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"Niemand verbindet Australien mit guten Fußballern"

„Das wäre ein Wahnsinn!“, sagt James Holland, wenn er auf seine wahrscheinliche WM-Teilnahme angesprochen wird.

Der Austrianer ist Stammgast im australischen Nationalteam, wenngleich er oft nur auf der Bank sitzt. Ein Dutzend Länderspiele stehen bisher auf seiner Visitenkarte.

Der 24-Jährige ist Teil jener jungen Generation, die australische Legenden wie Harry Kewell, Brett Emerton und Lucas Neill vergessen machen soll.

Im LAOLA1-Interview spricht der Mittelfeldspieler über australisches Tiki-Taka, seine Zeiten als Goalgetter und jene Tage, die sein Leben verändern könnten. Nicht aber über Ex-Australien-Legionär Richard Kitzbichler, der sagt ihm nämlich gar nichts…

LAOLA1: Ich wollte eigentlich ein Panini-Pickerl mitbringen, aber du bist nicht im Album…

James Holland: (lacht) Enttäuschend! Im Ernst: Es wäre nett gewesen, aber es ist schon okay.

LAOLA1: Wichtiger ist ja, dass du im endgültigen Australien-Kader für die WM stehst. Das ist doch ziemlich sicher, oder?

Holland: Ich denke, aber im Fußball ist nichts sicher. Ich habe jedenfalls alles dafür getan, viele Spiele gemacht und hart trainiert. Jetzt muss ich im Trainingslager alles geben und dann klappt es hoffentlich.

LAOLA1: Was würde dir diese WM-Teilnahme bedeuten?

Holland: Eine Menge! Jeder Junge träumt davon, für sein Land zu spielen. Und dann auch noch bei einer Weltmeisterschaft in Brasilien? Das wäre ein Wahnsinn!

LAOLA1: Chile, Niederlande und Spanien – was hast du dir bei dieser Auslosung gedacht?

Holland: Wow! Das ist offensichtlich eine schwere Gruppe. Aber du erwartest ja sowieso nicht, dass du zur WM fährst und dort leichte Gegner hast. Es ist wohl die schwerste Gruppe dieser WM. Da sind die beiden Finalisten der vorigen WM, Chile, das auch einen sehr guten Eindruck macht, und Australien. (lacht)

LAOLA1: Habt ihr überhaupt eine Chance?

Holland: Niemand erwartet etwas von uns, was eine gute Sache ist. Wir können ohne Druck an die Sache herangehen und es genießen. Aber im Fußball weiß man ja nie…

LAOLA1: Wie sieht es mit den Erwartungen in deiner Heimat aus?

Holland: Die Leute erwarten sich nicht viel. Aber wir haben die Öffentlichkeit hinter uns, werden toll unterstützt.

"Bei der nächsten WM kann man einiges von Australien erwarten"

LAOLA1: Welchen Spielstil kann man von Australien erwarten?

Holland: Postecoglous Philosophie ähnelt jener von Barca und Bayern. Er will um jeden Preis Fußballspielen. Vom Goalie bis zum Stürmer – jeder soll kicken können. Er verlangt von uns, dass wir offensiv spielen und aggressiv pressen. Mir gefällt das, weil Australien ja den Ruf der hart arbeitenden Fußballer hat. Er glaubt aber daran, dass wir auch Fußballspielen können. Man kann sagen, dass er versucht, die Identität unseres Fußballs zu verändern. Niemand verbindet Australien mit guten Fußballern – hoffentlich ändert sich das.

LAOLA1: Wir sehen also australisches Tiki-Taka gegen spanisches Tiki-Taka?

Holland: (grinst) Das ist eine andere Geschichte. Aber wir werden es auf jeden Fall versuchen.

LAOLA1: Postecoglou ist erst seit Oktober 2013 im Amt. Warst du überrascht, als Holger Osieck damals entlassen wurde?

Holland: Ein bisschen, aber nicht wirklich. Man wünscht das niemandem. Wir haben einige Jahre unter ihm gearbeitet, er hat mir zu meinem Comeback im Nationalteam verholfen, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

LAOLA1: Stimmst du mir zu, wenn ich behaupte, Australien ist ein Team im Wandel?

