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Ein Spätzünder mit Knall(er)-Effekt

Ein Spätzünder mit Knall(er)-Effekt

Was für ein Knaller!

Mit diesem Nachnamen ist das eine oder andere Wortspiel vorprogrammiert. Bisher wurden diese allerdings nur selten angewandt.

Denn die Karrieren von Vater Wolfgang und Onkel Walter gehören längst der Vergangenheit an und Sohn bzw. Neffe Marco Knaller wartete bisher vergeblich auf seinen Durchbruch.

Doch plötzlich hat der mittlerweile 28-Jährige, dem das Torhüter-Talent in die Wiege gelegt wurde, den Durchbruch geschafft und ist die klare Nummer eins beim deutschen Zweitligisten SV Sandhausen.

Zwei Mal "Man of the Match", Glanzparaden, außergewöhnliche Leistungen und nur drei Gegentore in den letzten sechs Spielen - Knaller steht derzeit im Fokus und genießt die Anerkennung für das langjährige Hinarbeiten auf den Durchbruch.

Rückschläge gab es ohnehin schon genug. Etwa bei der Ausbootung vor der U20-WM 2007 oder bei der Suspendierung beim WAC - doch darüber will der Keeper vorerst kein Wort verlieren.

Zu positiv sind die Schlagzeilen, die er derzeit schreibt. Das lange Warten scheint sich nun endlich gelohnt zu haben.

Im großen LAOLA1-Interview spricht Knaller über die Gründe für seine derzeitige Explosion im Sandhausen-Tor, das Zweifeln der letzten Jahre, mentale Herausforderungen und seinen Papa als größten Kritiker.

LAOLA1: Was lange währt, wird endlich gut. Beschreibt dieses Motto deinen Durchbruch in Sandhausen derzeit am besten?

Marco Knaller: Das passt! Ich habe echt lange auf meine Chance warten müssen, bisher hat das nicht so gut funktioniert. Ich habe erst 28 Jahre alt werden müssen, dass es klappt. Natürlich hätte ich es mir gerne ein paar Jahre früher gewünscht, aber ich bin froh, dass es jetzt endlich so weit ist.

LAOLA1: Nach zwei Jahren in Sandhausen bist du endlich die Nummer eins. Wie erklärst du dir diesen Wandel? War das schon abzusehen?

Knaller: Wenn ich gespielt habe, habe ich auch in Sandhausen schon sehr gute Leistungen gebracht. Ich habe erst im Sommer meinen Vertrag um ein Jahr verlängert und musste mich erst gegen die zwei Neuen, die gekommen sind, durchsetzen. Wenn Sandhausen jedoch nicht das Vertrauen in mich gehabt hätte und sie eine neue klare Nummer eins geholt hätten, hätte ich mich im Sommer wahrscheinlich anders orientiert.

LAOLA1: Trainer Alois Schwartz kanntest du bereits aus Kaiserslautern. Als du 2013 nach Sandhausen kamst, hast du die ersten Partien gespielt, ehe Manuel Riemann zur Nummer eins der letzten Jahre wurde. Wie weit hat dich das damals zurückgeworfen?

Knaller: Natürlich war es schwer. Vor allem habe ich mir selbst auch nicht viel zu Schulden kommen lassen. Riemann hat aber im Pokal zwei Elfmeter gegen Nürnberg gehalten, woraufhin wir weitergekommen sind. Er ist dann gefeiert worden und der Trainer hatte fast keine andere Wahl, als ihn drin zu lassen. Das war bitter für mich, aber ist Vergangenheit, mit der ich mich eigentlich gar nicht mehr beschäftigen will.

LAOLA1: Würdest du dich prinzipiell als geduldigen Menschen beschreiben oder hätte es für dich schon um einiges schneller gehen können?

Knaller: Es hätte sicher um einiges schneller gehen können. Speziell in jüngeren Jahren ist man immer ungeduldiger. Jetzt die letzten Jahre in Sandhausen war ich schon geduldiger. Aber natürlich habe ich immer gehofft, dass der Durchbruch so schnell wie möglich gelingt.

LAOLA1: Deine Leistungen waren zuletzt herausragend. Wie erklärst du dir selbst diese Explosion?

