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England und die Torhüter - eine unendliche Geschichte

England und die Torhüter - eine unendliche Geschichte

Die Geschichte der englischen Torhüter ist eine Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen.

Während die „Three Lions“ stets über eine Vielzahl an international angesehenen Spielern verfügten und auch immer – zumindest selbsternannt – zum Favoritenkreis auf den WM-Titel zählen, mangelt es seit Jahren an einem Weltklasse-Torhüter.

Nach Shilton kam nichts mehr

Der letzte englische Keeper, der sich so bezeichnen darf, ist wohl Peter Shilton, der von 1970 bis 1990 125 Spiele für sein Heimatland absolvierte und bei fünf großen Turnieren, den Weltmeisterschaften 1982, 1986 und 1990 sowie den Europameisterschaften 1980 und 1988 zwischen den Pfosten stand.

Mit ihm erreichte England 1990 das WM-Halbfinale, ein Erfolg der den Kickern von der Insel seither nicht mehr vergönnt war.

Auf Shilton folgte der langjährige Arsenal-Keeper David Seaman, der immerhin auf 75 Nationalteam-Einsätze zurückblicken kann, allerdings auch mehr durch Fehler als durch Glanzparaden in Erinnerung blieb.

Unrühmlicher Höhepunkt seiner diversen Patzer war sicherlich der aus großer Distanz getretene Freistoß von Ronaldinho im WM-Viertelfinale 2002. Seaman rechnete mit einer Flanke und machte ein paar Schritte aus dem Kasten, der Brasilianer überlupfte ihn und England war draußen.

Green greift daneben

Aus jüngster Vergangenheit ist den meisten Fußballfans wohl der Fauxpas von Robert Green noch im Gedächtnis. Green hütete das Tor der englischen Nationalmannschaft insgesamt zwölf Mal. Viermal davon durfte er in der WM-Qualifikation ran, ein Spiel war ihm bei der WM 2010 vergönnt.

Im Auftaktspiel der „Three Lions“ gegen die USA unterlief ihm allerdings ein kapitaler Fehler, als er einen harmlosen Schuss von Clint Dempsey zum 1:1-Endstand passieren ließ. Daraufhin setzte Coach Fabio Capello auf den damals knapp 40-jährigen David James.

James selbst war bei der EM 2004 in Portugal die Nummer Eins der Engländer und damit Nachfolger von David Seaman, verlor diese Position jedoch kurz darauf an Paul Robinson.

Seaman war nicht immer ein sicherer Rückhalt

Auch Robinson patzt

Der Grund? Andreas Ivanschitz! Wir schreiben die 73. Minute im WM-Qualifikationsspiel zwischen Österreich und England, die Gäste führen im Ernst-Happel-Stadion mit 2:1, da nimmt sich Ivanschitz ein Herz und zieht aus gut 25 Metern ab. Der ungefährliche Flachschuss kullert unter James zum 2:2-Ausgleich in die Maschen, wodurch sich fortan Robinson im englischen Tor versuchen durfte.

Robinson war damals gerade zu Tottenham gewechselt und galt als die große Torwart-Hoffnung auf der Insel. Er machte seine Sache auch ganz solide, bei der WM 2006 lieferte er ausnahmslos gute Leistungen ab, blieb in vier von fünf Einsätzen ohne Gegentor.

Für die folgende EM in Österreich und der Schweiz konnte sich England dann aber nicht qualifizieren, wobei Robinsons grober Schnitzer gegen Kroatien – er schlug bei einem harmlosen Rückpass über den Ball – entscheidend beitrug, und so war England wieder einmal ohne richtige Nummer Eins.

Die Premier League ist schuld

Mitverantwortlich für die Tormann-Misere ist die englische Premier League, in der salopp gesagt zu viel Geld vorhanden ist.

Der FC Chelsea, Arsenal, die beiden Klubs aus Manchester, der FC Liverpool und Tottenham setzen seit Jahren auf Ausländer im Tor.

Doch nicht nur die Topmannschaften, auch Mittelständler und Abstiegskandidaten verfügen über genügend Mittel, um Torhüter aus dem Ausland zu holen. Nicht einmal auf der Bank ist Platz für einheimische Goalies, bei großen Klubs stammt sogar der dritte Torwart nicht von der Insel.

Anders als in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich oder den Niederlanden erhalten junge Talente gar nicht erst die Chance, sich in der höchsten Spielklasse zu beweisen.

Mit Joe Hart von Meister Manchester City, David Stockdale (FC Fulham), John Ruddy (Norwich City) und Ben Foster (West Bromwich Albion) haben gerade einmal vier englische Torhüter in dieser Saison mehr als 20 Einsätze in der Premier League vorzuweisen.

Joe Hart soll den Kasten sauber halten

Hoffnungen ruhen auf Hart

Logischerweise ist es auch der Keeper des Meisters, der bei der WM in Brasilien für den sicheren Rückhalt sorgen soll.

Der 27-Jährige ist seit der Qualifikation für die EM 2012 die Nummer Eins der Engländer und er der Erste seit längerer Zeit, der diesen Status auch verdient hat. Hart rettete seine Mannschaft bei der EM einige Male vor einem Gegentreffer, das Aus im Elfmeterschießen gegen Italien kann man ihm nicht ankreiden. Auch bei seinem Klub war Hart, der von Sir Alex Ferguson als „bester englischer Torhüter seit 20 Jahren“ bezeichnet wurde, eher als sicherer Rückhalt, denn als Risikofaktor bekannt.

Ausgerechnet in der WM-Saison durchlief der Torhüter dann aber ein Tief, City-Coach Manuel Pellegrini verbannte ihn für einige Spiele auf die Bank und gab seinem Ersatzmann, dem Rumänen Costel Pantilimon, den Vorzug. Auch im Nationalteam blieb Hart im Test gegen Chile nur die Reservistenrolle, Fraser Foster kam so zu seinem Nationalteam-Debüt.

Hart unter Druck

„Ich wäre sehr viel besorgter, wenn Joe seinen Platz nicht zurückerobern würde und im nächsten Frühling, wenn ich meinen Kader zusammenstellen muss, weiterhin Ersatz wäre“, war Nationalcoach Roy Hodgson damals allerdings nicht wirklich besorgt um seinen Schützling.

Und er sollte Recht behalten, Hart erfing sich und spielte eine starke Rückrunde. Auf ein Kaliber wie Peter Shilton fehlt ihm natürlich noch ein gutes Stück, er scheint aber auf dem richtigen Weg zu sein.

Sollte Hart allerdings in Brasilien ein spielentscheidender Fehler unterlaufen, wird die gnadenlose englische Presse seinen Kopf fordern und die unendliche Geschichte im englischen Tor würde ihre Fortsetzung finden.

 

Fabian Santner