenern unterschrieb, wo einst Oliver Kahn, Mehmet Scholl und zahlreiche andere ihren Durchbruch schafften. 

Richtungsweisende Entscheidung

Mit seinem Abgang reiht sich Sallahi in die Riege der jungen Österreicher ein, die sich in den letzten Jahren vom großen FCB abnabelten. Es gibt positive Beispiele, wie etwa Alessandro Schöpf, der vor dieser Saison ebenfalls den Schritt in die 2. Liga machte und beim 1. FC Nürnberg zu den Leistungsträgern und wenigen Lichtblicken zählt.

Die Karriere-Verläufe beispielsweise von Christoph Knasmüllner, Kevin Friesenbichler oder Oliver Markoutz zeigen aber auch, dass es selbst für bei Bayern top-ausgebildete Jungkicker nicht immer einfach ist, im Profigeschäft Fuß zu fassen.

"Man kommt bei einem Wechsel schon öfters ins Grübeln. Man sieht ja, wie es den Kollegen ergeht", gibt Sallahi zu. "Ich habe nicht so sehr Wert auf den Namen gelegt oder darauf, unbedingt ins Ausland zu gehen. Wenn man sich weiterentwickeln will, braucht man eine gute Mannschaft, wo die Basis vorhanden ist und mit der man vielleicht etwas erreichen kann, wo Fußball gelebt wird - und das ist beim KSC absolut der Fall. Das war letztendlich das Ausschlaggebende."

Die Frage einer möglichen Rückkehr nach Österreich stellte sich für Sallahi nicht. "Nein", meint er entschieden. Unweigerlich fühlt man sich dabei an Aussagen von Kevin Wimmer ("Österreich sollte man, solange es geht, vermeiden"; Die Welt) oder Terence Boyd ("Ich will einfach hier raus") erinnert, die keinen Hehl aus dem Attraktivitäts-Mangel der heimischen Bundesliga machten.

"Für mich war eigentlich immer Deutschland das einzige Thema, weil ich mich hier am besten weiterentwickeln kann", stand für Sallahi ein Verbleib im Land des Weltmeisters im Fokus. 

Österreich als Herzensangelegenheit

Als 21. ÖFB-Kicker in der 2. Bundesliga - und bei zahlreichen Legionären im Oberhaus - bestätigt der Flügelspieler aber, dass der Stellenwert des österreichischen Fußballs in Deutschland zunimmt. Die vielen Aufeinandertreffen mit seinen Landsleuten sind zudem etwas Besonderes:

"Man kennt viele Namen und es ist immer wieder lustig alle zu treffen. Viele von uns haben ja auch zusammengespielt, gegen Nürnberg treffe ich etwa auf Schöpfi, klar freut man sich auf diese Duelle."

Schöpf dürfte Sallahi auch Ende März begegnen, wenn das U21-Nationalteam in die Qualifikation zur EM 2017 startet. Dann könnten auch seine ersten Pflichtspiele im ÖFB-Trikot anstehen.

"Da gelte ich ebenso als neuer Spieler. Das Standing als 2.-Liga-Spieler des KSC ist ganz schön, aber beim Team muss ich mir auch alles erarbeiten und das versuche ich bei jedem Lehrgang", gibt sich Sallahi bescheiden. Erst im vergangenen November feierte er beim Vier-Nationen-Turnier auf Zypern sein Debüt.

Phasenweise sollen vier Nationen an ihm interessiert gewesen sein. "Wenn ich ehrlich bin, hat es sich zwischen Albanien und Österreich entschieden. Letztlich habe ich auf mein Herz gehört", sagt Sallahi, der in Skenderaj, im heutigen Kosovo, das Licht der Welt erblickte. "Ich bin zwar nicht in Österreich geboren, aber aufgewachsen, habe hier alles gelernt, alles gelebt und eine schöne Zeit gehabt, deswegen habe ich mich dann auch für Österreich entschieden."

Späte Einberufung zur U21

Ob der konsequnten Nicht-Berücksichtigung von U21-Teamchef Werner Gregoritsch befürchtete man schon, dem ÖFB könnte ein Spieler mit Potenzial durch die Finger rutschen.

Warum es erst vor wenigen Monaten mit einer Nominierung klappte, kann sich Sallahi jedenfalls nicht erklären. "Das weiß ich selber eigentlich nicht wirklich. Ich habe meine Leistungen gebracht, habe die B-Jugend, also die U17, bei Bayern übersprungen und bin gleich in der A-Jugend eingestiegen. Nach ein paar Jahren bei den Amateuren war ich auch ein halbes Jahr bei den Profis - so schlecht können die Leistungen also nicht gewesen sein. Darüber habe ich mir aber keinen Kopf gemacht."

Ylli Sallahi mit Michael Gregoritsch

An einem persönlichen Problem zwischen ihm und Gregoritsch sei es nicht gelegen, meint Sallahi. Die beiden kennen sich noch aus gemeinsamen Kapfenberger Tagen, 2009 saß Sallahi unter Trainer Gregoritsch in der 36. Runde gegen Rapid als damals 15-Jähriger sogar in der Bundesliga auf der Bank. Für mehr reichte es beim KSV dann aber nicht.

"Vielleicht gab es damals ein bisschen ein Missverständnis, wenn man es so nennen kann", sagt Sallahi, ohne näher darauf eingehen zu wollen: "Das ist schon vier, fünf Jahre her, das habe ich schon wieder halb vergessen." 

"Aber ich glaube nicht, dass das irgendetwas geändert hat. Die U21 war auch gut drauf, das hat man gesehen, darum wollte man wahrscheinlich nichts ändern", so die Erklärung des Legionärs.

Mit Karlsruhe in die Bundesliga?

Kann sich Sallahi beim KSC etablieren, ist die U21 des ÖFB aber wohl ohnehin nur eine kurze Zwischenstation auf dem Weg zum A-Team.

Die linke Seite ist das Arbeitsfeld des 20-Jährigen, der sowohl in offensiver Rolle am Flügel agieren kann, wie er es bei den ersten beiden Frühjahrsspielen in der KSC-Startelf machte, als auch in der Viererkette.

"Natürlich spielt man immer lieber etwas weiter vorne, das ist bei mir auch so. Aber wo ich der Mannschaft am meisten helfen kann, entscheidet natürlich der Trainer", sagt Sallahi über seine Präferenz.

Da David Alaba im Team von Marcel Koller zentral die Fäden zieht, sind links defensiv hinter Kapitän Christian Fuchs die Alternativen überschaubar vorhanden. Offensiv ist ein Backup für Marko Arnautovic nicht in Stein gemeißelt.

Vielleicht eine Chance für Sallahi. Vor allem, wenn er nächste Saison in der Bundesliga auflaufen würde. Als Dritter liegt der KSC derzeit auf dem Relegationsplatz, der Aufstieg wäre die Krönung der Arbeit von Trainer Markus Kauczinski. Das KSC-Urgestein führte die Karlsruher zurück in die 2. Liga und holte in der Vorsaison auf Anhieb Platz fünf.

Noch ist das Thema im Wildpark aber nicht wirklich präsent. "So weit denken wir als Mannschaft noch nicht", versichert Sallahi und haut einen Fußballer-Klassiker raus: "Wir denken von Spiel zu Spiel."

Einen Schritt nach dem anderen machen, lautet also das Credo. Das gilt für den KSC genauso, wie für Sallahi.

 

Christoph Kristandl