Holland: Zu 100 Prozent. 2006 in Deutschland hatten wir eine Generation, die eine wirklich gute WM gespielt hat und zu diesem Zeitpunkt auf ihrem Zenit stand. 2010 in Südafrika war diese Generation schon langsam am Nachlassen. Jetzt sieht man eine neue Generation. Wir haben einige gute Talente, die zwar schon in Europa, aber noch nicht bei Top-Klubs spielen. Bei der nächsten WM kann man einiges von Australien erwarten.

LAOLA1: Das sieht der Teamchef auch so. Er sagt: „Ich bin überzeugt, dass Australien alle überraschen wird. Nicht in diesem Sommer, aber in vier Jahren.“

Holland: Ich kann ihm zur zustimmen. Wenn man sich die nachkommenden Talente ansieht, werden wir in vier Jahren sicher überraschen.

LAOLA1: Ist es ein Vorteil, dass ihr das erste Spiel gegen Chile, das möglicherweise der schwächste eurer drei Gegner ist, spielt?

Holland: Ich glaube nicht, dass sie die Schwächsten sind. Aber die Auslosung ist sicher nicht schlecht für uns.

LAOLA1: Euer Trainer hat einmal gesagt: „Australier tendieren dazu, bei Widrigkeiten enger zusammenzurücken.“

Holland: Damit charakterisiert er die australische Kultur und die Natur der Australier sehr gut. Wir stehen als Team zusammen und helfen uns gegenseitig auf.

LAOLA1: Wie ist Teamchef Ange Postecoglou so?

Holland: Er ist ein guter Trainer. Ich finde, er hat eine gute Philosophie – er will Fußballspielen und versucht, dem Team Selbstvertrauen zu geben. Er glaubt daran, dass alles möglich ist, wenn wir alles geben.

LAOLA1: In Europa ist er ziemlich unbekannt, in Australien aber eine große Nummer, oder?

Holland: Er hat den Teamchef-Job ja nicht bekommen, weil er ein Nobody ist. Er hat sich in einigen Bewerben bewiesen und auch als Nachwuchs-Teamchef. Ich war im Nachwuchs-Team übrigens bei seinem letzten Trainingslager dabei, dann hat er aufgehört.

"Ich habe damals eine Menge Tore geschossen und viele Assists geliefert"

LAOLA1: Du hast in Australien einst als großes Talent gegolten und bist dann früh nach Europa gegangen. Wie schätzt du deinen Ruf in Australien ein?

Holland: Ich bin in den letzten Jahren wieder am Radar aufgetaucht. Ich habe einige gute und ein schlechtes Spiel gemacht. Es würde mich freuen, wenn die Fans denken, dass ich ein guter Spieler bin. Ich kann es aber nicht wirklich sagen, ich verfolge die Medien nicht so. Ich denke, mein Standing ist okay. (grinst)

LAOLA1: Einige Australier erinnern sich noch an dich als den offensiven Mittelfeldspieler, der du in deinen Anfangstagen warst.

Holland: Ja, damals habe ich eine Menge Tore geschossen und viele Assists geliefert. Ich hatte die Fähigkeit, mich gut zu postieren, um zu vielen Chancen zu kommen. In Holland war das ähnlich. Dann bin ich nach Wien gekommen und zu einem Sechser geworden. Unter Stöger hatte ich kaum Möglichkeiten, in der Offensive aufzutauchen, womit ich gut leben konnte, weil mir meine Rolle gefallen hat. In dieser Saison hatte ich ein paar gute Chancen, habe aber trotzdem kein Tor gemacht, was enttäuschend ist.

LAOLA1: Bist du immer noch der jüngste Torschütze der australischen Liga?

Holland: Ich glaube, dieser Rekord wurde mittlerweile gebrochen. Aber es stimmt, ich war es einmal.

LAOLA1: Ist es eine goldene Generation, die da gerade heranwächst?

Holland: Das kann man so sagen. Man weiß im Fußball nie so genau, aber es sieht sehr positiv aus.

LAOLA1: Australien hat zum zweiten Mal an der AFC-Qualifikation teilgenommen und es zum zweiten Mal zur WM geschafft. War es die richtige Entscheidung, die Konföderation zu wechseln?

