Senna lebt - mehrfach

Senna lebt - mehrfach

Senna lebt – mehrfach 

Die brasilianischen Taxi-Fahrer kamen an dieser Stelle ja schon das ein oder andere Mal in einer Nebenrolle vor, mittlerweile haben sie es sich aber verdient, dass man eine eigene Geschichte über sie erzählt.

„Kriminalität? Das gefährlichste hier ist der Verkehr“, meinte ein ortsansässiger Österreicher zu Beginn der WM mit einem Schmunzeln und so ganz falsch lag er damit nicht. Tückische Straßenschwellen die man besser nicht übersehen sollte, insgesamt viele schlecht in Stand gesetzte Straßen und eine Fahrkultur die man nicht zwangsläufig als äußerst zivilisiert bezeichnen muss, das sind die Widrigkeiten mit denen man sich als Autofahrer in Brasilien herumschlagen muss. Die Taxifahrer sind in diesem zeitweiligen Chaos die ungekrönten Oberhäupter der Überlebenskünstler. Mit der nötigen Rücksichtslosigkeit und Übersicht rasen sie zwischen den Blechlawinen hindurch und bringen einen manches Mal schneller an sein Ziel, als es einem lieb ist.

Als „die Reinkarnationen Ayrton Sennas“ bezeichnete sie ein Kollege unlängst und wahrlich ist da etwas dran. Blitzschnelle Überholmanöver links wie rechts zeugen davon, dass jeder Taxifahrer zumindest im Geiste einen gelben Rennfahrerhelm trägt. Der Blinker ist dabei meist nicht mehr als ein unnützes Accessoire – gut, Senna kündigte seine Attacken immerhin auch nicht an. Brenzlige Situationen stehen häufiger an der Tagesordnung als in der heutigen Formel 1, kaum eine Taxifahrt vergeht ohne kurze Schrecksekunde für den Fahrgast, den Piloten lassen diese Kleinigkeiten aber naturgemäß und aus Gewohnheit völlig kalt. Man muss zur Verteidigung der Taxler allerdings auch sagen, dass es nicht in ihrer Macht steht, wenn jederzeit kraterähnliche Schlaglöcher oder anderen Schikanen auftauchen können.

Auf ein beruhigendes Wort der Alltags-Sennas darf man nicht hoffen, mehr als ein breites Grinsen kommt ihnen nicht über die Lippen. Verstehen würde man es aber ohnehin kaum, wenn man weder Portugiesisch noch Spanisch beherrscht. Mit Englisch kommt man bei den guten Männern nicht weit und so kann eine einstündige Fahrt schon mal zum großen Schweigen verkommen. Eine gewisse Unsicherheit bleibt daher auch, wenn man das Gefühl hat, der Chauffeur irrt auf der Suche nach der richtigen Adresse ein wenig umher. Letztlich kommt man aber immer am richtigen Ort an, obwohl man bei den geografischen Kenntnissen des einen oder anderen Vertreters doch manchmal seine Zweifel bekommt. So war es dem bislang einzigen Taxler, mit dem ein Gespräch in englischer Sprache möglich war, einfach nicht klar zu machen, wo der Unterschied zwischen Austria und Australia liegt. Partout nannte er mein Heimatland weiterhin Australia, obwohl wir bereits geklärt hatten, dass es in Europa liegt. Auch dass es sich um eine Insel handeln soll, ließ er sich nicht ausreden. Einen letzten verzweifelten Versuch mit „snow and mountains, no kangaroos“ überging er gekonnt und zeigte mir wieder nur das breite Grinsen, der Zeitpunkt zur Kapitulation war gekommen. Naja, er schien seine Begabungen eben eher im sprachlichen Bereich zu haben – und fahren konnte er natürlich wie ein kleiner Senna.