Knaller: Für mich ist das eigentlich keine Explosion. Ich habe auch die Jahre davor immer schon so trainiert, leider habe ich halt nie die Chance bekommen – zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. Letzte Saison waren es fünf Spiele, als Riemann ausgefallen ist. Die waren auch alle gut. Das einzige, was gefehlt hat, war die Chance, wirklich einmal als Nummer eins in eine Saison zu starten.

Mit Glanzparaden spielte sich Knaller in den Mittelpunkt

LAOLA1: Was war trotzdem das Entscheidende, dass man sich vom Abstiegskandidaten zum derzeit Fünften der 2. deutschen Bundesliga entwickelt hat?

Knaller: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Es sind schon ein paar Neue gekommen, aber einige sind noch verletzt und von der Stammformation hat sich nicht viel verändert. Wir haben auch in den letzten Jahren schon immer eine Mannschaft gehabt, die hinten sehr kompakt steht, meistens wenig zulässt, wenige Tore bekommt und nach vorne schnell umschaltet. Das war das Erfolgsgeheimnis. In den ersten Spielen ist halt auch alles aufgegangen, da waren wir noch dazu extrem effektiv vorne.

LAOLA1: Ein starker Torhüter ist da sehr entscheidend. Wie gehst du damit um, plötzlich so im Fokus zu stehen und derzeit auch in Deutschland begehrter Interview-Partner zu sein?

Knaller: Das ist für mich gar kein großes Thema. Ich genieße es einfach, jede Woche zu spielen - gerade hier in Deutschland, in vollen Stadien. Da wollen viele hin. Das ist einfach geil.

LAOLA1: Du hast angesprochen, dass du mit 28 nicht mehr der Jüngste bist. Stimmt dich die Torhüter-Weisheit, dass in so einem Alter noch die besten Jahre vor einem liegen, zuversichtlich?

Knaller: Hoffentlich ist es so. Ich habe es auf jeden Fall vor, noch mehrere Jahre auf diesem Level zu bleiben. Im Alter lernt man natürlich immer weiter dazu. Es gibt ja Situationen und Abläufe im Fußball, die sich immer wiederholen. Da ist es schon gut, von Vornherein zu wissen, was passiert.

LAOLA1: Wie nahe siehst du dich schon deinem Top-Level und wo siehst du noch das meiste Verbesserungspotenzial?

Knaller: Über Stärken und Schwächen will ich öffentlich gar nicht sprechen. Das sollen andere beurteilen. Ich versuche mich in jedem Training zu verbessern, in allen Bereichen – sowohl in Stärken als auch Schwächen.

LAOLA1: Du hast schon erwähnt, dass es mehrere Rückschläge gab. War es nicht eine enorme mentale Belastung, ob dir überhaupt irgendwann der Durchbruch gelingt?

Knaller: Natürlich zweifelt man daran, und es ist nicht einfach, die Spannung aufrechtzuerhalten, so wie das Ganze über Jahre hinweg gelaufen ist. Wenn man immer wieder alles versucht und sich im Training verbessert, obwohl man weiß, dass man draußen sitzt, gibt es natürlich Phasen, wo es nicht so läuft und man vielleicht den Kopf hängen lässt. Aber ich habe immer weitergemacht und bin letztendlich doch noch dafür belohnt worden. Vor allem mental ist es der größte Scheiß-Job, wenn man nur die Nummer zwei ist.

LAOLA1: Aufgrund deines Vaters, Ex-Profi Wolfgang Knaller, hat es oft geheißen, dass du es möglicherweise einfacher hast als andere. Haben die matten Jahre bewiesen, dass es eigentlich genau das Gegenteil bewirkt hat?

Knaller: Ich denke auch, dass eher das Gegenteil der Fall war. Es sind in der Vergangenheit leider einige Dinge passiert, aber das ist abgehakt. Aber ich habe mich in Deutschland durchgesetzt, wo man den Namen Knaller vorher nicht wirklich gekannt hat. Ich denke das alleine ist schon Bestätigung genug.

LAOLA1: Wie würdest du prinzipiell das Verhältnis zu deinem Vater beschreiben, der ja auch dein schärfster Kritiker sein soll?

