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"Wir sind noch nicht am Ende unserer Entwicklung"

„Den Verein gibt es noch nicht lange, es ist ja vermessen zu glauben, man kann in zwölf, 13 Jahren in die erste Liga marschieren“, meinte Ralph Hasenhüttl im Herbst 2013 (Interview).

Nun steht der FC Ingolstadt unmittelbar vor dem Sprung in die deutsche Bundesliga – elf Jahre nach seiner Gründung und gut eineinhalb Jahre nachdem Hasenhüttl die "Schanzer" auf Tabellenplatz 18 übernommen hat.

„Das war so nicht zu erwarten, es war für alle sehr, sehr überraschend, dass die Entwicklung der Mannschaft so schnell vorangegangen ist“, gibt der Trainer heute zu. Drei Runden vor Schluss liegt der Klub mit komfortablem Vorsprung an der Spitze der 2. Bundesliga, seit Spieltag acht thront man an Position eins und verteidigte diese Position bislang souverän.

Hasenhüttl hat aus dem kleinen FCI mehr als nur einen Aufstiegsaspiranten geformt, in Ingolstadt für Euphorie gesorgt und ist drauf und dran auf seiner persönlichen Karriere-Leiter die nächste Sprosse zu erklimmen.

Den Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn vor Augen, blickt der 47-jährige Steirer im LAOLA1-Interview auf eine sensationelle Saison zurück und macht sich auch schon hypothetische Gedanken zur kommenden Spielzeit im Oberhaus.

LAOLA1: Ralph, Sie haben einen weiteren kleinen Schritt gemacht, der Aufstieg scheint Ingolstadt kaum noch zu nehmen. Wie konnte sich beim FCI innerhalb so kurzer Zeit solcher Erfolg einstellen?

Ralph Hasenhüttl: Ich glaube, wir haben nicht so viel falsch gemacht in den zurückliegenden Monaten, ansonsten würden wir als kleiner FC Ingolstadt nicht vor Mannschaften wie etwa Kaiserslautern stehen, da muss schon sehr viel passen. Wir haben bis dato eine sensationelle Saison gespielt. Die Mannschaft ruft das Maximum ab, das zur Zeit in ihr steckt und dennoch glaube ich, dass wir noch nicht am Ende unserer Entwicklung angekommen sind. Wir lechzen danach, uns immer wieder zu beweisen. Die Drucksituation ist seit dem achten Spieltag eine andere. Wir merken, dass jeder gegen den Tabellenführer noch ein paar Prozent mehr hineinlegt, das ist nicht immer leicht, aber eine wichtige Erfahrung, die meine Spieler aktuell machen. Wir haben in diesem Jahr viel gelernt  und wenn wir den Aufstieg schaffen sollten, werden wir in der Bundesliga noch schneller lernen müssen. Das ist noch einmal eine andere Dimension, wir werden möglicherweise vieles, das in der 2. Liga funktioniert hat, nicht umsetzen können. Aber die Gedanken darüber, machen wir uns dann, wenn es soweit ist.

LAOLA1: Die Spielanlage des FCI wirkt sehr ausgeglichen, könnte das ein Vorteil sein? Teams, die vor allem durch ihre starke Offensive aufgestiegen sind, haben in der Bundesliga oft die größeren Probleme.

Hasenhüttl: Wir haben schon phasenweise relativ hoch gepresst in dieser Saison – ob das in der Bundesliga möglich ist? Die Mannschaften haben im ersten Spiel gegen uns versucht zu beweisen, dass sie es schaffen, von hinten herauszuspielen. Dadurch haben wir in der Hinrunde viele Spiele gewonnen. In der Rückrunde machen sie den Fehler nicht mehr, spielen eher lange Bälle und dann wird es für uns schwerer. Sollte es mit dem Aufstieg klappen, werden wir auf Bundesliga-Teams treffen, die es auch spielerisch lösen werden. Wir haben eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive, machen viele Tore, kriegen wenige, auch wenn in letzter Zeit nicht so oft die Null stand. Für die Bundesliga müssten wir uns verbessern, durch Training und personelle Verstärkungen. 

LAOLA1: Welche Personalien hätten Sie da im Blickfeld?

Hasenhüttl: Das ist die Aufgabe von Thomas Linke. Natürlich haben wir schon Spieler im Auge. Wir holen aber nur Leute, über die wir uns alle einig sind. Damit sind wir im letzten Sommer sehr gut gefahren und das halten wir auch weiter so. 

LAOLA1: Lukas Hinterseer und Ramazan Özcan spielen bereits für den FCI, schaut man sich bei Transfers auch nach weiteren ÖFB-Kickern bzw. in der österreichischen Bundesliga um?

