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"Es war keine Entscheidung gegen Österreich"

Der österreichische Beitrag bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien hält sich in überschaubaren Grenzen. Weder das heimische Nationalteam, noch ein österreichischer Schiedsrichter werden bei diesem Großereignis mitmischen.

Nicht einmal eine Handvoll Spieler aus der Bundesliga könnten ihre jeweiligen Heimatländer vertreten. Einer jener Akteure ist Anel Hadzic von Sturm Graz, der im vorläufigen Kader von Bosnien-Herzegowina steht.

Der bosnisch-österreichische Doppelstaatsbürger dürfte getrost als „größter“ rot-weiß-roter Beitrag in Brasilien angesehen werden, hat er doch bereits drei Spiele für diverse heimische Nachwuchswuchs-Auswahlen auf seinem Konto. Warum er sich dennoch für Bosnien-Herzegowina entschieden hat und was er sich von der WM-Teilnahme in Brasilien verspricht, verrät er im Interview mit LAOLA1:

LAOLA1: Gratulation, dass du im Kader von Bosnien-Herzegowina stehst. Was waren deine ersten Gedanken, als du davon erfahren hast?

Anel Hadzic: Natürlich hatte ich eine riesengroße Freude. Als Fußballspieler bei einer Weltmeisterschaft dabei zu sein, ist ein wahnsinniger Meilenstein. So etwas erlebt man nicht alle Tage. Es ist einfach eine große Ehre, mein Land zum ersten Mal bei so einem großen Event vertreten zu dürfen.

LAOLA1: Hast du mit dieser Nominierung gerechnet?

Hadzic: Ich habe zwar bisher nur eine Halbzeit im Nationalteam gespielt, aber die Kriterien sind so gelegt worden, dass jene Spieler sehr gute Chancen hatten, die konstant in ihren Vereinen spielen. Deshalb war es für mich enorm wichtig, dass ich viel Einsatzzeit bekomme. Zwischendurch habe ich etwas Angst gehabt, weil ich wieder muskuläre Probleme hatte und verletzt war. Aber ich habe mich während der Saison eigentlich nicht wirklich damit befasst. Wir haben einen guten Lauf gehabt, sind auch im Cup weitergekommen und schlussendlich war die Einberufung für mich zwar doch etwas überraschend, aber eben auch sehr erfreulich.

LAOLA1: Wie siehst du die Chance, dass du im endgültigen 23-Mann Kader dabei bist?

Hadzic: Wer schlussendlich die 23 Spieler sein werden, die am Spielbericht stehen, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Da wird natürlich erstens positionell geschaut werden und dann muss man in der Vorbereitung zeigen, was man kann. Man muss sich dem Trainer aufzwingen und ich werde alles dafür geben, um im endgültigen Kader zu stehen.

LAOLA1: Warum hast du dich für das bosnisch-herzegowinische Nationalteam entschieden?

Hadzic: Es war für mich keine Entscheidung für oder gegen irgendjemanden. Ich habe einen Entschluss fassen müssen und das habe ich mit dem Herzen gemacht. Außerdem waren für mich auch die intensive Kommunikation mit dem bosnischen Verband, als ich noch in Ried war, und der persönliche Kontakt und Gespräche mit dem Teamchef (Anm. Safet Susic) ausschlaggebend. Es war, wie gesagt, keine Entscheidung gegen den ÖFB oder Österreich, denn ich bin hier aufgewachsen und diesem Land für alles dankbar. Es war einfach eine fußballerische und karrieretechnische Entscheidung zu treffen und das habe ich gemacht.

Holland (Australien) und Hadzic (Bosnien) halten die Bundesliga-Fahnen hoch

LAOLA1: Wie siehst du eure Chancen in der Gruppe mit Argentinien, Nigeria und Iran?

Hadzic: Ganz klarer Favorit ist natürlich Argentinien. Ich sehe dennoch keinen Grund, warum wir uns schon vor der Partie ergeben sollten. Wenn wir alle 100 Prozent geben, ist alles möglich. Der zweite Platz ist aber auf jeden Fall realistisch. Nigeria sehe ich mit uns auf einer Stufe und den Iran etwas darunter, aber natürlich dürfen wir beide nicht unterschätzen, denn bei einer WM sind immer gute Nationalmannschaften dabei.

LAOLA1: Worauf wird es bei euch ganz besonders ankommen bzw. wer werden die Schlüsselspieler sein?

Hadzic: Unsere Stärke ist auf jeden Fall das Kollektiv. Das hat uns in der Qualifikation ausgemacht und darauf wird es wieder ankommen. Dazu müssen die Einzelspieler wie Dzeko, Pjanic oder auch Ibisevic die gewissen Akzente setzen und im Idealfall auch Spiele entscheiden.

LAOLA1: Wie siehst du deine Chance auf Einsatzminuten?

Hadzic: Schwer zu sagen. Es startet jetzt bald die Vorbereitung, bei der jeder zeigen will, was er kann. Ich muss einfach 100 Prozent geben und schlussendlich entscheidet dann der Teamchef, wer die Chance erhält und spielen darf.

LAOLA1: Worauf freust du dich besonders?

Hadzic: Ich freue mich generell schon auf die Vorbereitung und darauf, dass wir einfach alle zusammen sind. Außerdem kann man sagen, dass ich meine Nationalteamkarriere quasi bei einer Weltmeisterschaft beginne und das kann auch nicht jeder Spieler von sich behaupten.