Knaller: Das ist sehr gut! Er schaut sich die Spiele auch immer an, wenn er Zeit hat, ansonsten die Zusammenfassungen. Wir analysieren meine Leistungen und er sagt mir, was ich in gewissen Szenen anders oder besser machen hätte können. Das ist auch sehr wichtig. Da hilft er mir extrem. Wir sind natürlich nicht immer einer Meinung, aber das ist doch ganz normal.

LAOLA1: Unterscheiden sich die Analysen deines Vaters gewaltig von jenen des Trainers oder nimmst du die einfach anders wahr?

Knaller: Mein Vater hat ja extrem viel Erfahrung und sieht dann vielleicht noch gewisse andere Dinge. Das ist auf jeden Fall sehr wertvoll für mich persönlich.

LAOLA1: Die Überraschung hielt sich also in Grenzen. Warst du immer davon überzeugt, dass du so stark wie noch nie sein wirst, wenn du die Chance bekommst?

Knaller: Eigentlich schon! Ich habe immer so gearbeitet und nie Zweifel an mir gehabt. Mit der Spielpraxis wird es natürlich immer einfacher. In den ersten drei, vier Spielen merkt man schon, dass noch nicht alles perfekt läuft, aber jetzt ist das überhaupt kein Thema mehr.

LAOLA1: Du wurdest gegen Bielefeld und Lautern vom „kicker“ zum „Man of the Match“ gewählt, erhältst derzeit von allen Seiten positives Feedback. Ist das neben deinem Glauben an dich selbst eine zusätzliche Motivationsspritze?

Knaller: Diese Bestätigung tut natürlich sehr gut. Ich denke sowieso, dass das in Deutschland nie so ein Thema war. Da habe ich einfach einen viel besseren Namen als in Österreich. Da sind leider einige Dinge passiert. Da ist nicht alles so rund gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber ich muss es so nehmen, wie es ist. Ich bleibe in der Gegenwart und schaue da auch nicht mehr zurück.

LAOLA1: Die Statistiken sind beeindruckend. Trotz Aus im Cup gegen Heidenheim bist du zum Elferkiller avanciert, hast in dieser Saison in 16 Pflichtspielen bereits acht Mal zu Null gespielt und nur drei Gegentore in den letzten sechs Spielen erhalten. Was ist dein Erfolgsgeheimnis?

Knaller: Mein Erfolgsrezept war es, dass ich immer so gearbeitet habe – auch vom Kopf her -, als wäre ich schon die Nummer eins. Auch wenn es nicht der Fall war. Es ist einfach wichtig, dass man auf dem Punkt da ist, wenn man reingeschmissen wird. Wenn man dann nicht auf dem Level ist, wird es zum Problem. Dann sagen sowieso alle, dass man zurecht draußen sitzt. Das wollte ich vermeiden. Nebenbei arbeite ich auch noch mit einem Mentaltrainer zusammen.

LAOLA1: Ist das eine Hilfe, auf die du auf keinen Fall mehr verzichten willst?

Knaller: Man kann natürlich nicht genau sagen, ob das hilft oder nicht. Aber ich probiere es auf jeden Fall. Und wenn es nur die letzten zwei, drei Prozent zur Leistung sind, dann hilft es auf jeden Fall weiter.

LAOLA1: Wie groß siehst du trotzdem die Gefahr, dass das Pendel im Falle eines schlechten Spieles wieder ganz in die andere Richtung ausschlägt und du dich erneut hinten anstellen musst?

Knaller: Nein, das denke ich nicht. Ich bringe bis jetzt sehr konstante Leistungen und will das über die ganze Saison durchziehen.

LAOLA1: In Sandhausen ist im Gegensatz zur vergangenen Saison einiges passiert. Inwieweit ist deine Top-Form mit dem Aufwärtstrend deines Vereins verbunden?

Knaller: Das hat natürlich geholfen. Vor allem nach dem 3-Punkte-Abzug war es wichtig, dass wir gleich die ersten Spiele gewonnen haben. Wäre nach zwei, drei Runden noch immer minus drei gestanden, hätte das in den Köpfen wahrscheinlich auch eine größere Rolle gespielt. So war das aber schnell vergessen. Wir wollen so früh wie möglich den Klassenerhalt schaffen. Wenn wir dann unsere gesetzte 40-Punkte-Marke erreicht haben, schauen wir einmal, was noch drin ist. Aber wir haben den kleinsten Etat in der Liga, alles andere wäre übertrieben. Es geht nur über hundert Prozent Leidenschaft und Kampf.