Hasenhüttl: Wir brauchen gute Spieler, die schon ein bisschen etwas geleistet haben, die vielleicht auch schon international gespielt haben. Die gibt es unter anderem in Österreich. 

LAOLA1: Man würde aber auch versuchen den erfolgreichen Kader zusammenzuhalten?

Hasenhüttl: Natürlich, ich würde auch gerne sehen, wie sich die Truppe eine Klasse höher macht, wenn wir voll im Saft stehen und richtig hungrig sind auf diese Aufgabe. Das ist eine ganz andere Situation, dort wären wir immer Underdog und könnten überraschen. Im Moment sind wir der Gejagte und das macht es manchmal schwieriger, unser Spiel durchzudrücken. Ich wäre schon neugierig, wie sehr es die Mannschaft schaffen würde, sich dort oben zu behaupten. Aber noch sind wir nicht dort. 

LAOLA1: Bei Spielern wie Pascal Groß, der als Taktgeber im Mittelfeld eine unglaubliche Saison spielt (7 Tore, 22 Assists), könnte es aber schwierig werden.

Hasenhüttl: Er weiß, ganz genau, was er am FCI hat. Pascal hat hier vor mir auch andere Zeiten erlebt, war manchmal nicht einmal Bestandteil des Kaders. Das ist heute kaum vorstellbar. Er hatte hier überhaupt keinen Auftrag mehr und sehr unter dieser Situation gelitten. Gedanklich war er wahrscheinlich schon bei einem anderen Verein. Er braucht sehr viel Vertrauen, einen Trainer, der ihm gewisse Freiheiten gibt. Das hat er jetzt hier, ob er das woanders auch bekommt, weiß ich nicht. Daher würde er, glaube ich, gut daran tun, hier zu bleiben. Er ist jung, kann noch viel erreichen und für seine Entwicklung wäre es perfekt, würde er das erste Jahr Bundesliga mit Ingolstadt spielen. Sollten wir es nicht packen, wird er ohnehin schwer zu halten sein.

LAOLA1: Die ganz großen Namen findet man im FCI-Kader nicht, dafür scheint die Mischung perfekt zu passen. Ist das das Erfolgsgeheimnis?

Hasenhüttl: Wir haben talentierte, junge Spieler, aber auch solche, die es anderswo nicht geschafft haben, in die Bundesliga zu kommen und jetzt mit uns diesen Schritt gehen wollen. Alle eint der Hunger nach Liga 1. Wir wollten immer Spieler, die uns nicht sagen, wie es da oben ist, sondern solche, die mit aller Macht  dorthin wollen.

Hinterseer traf in der Hinrunde sieben Mal

LAOLA1: Lukas Hinterseer hatte in der Rückrunde einen kleinen Durchhänger, haben Sie dafür eine Erklärung oder sind das normale Formschwankungen?

Hasenhüttl: Das ist nichts Außergewöhnliches. Lukas hatte in der Vorbereitung Probleme mit der Oberschenkelmuskulatur. Das hat ihm ein wenig von seiner Fitness geraubt, die er für sein Spiel braucht. Deswegen war er in der Rückrunde nicht mehr so fit, hat nicht mehr so viele Bälle gewonnen, davon lebt aber sein Spiel. Jetzt wird es wieder etwas besser und ich denke, er hat die Erwartungen insgesamt mehr als übertroffen. Ein Lukas in Top-Form ist für uns enorm wichtig, das hat man auch in der Phase gesehen, in der wir nicht so viel gewonnen haben.

"Rambo" spielt seit 2011 in Ingolstadt

LAOLA1: Ramazan Özcan hätte in der kommenden Saison als Bundesliga-Stammgoalie ein gewichtiges Argument für den Platz im Tor der Nationalmannschaft. Beschäftigt ihn dieses Thema?

Hasenhüttl: Das glaube ich schon, denn er ist natürlich ehrgeizig und es ist ein großer Traum von ihm, als Nummer eins Österreichs aufzulaufen. Er ist ein super Kicker, spielt hervorragend mit, das wird ja immer wichtiger, und er ist in der Lage, Spiele zu gewinnen, weil er auf der Linie große Präsenz ausstrahlt. Manchmal ist er vielleicht noch ein bisschen übermotiviert, aber das ist auch sein Charakter. Ich traue es ihm auf jeden Fall zu. Robert Almer, der jetzt zur Austria geht, wird zeigen, was er kann. Dann wird es einen Kampf geben, um die Nummer eins. Wenn wir in die Bundesliga kommen, muss sich „Rambo“ auf allerhöchstem Niveau beweisen, wenn er das schafft, hat er sehr gute Argumente.

