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"Neue Trainer-Generation erfindet Fremdwörter"

Alles Schlechte hat auch irgendetwas Gutes.

Auf Andreas Herzog umgemünzt: Die verschwindend klein geratene Chance auf die EM-Teilnahme mit der U21 wurde zum Grundstein für einen Jobwechsel der besonderen Art.

Seit Jahresbeginn ist Österreichs Rekordnationalspieler, der bis Dezember als ÖFB-U21-Coach fungierte, Co-Trainer der US-Nationalmannschaft unter der Leitung von Jürgen Klinsmann.

Der Welt-, Europameister und ehemalige deutsche Bundestrainer holte Herzog zu sich ins Team, um eine erfolgreiche Mission "WM 2014" hinzulegen.

Nach zwei 1:0-Siegen im Jänner gegen Venezuela und Panama gab es auch im dritten Spiel mit Herzogs Beteiligung ein 1:0 – bei niemand geringerem als dem vierfachen Weltmeister Italien.

Im Interview mit LAOLA1 spricht der 43-jährige Wiener über den letztwöchigen US-Triumph, seine Bestellung, die langjährige Beziehung zu Jürgen Klinsmann und Otto Rehhagel.

LAOLA1: Nachträglich Gratulation zum Sieg in Italien. Wie war’s mittendrin?

Andreas Herzog: Mittendrin war ja nicht ich, sondern waren die Spieler. Ich denke schon, dass Italien eine gute Mannschaft hat und bei der EM ein Wörtchen mitreden kann. Sie haben ein spielstarkes Team. Ihnen fehlten zwar zwei, drei wichtige Spieler, uns allerdings auch. Für uns war es wichtig, weil wir dadurch extrem positive Schlagzeilen haben, und für die Spieler, weil sie wissen, dass sie auch auswärts siegen können. Was mir imponiert hat, waren die letzten 20 Minuten, in denen sich die Mannschaft aufgeopfert hat. Die Spieler, die reingekommen sind, haben sich mit Todesverachtung in die Schüsse geworfen. Italien kam kaum mehr zu Chancen.

LAOLA1: Drei Spiele, drei Siege, drei Mal 1:0. Ein mehr als gelungener Einstand für Sie, oder?

Herzog: Gegen Italien haben wir zum ersten Mal mit vielen Stammspielern gespielt, bei den ersten beiden Partien waren ja nur die Spieler aus der Major League Soccer dabei. Wir haben echt einige drin, die große Qualität besitzen. Angefangen bei Tormann Tim Howard, in der Abwehr Carlos Bocanegra von den Glasgow Rangers, weiters Clint Dempsey von Fulham und Chievos Michael Bradley. Das ist schon eine ganz gute Achse, die wir da haben.

LAOLA1: Jürgen Klinsmanns Konzept scheint auf Anhieb gut angenommen worden zu sein.

Herzog: Wir haben noch zweieinhalb Jahre bis zur WM, das ist noch ein sehr weiter Weg. Die Qualifikation beginnt erst und bei einer WM müssen wir unter anderem vom Tempo her noch ein wenig besser werden, das ist klar. Es sind verschiedene Geschichten, wenn du Testspiele bestreitest, Quali spielst oder dich für eine WM vorbereitest.

LAOLA1: Die Quali sollte für die USA kein Problem sein, wie sieht der konkrete Plan bis 2014 aus?

Herzog: Die WM-Teilnahme ist ein Muss, keine Frage. Dann muss man schauen, wen man in der Gruppe bekommt und wie man es weiter schafft. Aber das ist eben noch eine lange Geschichte. Wir haben auch ein paar Junge dabei, die in den nächsten Jahren noch ein paar Schritte machen müssen. Von den Anlagen sieht es schon ganz gut aus.

LAOLA1: Sie sind überraschend in die USA gewechselt. Hat Sie Klinsmann gleich nach seiner Bestellung im August kontaktiert?

Herzog: Da war ich ja noch U21-Teamchef und habe meiner Qualifikation entgegengeblickt. Wir haben damals nur so fachgesimpelt. Er hat mich dann einmal angerufen, nachdem er auch mitbekommen haben dürfte, dass ich zum dritten Mal als Teamchef nicht drangekommen bin. In der Folge bin ich die zwei U21-Spiele gegen Bulgarien noch geblieben. Danach war die Enttäuschung aber schon groß, weil die Chance auf eine EM-Qualifikation minimal wurde. Sein Anruf kam zum richtigen Zeitpunkt. Er hat es sozusagen erraten, als ich mir erstmals so richtig Gedanken über die Zeit nach dem ÖFB gemacht habe. Ich hatte noch dieses Jahr Vertrag und das Angebot war vom sportlichen Reiz so groß, dass ich gar nicht lange überlegen musste. Das habe ich mit dem ÖFB besprochen, wir hatten bis zum Schluss ein sehr gutes Verhältnis.

LAOLA1: Welche Gedanken haben Sie sich hinsichtlich Ihrer ÖFB-Tätigkeit gemacht?

Herzog: Was mir am meisten zu denken gegeben hat, war die Tatsache, dass wir von November bis Juni nur zwei Spiele gehabt hätten. Ein Testspiel Ende Februar, vor dem normalerweise sechs, sieben Spieler immer absagen, und dann im Juni ein Quali-Spiel gegen Luxemburg, das auch schon in der Urlaubsphase stattfindet und bei dem die Spieler schon eher andere Gedanken haben. Das war für mich auch zu wenig. In den USA haben wir beim nächsten Lehrgang fünf Länderspiele. Da habe ich in einem Monat fast mehr Partien als mit der U21 in einem Jahr. Ich habe versucht, Lehrgänge zwischendurch einzuschieben. Aber mit dem hast du nicht einmal anfangen brauchen, weil man nicht einmal als A-Nationalteam die Spieler bekommt. So ist es eben.

