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Fehlschütze Vlaar nur dritte Wahl

Fehlschütze Vlaar nur dritte Wahl

Schön anzusehen war es nicht, was die Niederlande und Argentinien auf dem klatschnassen Rasen der Arena de Sao Paulo zum Besten gaben. Das erste Halbfinale der WM-Geschichte, in dem 120 Minuten lang kein Treffer fiel, wartete mit zahlreichen statistischen Schmankerln auf, die sich allerdings kein Zuschauer bieten lassen will.

Sei es die erste Halbzeit von Arjen Robben, der in den 45 Minuten nur einen Pass anbrachte, ein Lionel Messi, der keinen einzigen Ballkontakt im gegnerischen Strafraum verbuchen konnte oder die 98 Minuten, die die Oranje für ihren ersten Schuss aufs Tor benötigten.

Das von defensiver Stabilität auf beiden Seiten geprägte Spiel diente letztlich ohnehin nur als Vorgeplänkel für ein weiteres dramatisches Elfmeterschießen, in dem Ron Vlaar zur tragischen Figur avancierte.

Vlaar nicht als erster Schütze vorgesehen

„Ich hatte Selbstvertrauen, ich war nicht nervös. Aber das Ding muss rein und das hat nicht geklappt“, sagte der erste Schütze der Niederlande, der nach makellosen 120 Minuten ausgerechnet vom Punkt versagte. Zugutehalten muss man dem Defensivmann von Aston Villa aber, die Verantwortung des ersten Elfmeters übernommen zu haben.

„Ich habe zuvor zwei Spieler gefragt, ob sie den ersten Elfer schießen, ehe es am Ende Vlaar gemacht hat“, verriet Bondscoach Louis van Gaal. „Ich denke er war der beste Spieler auf dem Platz und voller Selbstvertrauen, aber das zeigt, wie schwer so ein Elfmeterschießen ist. Gegen Costa Rica haben wir fabelhaft geschossen, aber das Wichtige ist immer, dass der erste sitzt.“

Dem künftigen Trainer von Manchester United wäre sogar eine hohe Niederlage, wie sie Brasilien gegen Deutschland einstecken musste, lieber gewesen. „Im Shootout zu verlieren ist das schlimmste Szenario. Bis zuletzt waren wir mit Argentinien auf Augenhöhe, wenn nicht gar das bessere Team. Es ist eine riesige Enttäuschung“, war van Gaal geknickt.

Keine zweite Krul-Show

Wesley Sneijder, zweiter Fehlschütze der Elftal, sah es ähnlich wie sein Coach. „Ich hasse Elfmeterschießen“, war der Routinier bedient. „Es ist hart für uns, weil wir mehr verdient gehabt hätten, vielleicht hätten wir die Partie auch früher entscheiden müssen.“

So lernten die Niederländer innerhalb weniger Tage beide Seiten der Medaille kennen. Gegen Costa Rica war man dank des extra zum Elfmeterschießen eingewechselten Ersatzkeepers Tim Krul noch der lachende Sieger, diesmal wurde man Opfer der letztmöglichen Entscheidung. Warum van Gaal seinen Schachzug gegen Argentinien nicht wiederholte, sondern mit seinem dritten und letzten Tausch Klaas Jan Huntelaar in die Partie warf, erklärte er mit der Verfassung von Robin van Persie.

Der Kapitän rieb sich lange auf und war mit seinen Kräften am Ende. „Er konnte sich kaum noch rühren und fiel so als Anspielstation im Zentrum weg“, erläuterte van Gaal.

"Beim Elfer geht es immer um Glück"

Der Held zwischen den Pfosten war diesmal in Person von Sergio Romero auf Seiten Argentiniens zu finden. Der nicht unumstrittene Schlussmann der Albiceleste parierte sowohl Vlaars als auch Sneijders Penalty und zeichnete damit maßgeblich für den Aufstieg seines Teams ins Finale gegen Deutschland verantwortlich.

„Beim Elfmeter geht es immer um Glück, so sieht die Realität aus. Ich hatte ein gutes Gefühl und danke Gott, dass ich erfolgreich aus der Sache herausgekommen bin“, blieb Romero bescheiden, stellte aber auch klar, dass das Ziel nun der Titel ist.

„So einen Moment muss man genießen, aber ab morgen werden wir uns auf das Finale vorbereiten, um den nächsten Schritt zu machen. Seit dem ersten Tag haben wir darauf gehofft, am Ende dort zu stehen.“

Van Gaal kritisiert kleines Finale

Zurückhaltend zeigte sich indes Argentiniens Trainer Alejandro Sabella, der die zusätzliche Belastung seines Teams ansprach. „Es war ein enges Spiel und wir werden sehen, was wir mit einem Tag weniger Regeneration und nach den Elfmeterschießen ausrichten können“, so der 59-Jährige. „Einige unserer Spieler sind müde und angeschlagen – die Resultate einer Schlacht wenn man so will.“

Über eine zusätzliche Belastung zerbricht sich auch van Gaal den Kopf. Dem samstägigen Spiel um Platz drei gegen Brasilien kann er nämlich nichts abgewinnen. „Ich sage schon seit zehn Jahren, dass man diese Partie nicht braucht“, polterte der „Tulpengeneral“ und fürchtete um die korrekte Bewertung seiner Mannschaft. „Das Schlimmste ist, wenn wir jetzt ein zweites Mal verlieren, fahren wir als große Loser nachhause, nach einer tollen WM, bei der uns niemand etwas zugetraut hatte.“

 

Christoph Kristandl aus Sao Paulo