LAOLA1: Wie konnte in so kurzer Zeit aus einem Abstiegskandidaten ein Team werden, das so souverän agiert?

Hasenhüttl: Die Mannschaft hat unglaublich hart an den Entwicklungsschritten gearbeitet. Zunächst haben wir versucht, defensiv stabil zu werden. Das war der erste und wahrscheinlich wichtigste Schritt und unser Schlüssel zum Erfolg. Wir haben ja in diesen eineinhalb Jahren nur ein einziges Auswärtsspiel verloren. Im letzten Sommer haben wir einen richtigen Quantensprung gemacht, indem wir versucht haben, offensiver zu pressen. Trotz Rückschlägen haben wir das mit viel Mut durchgezogen und mit den Ergebnissen hat sich die Sicherheit eingestellt, dadurch entsteht so ein Lauf. Es waren viele kleine Schritte, die Mannschaft hat jeden angenommen und mittlerweile so viel gelernt, dass dieses Gesamtbild zustande gekommen ist.

LAOLA1: Im Herbst 2013 meinten Sie, dass für einen Aufstieg auch das Umfeld mitwachsen muss. Ist das gelungen?

Hasenhüttl: Ich habe das nicht nur auf das Umfeld bezogen, sondern auch auf den Verein intern. Man muss verstehen, dass die Mannschaft das Wichtigste für den Verein ist, dass hier jede Unterstützung sein muss und sie auch nach außen hin bis aufs Blut verteidigt werden muss. In der jetzigen Phase ist es einfach hinter dem Team zu stehen, aber auch wenn es nicht so läuft, muss jeder Einzelne im Verein der Mannschaft den Rücken stärken und sie schützen. Da musste ich schon den Finger in die Wunde legen. Es ist natürlich nicht leicht, wenn die Leistung Woche für Woche nicht stimmt, aber das gehört zu einer geschlossenen Gemeinschaft dazu. Jetzt haben wir dieses Wir-Gefühl, von dem ich gesprochen habe. Alleine hätten wir es nicht geschafft, nach oben zu kommen. Wir müssen das Gefühl haben, dass jeder an uns glaubt und deswegen war es mir auch wichtig die Fans sofort mit ins Boot zu holen, mit jedem, seien es noch so wenige die da beim Training am Zaun stehen, zu reden und sie einzuschwören auf unseren gemeinsamen Weg. Wenn man heute im Stadion ist und sieht, was sich hier in den letzten eineinhalb Jahren getan hat, ist das toll. Ich bin belächelt worden, als ich gesagt habe, ich will, dass einmal jemand vor dem Stadion steht und keine Karte mehr bekommt. Wir alle können stolz darauf sein, was hier entstanden ist.

LAOLA1: Sie scheinen als Trainer auch sehr über Emotionalität zu kommen, auch im Umgang mit den Spielern.

Hasenhüttl: Ich habe schon eine sehr enge Bindung zu meinen Jungs, wir haben ein tolles Klima in der Mannschaft, das brauche ich auch. Es muss mich nicht jeder lieben, es muss auch nicht jeder immer alle meine Entscheidungen für richtig halten. Es gibt Entscheidungen, die nur ich treffen kann, die sind nicht immer zum Wohle jedes Einzelnen, aber hoffentlich immer zum Wohle der Mannschaft. Dafür halte ich auch den Kopf hin. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Jungs alle gerne hier sind. Ich kann gar nicht anders arbeiten und brauche dieses ständige Feedback. Ich bin kein Alleinherrscher, der hier alles über die Köpfe der anderen hinweg entscheidet.

LAOLA1: Sie haben sich als Trainer Schritt für Schritt hochgearbeitet. Es gibt viele größere Klubs, die Probleme haben. Haben schon Vereine bei Ihnen vorgefühlt?

Hasenhüttl: Ich habe hier noch ein Jahr Vertrag und im Moment auch meine absolute Glückseligkeit gefunden, deswegen stellt sich die Frage auf meiner Seite gar nicht. Falls es Interesse geben sollte, weiß das mein Berater genauer. Ich will aber im Moment auch gar nicht, dass er mir etwas erzählt, ich habe kein Interesse daran, dass mir so etwas zugetragen wird, weil es mich von meinem Job ablenken würde.

LAOLA1: Gibt es Gespräche über eine Vertragsverlängerung?

Hasenhüttl: Nein, im Moment haben wir wichtigere Themen, über die wir sprechen müssen! 

 

Das Gespräch führte Christoph Kristandl