LAOLA1: Wo hast du in deiner Karriere den größten Schritt nach vorne gemacht?

Knaller: In Kaiserslautern habe ich mich schon extrem weiterentwickelt. Vor allem, weil ich davor ein Jahr vereinslos war und nach vielen Verletzungen alles kurz vor dem Ende war. Mein Vater hat damals jeden Tag mit mir trainiert, das war wirklich die schwerste Zeit für mich. Ich lernte aber auch diesen Beruf noch mehr zu schätzen. Beim Probetraining in Lautern bin ich dann belohnt worden, war dann gleichauf mit Kevin Trapp, der heute bei PSG ist, ehe meine Zeit dort nach einer Ellbogenverletzung zu Ende ging. Auch Sandhausen ist extrem wichtig, da ich endlich die Möglichkeit habe, zu spielen.

LAOLA1: Du gehörst zu jenen Spielern, die früh den Weg ins Ausland gesucht haben, genießt dort auch ein anderes Ansehen. War es somit die richtige Entscheidung?

Knaller: Das hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht. Den Namen Knaller hat man in Deutschland bis dahin nicht so gekannt, da habe ich mir einen eigenen machen müssen. In Österreich bin ich natürlich oft mit meinem Vater verglichen worden. Ich habe mit Kaiserslautern bei einem Traditionsverein spielen dürfen, habe dort die Abläufe bei einem deutschen Bundesligisten kennenlernen dürfen. Davon habe ich schon sehr profitiert.

LAOLA1: Sandhausen ist dagegen ein eher kleinerer Verein mit wenig Budget, der anderen Zweitligisten noch ein bisschen hinterherhinkt.

Knaller: Das stimmt, es ist eher ein kleiner Verein. Man muss aber auch sehen, was in den letzten Jahren hier gewachsen ist. Vom Stadion über die Trainingsplätze machen sie immer mehr Fortschritte. Das ist schon toll, was sie auf die Beine stellen. Man kann sich dort auf das Wesentliche konzentrieren und in Ruhe arbeiten.

LAOLA1: „Torhüter müssen verrückt sein“, heißt es oft. Du giltst eher als ruhiger Typ, von dem ich gelesen habe, dass er in seiner Karriere vielleicht öfter einmal den Mund aufmachen hätte sollen. Stehst du zu dieser Aussage?

Knaller: Genau, es gibt ja solche und solche Spieler. Einige fordern Dinge extrem ein, ich bin aber keiner, der große Sprüche klopft und immer zum Trainer rennt. Vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn ich öfters den Mund aufgemacht hätte, aber ich will es einfach immer mit Leistung auf dem Platz zeigen. Und als Torhüter gilt man schnell als verrückt, wenn man sich aus einem Meter abschießen lässt oder mit dem Kopf voraus in drei Gegenspieler hineinspringt. Auf dem Platz gehört das sicher dazu, aber privat nicht.

LAOLA1: Du bist Vater einer Tochter (4). Inwiefern hat das deinen Blickwinkel verändert?

Knaller: Natürlich ist es eine Umstellung. Man sieht einiges anders und kann auch privat einmal besser abschalten als sonst, wenn dauernd die Gedanken beim Fußball sind und dies wie das nicht läuft.

LAOLA1: Wer besonders gerne ins Ausland blickt ist Marcel Koller. Vater Wolfgang und Onkel Walter spielten für das ÖFB-Team, du bist als ehemaliger U18-, U20-, und U21-Spieler kein Unbekannter. Wäre das ein Bubentraum, der in Erfüllung gehen würde?

Knaller: Es ist natürlich ein Traum, aber ich beschäftige mich im Moment noch nicht damit. Ich habe 16 Pflichtspiele in dieser Saison gemacht. Das sind mehr als in den letzten drei Jahren zusammen. Ich weiß natürlich, dass es nur über Leistung im Verein geht. Wenn dann einmal der Anruf kommen sollte und ich gebraucht werde, werde ich auf jeden Fall da sein.


Das Gespräch führte Alexander Karper