LAOLA1: Was ist deine Meinung zu den Unruhen, die es rund um die Vorbereitungen gegeben hat, die Bauverzögerungen, die Unglücksfälle etc.?

Hadzic: Ich habe das schon etwas mitverfolgt, kann aber nicht so viel dazu sagen. Es ist alles etwas chaotisch, aber die FIFA wird sicher etwas unternehmen, damit alles passt und reibungslos über die Bühne geht.

LAOLA1: Wie siehst du Brasilien als Gastgeber?

Hadzic: Über Brasilien als WM-Gastgeber braucht man nicht lange diskutieren. Es ist das Land des Fußballs und ich bin mir sicher, dass die Leute für eine fantastische Stimmung sorgen werden.

LAOLA1: Welche Maßnahmen werdet ihr gegen die dort vorherrschende Hitze ergreifen?

Hadzic: Genaue Pläne kenne ich noch nicht, aber der Trainerstab mit den Physiotherapeuten und den Ärzten wird sich schon etwas Passendes einfallen lassen.

LAOLA1: Abschließend noch die Frage nach deinem persönlichem Ziel für die WM?

Hadzic: Einsatzminuten zu bekommen und allgemein mit Bosnien so lange wie möglich im Turnier zu bleiben.

 

Das Interview führte Marc Schwarz

LAOLA1: Wie bist du im Team aufgenommen worden? Wie war das Gefühl als Neuling?

Hadzic: Es war als Neuling schon ein komisches Gefühl, vor allem wenn man sich vor Augen führt, in welchen Vereinen Spieler wie zum Beispiel Edin Dzeko (Manchester City), Miralem Pjanic (AS Rom) oder Emir Spahic (Bayer 04 Leverkusen) tätig und welche Stars sie teilweise sind. Da hatte ich zu Beginn Bedenken, dass ich nicht gut aufgenommen werde. Aber das war völlig unbegründet. Es war von Anfang an sehr familiär, ich bin von allen Seiten herzlich begrüßt worden und das ist speziell als neuer im Team ganz wichtig.

LAOLA1: Auf welcher Position bist du vorgesehen?

Hadzic: Auf meiner Stammposition im defensiven Mittelfeld.

LAOLA1: War der Wechsel von Ried zu Sturm Graz der entscheidende Schritt für diese Nationalteam-Einberufung?

Hadzic: Es war vor meinem Wechsel natürlich eine Überlegung von mir, zu einem Verein zu gehen, der einen größeren Namen als Ried hat. In Österreich ist das bei Sturm der Fall und deswegen hat sich das sicherlich auch positiv für mich ausgewirkt.

LAOLA1: Wie bilanzierst du generell deine erste Saison in Graz?

Hadzic: Es hat Höhen und Tiefen gegeben. Im Endeffekt haben wir die Saison verkorkst, so ehrlich müssen wir sein. Es war eine schwierige Situation für alle, aber ich glaube, dass wir aus dieser Spielzeit einiges lernen können und umso stärker daraus hervorgehen werden.

LAOLA1: Bosnien war bereits 2010 und 2012 knapp an der erfolgreichen Qualifikation zu einem Großereignis dran. Was ist diesmal besser gelaufen?

Hadzic: Es hat diesmal einfach alles zusammengepasst. Nachdem wir die Sanktionen der FIFA und UEFA bekommen haben - das dreiköpfige Verbandspräsidium (je ein Serbe, Kroate und Bosniak) entsprach während der EM-Quali 2012 nicht den Regularien - und daraufhin das Stabilisierung-Komitee unter der Leitung von Ivica Osim eingesetzt wurde, haben wir sehr viel Ruhe in den Verband gebracht. Es wurden einige Statuten geändert, ein Präsident bestimmt und es haben endlich einmal alle an einem Strang gezogen. Die Qualifikation ist dann durch das gute Torverhältnis (+24) umso besser gelaufen und die ganze Teamleistung war einfach hervorragend.

LAOLA1: Wie siehst du generell die Entwicklung des bosnischen Fußballs und die Tatsache, dass man endlich aus dem Schatten der „großen Brüder“ Kroatien und Serbien hervortreten kann?

Hadzic: Sehr gut! Bosnien-Herzegowina hat sich in den letzten Jahren einen großen Respekt erarbeitet, vor allem auch am Balkan. Es war immer ein zerrissenes Land in einer schwierigen Situation, aber der Sport hilft den Leuten in ihrem Zusammenhalt, der in letzter Zeit auf jeden Fall gestärkt worden ist. Dadurch kommen dann auch die Ergebnisse. Mittlerweile sind wir in dem Sinne aus dem Schatten von Kroatien und Serbien hervorgetreten, dass wir sagen können, wir sind bei der WM dabei und haben eine wirklich gute Mannschaft. Außerdem kommen weitere gute Spieler nach und ich glaube, dass Bosnien eine große Zukunft vor sich hat.

LAOLA1: Euer Kader besteht fast nur aus Legionären. Ist das für dich ein positiver Trend oder auch ein Zeichen dafür, dass in der heimischen Liga Nachholbedarf besteht?

Hadzic: Die bosnische Liga hat sich in den letzten Jahren etwas verbessert und das Geld wird immer sinnvoller in den Fußball investiert. Aber das Land steht wirtschaftlich nicht gut da und dadurch fehlt es auch immer noch an Mitteln. Darum sind im Moment eben viele Legionäre dabei. Es werden aber auch wieder Zeiten kommen, in denen Spieler aus der heimischen Liga die Chance bekommen, im Moment ist das aber leider nicht der Fall.