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 Spieltage der Selecao sind in Brasilien Feiertage

Bei all den Meldungen der letzten Wochen erlangte man zwangsweise den Eindruck, die Vorfreude auf die Heim-Weltmeisterschaft wäre unter den Brasilianern überschaubar. Nur noch 40 bis 45 Prozent, je nach Umfrage, sollen das Megaspektakel befürworten. Wer aber glaubt, die Unzufriedenheit über die Organisation und das Verbrennen von Steuermilliarden würde ihre Fußballbegeisterung schmälern, der irrt. Die Bevölkerung steht nicht hinter dem überdimensionierten FIFA-Spektakel, doch sie steht voll und ganz hinter ihrer Mannschaft.

Brasilianische Flaggen zieren Häuserwände, Tankstellen und Autos. Der Donnerstag, an dem die Selecao gegen Kroatien die WM eröffnet, ist – wie jeder Spieltag der Gastgeber – Feiertag. Banken, Geschäfte und das öffentliche Leben stehen still. Termine auf Ämtern und dergleichen wurden von den Behörden abgesagt.

„Aber auch wenn es kein offizieller Feiertag wäre, wäre das den Brasilianern ziemlich egal“, ist sich Klaus Kaiser sicher, dass die Arbeit so und so ruhen würde. Der Wiener Unternehmer lebt seit elf Jahren in Sao Paulo und ist mit einer Brasilianerin verheiratet. Fußball hat im größten Land Südamerikas immer noch einen enorm hohen Stellenwert, wenngleich er auch nicht die gesamte Unzufriedenheit kaschieren kann.

„Natürlich wird es Proteste geben und die auch zurecht. Aber nicht wenn angepfiffen wird, denn dann will jeder das Spiel sehen“, fügt Kaiser hinzu. Einen kleinen Vorgeschmack auf das Treiben, das sich in den Straßen Sao Paulos abspielen wird, gibt es bereits am Mittwochabend zu bestaunen. Vor den Bars tummeln sich die heimischen Fußballfans, Unterstützung erhalten sie aber auch von den Kollegen aus Kroatien und Mexiko. Letztere ziehen vor allem mit ihren Wrestling-Masken die Aufmerksamkeit auf sich. Es wird getanzt und erste Schlachtgesänge werden zum Besten gegeben.

„Die Straßen werden zwar nicht gesperrt, aber morgen kommt hier niemand mehr durch“, sagt Kaiser bei der einen oder anderen gemeinsamen Cerveja, während sich ein Bus zwischen den Menschen hindurch die steilen Hänge hinaufschlängelt. Wenn am Donnerstagabend die Selecao spielt, wird das Spiel auf die Häuserwände projiziert und die Straßen einfach zur Public-Viewing-Area umfunktioniert. Und für den Fall eines Sieges, darf man mit dem ersten Autokorso dieser WM rechnen. Auch wenn sich die meisten Brasilianer die Tickets nicht leisten können, daran, ein Fußballfest zu feiern, lassen sie sich nicht hindern.

„Ich werde meine Familie beim Stadion absetzen, mir die Eröffnungs-Partie dann aber wahrscheinlich hier ansehen“, sagt Kaiser bei einem Blick auf sein Handy, auf dem er die noch ausständige Nachricht über das Eintreffen der Tickets erwartet.

Verdenken kann man es ihm nicht. Bei einem erfolgreichen Spiel der Selecao wird die Stimmung in den Straßen jener im Stadion in Nichts nachstehen.