Holland: Ja, sicher. Wir haben viel mehr schwierige Spiele, werden mehr gefordert.

LAOLA1: Wie schätzt du deine persönlichen Chancen, bei der WM nicht nur im Kader zu sein, sondern tatsächlich auch zu spielen, ein?

Holland: Ich will mir diese Chance erarbeiten. Der Teamchef ist ein Typ, der dich dafür belohnt, wenn du gut spielst. Ich glaube an mich und will es dem Trainer beweisen.

LAOLA1: Wer sind deine größten Konkurrenten innerhalb des Kaders?

Holland: Mile Jedinak, er ist der Kapitän von Crystal Palace, und Mark Milligan, der der Kapitän von Melbourne Victory ist. Wir respektieren uns gegenseitig sehr. Abseits des Feldes sind wir Freunde, auf dem Feld machen wir unseren Job.

"Spieler wie del Piero haben das Profil der A-League geschärft"

LAOLA1: In Österreich könnte es keiner glauben, wenn er dich ein Tor erzielen sehen würde.

Holland: (lacht) Ich würde es auch nicht glauben.

LAOLA1: Lass‘ uns ein wenig über die australische A-League sprechen. Wie beurteilst du die Entwicklung der Meisterschaft in deiner Heimat?

Holland: In den letzten Jahren hat sie sich fantastisch entwickelt. Sie haben versucht, sie nach dem Vorbild der Major League Soccer aufzubauen. Das war sehr erfolgreich. Die Liga ist erwachsen geworden, den Vereinen geht es finanziell gut. Es kommen immer mehr Zuschauer und die Klubs sind sehr gut organisiert. Die Liga wird von Jahr zu Jahr stärker. Für einen Spieler wie mich, der noch unter ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen ist, ist das schön zu sehen. Die jungen Spieler können sich auf etwas freuen.

LAOLA1: Hilft das Franchise-System?

Holland: Ganz sicher sogar. Es gibt einen Salary-Cap, der dafür sorgt, dass die Liga spannend bleibt, weil jeder Klub gleich viel Geld zur Verfügung hat. Kein Klub macht finanziell verrückte Dinge. Das hat vor allem zu Beginn geholfen, für Stabilität zu sorgen.

LAOLA1: Hat es der Liga geholfen, dass Spieler wie Alessandro del Piero, William Gallas und Emile Heskey gekommen sind?

Holland: Ja. Das hat das Profil der Liga geschärft. Es waren ja auch schon Dwight Yorke und Robbie Fowler dort. Solche Spieler bringen die Fans in die Stadien.

LAOLA1: Abschließend: Wer wird Weltmeister?

Holland: Ich sollte jetzt Australien sagen, oder? (grinst) Wenn es nicht Australien wird, dann macht es Brasilien.

Das Gespräch führte Harald Prantl

LAOLA1: Es war eine lange Saison für dich. Bist du nicht müde? Ist es nicht eigentlich Zeit für Ferien?

Holland: Ich fühle mich okay. Die Müdigkeit ist eher mental als körperlich. Der Gedanke an die WM-Teilnahme lässt mich nicht müde werden. Nach dem Spiel gegen Sturm habe ich mich fünf, sechs Tage ausgeruht. Überhaupt: Das ist mein Job, ich setze mich nicht her und beschwere mich. Ich liebe, was ich tue.

LAOLA1: Dein Vertrag bei der Austria läuft noch ein Jahr. Wann ist es Zeit, den nächsten Schritt zu machen?

Holland: Wenn eine gute Möglichkeit kommt, habe ich sicher nichts dagegen. Aber ich werde nicht den Klub wechseln, nur um den Klub zu wechseln. Man weiß im Fußball nie, ein einziger Tag kann dein Leben verändern.

LAOLA1: Aber die WM wäre sicher eine gute Möglichkeit, um sich zu präsentieren.

Holland: Natürlich! Das habe ich auch gemeint, als ich gesagt habe, dass ein Tag dein Leben verändern kann. Wenn ich bei der WM ein Tor erzielen würde… Aber darüber will ich gar nicht zu viel nachdenken.