LAOLA1: Für Sie war also klar, dass Sie den auslaufenden Vertrag nicht verlängern würden?

Herzog: Ich wollte einfach wieder etwas Neues machen, habe etwas Fernweh bekommen, ich musste wieder ein wenig raus.

Cheftrainer Klinsmann und sein "Co" Andreas Herzog

LAOLA1: Wie ist die Trainer-Arbeit bei den Zusammenkünften des Teams verteilt?

Herzog: Es gibt mit Jürgen den Cheftrainer und mit Martin Vazquez und mir zwei Co-Trainer, die in Abstimmung mit Jürgen die Trainings planen und versuchen, die Mannschaft mit verschiedenen Schwerpunkten auf den Gegner einzustellen. Jürgen führt extrem viele Gespräche mit den Spielern, hat auch mit Interviews viel um die Ohren und da versuchen wir die Arbeit, die wir beeinflussen können, so gut wie möglich zu machen. Er trifft schlussendlich die Entscheidungen.

LAOLA1: Ein anderer Kollege heißt Matthias Hamann, seines Zeichens Ex-LASK-Coach.

Herzog: Er hilft in Europa beim Scouting, lebt in Deutschland und kennt natürlich sehr viele Spieler dort. Er hat einmal in der Zeit von Jürgen bei den Bayern hospitiert, daher kennen sie sich ganz gut und er unterstützt uns bei den Beobachtungen. Damit wir über alle Bescheid wissen, die für uns in Frage kommen. Noch hatte ich mit ihm nicht allzu viel zu tun, neulich haben wir uns aber in Düsseldorf getroffen. Er hat einen guten Sachverstand, was Fußball betrifft.

LAOLA1: Als Co-Trainer von Jürgen Klinsmann kann man es weit schaffen, siehe Joachim Löw, der seine Nachfolge als DFB-Bundestrainer antrat. Ein vorbildhafter Weg für Sie?

Herzog: Es ist einfach so, dass ich in den letzten zwei Monaten so viele interessante Leute kennengelernt habe, zu denen du in Österreich normalerweise nie einen Zugang findest. Das heißt nicht, dass ich als Trainer irgendwo leichter unterkomme, aber es ist einfach bislang eine sehr lehrreiche Zeit für mich gewesen und damit absolut positiv.

LAOLA1: Die USA klopften bei der WM 2002 an die Halbfinal-Tür, scheiterten 2010 im Achtelfinale erst im Elferschießen. Wie weit kann die USA 2014 kommen?

Herzog: Man kann noch nicht davon ausgehen, aber das Ziel muss sicher sein, dass man nicht nur an die Halbfinal-Tür anklopft, sondern sie einmal durchtritt. Wir wollen einfach sehr viel herausholen, resultierend aus der deutschen Mentalität gepaart mit der Siegermentalität der Amis. Das ist schon eine interessante Geschichte, die ich auch mitbekommen will, weil in Österreich doch eine etwas andere Mentalität herrscht. Für einen Österreicher ist das ein toller Lernprozess.

LAOLA1: Da bietet sich die USA an. Sie leben aber weiterhin in Österreich.

Herzog: Richtig. Ich lebe mit meiner Familie hier und beobachte in Abstimmung mit Jürgen am Wochenende Spieler. Das ist auch interessant. Ich sehe Top-Partien, sei es in der Premier League, in Schottland, in Italien, egal wo. Es sind zwar sehr viele Reisen, aber immer sehr interessant. Das ist die normale Arbeit zwischen den Lehrgängen. Da wird gescoutet und werden die Spieler über Gutes und Schlechtes gebrieft, sowie über Erwartungen in der Nationalmannschaft gesprochen. Das muss auch von Länderspiel zu Länderspiel in die Köpfe der Spieler rein.

LAOLA1: War Ihr Verhältnis zu Jürgen Klinsmann in Ihrer gemeinsamen Zeit als Aktive bei den Bayern auch schon überdurchschnittlich gut?

Herzog: Überdurchschnittlich nicht, wir haben uns geschätzt. Er war mehr so der Einzelkämpfer, der mit Lothar Matthäus und Thomas Helmer ein bisschen Probleme hatte. Ich war nach ein, zwei Monaten der Außenseiter, weil ich als Ziehsohn von Otto Rehhagel gegolten habe. Weil er nur mehr mit mir gesprochen und zu den anderen Spielern kein Vertrauen mehr hatte – jede Besprechung stand ja damals in der Zeitung. Durch das war ich damals auch ein wenig isoliert.

LAOLA1: Sie waren tatsächlich der einzige Spieler, mit dem Rehhagel dann noch gesprochen hat?

Herzog: Das ist jetzt ein wenig übertrieben gesagt, aber wenn wir irgendwo hingefahren sind, hat er mit den anderen normal gesprochen, aber mit mir eben schon extrem viel. Weil aufgrund unserer gemeinsamen Jahre in Bremen eine Vertrauensbasis da war, die auch in München nicht erschüttert werden konnte.

LAOLA1: War Ihre Position innerhalb der Mannschaft auch die Wurzel für Vorfälle wie jener legendäre mit Oliver Kahn, als er sie am Spielfeld durchschüttelte?

Herzog: Das weiß ich nicht, darüber habe ich mir auch nicht so viele Gedanken gemacht. Das war mehr situationsbedingt. Mit dem Olli Kahn habe ich eigentlich nie so gröbere Probleme gehabt, bis auf die eine Geschichte.

LAOLA1: Otto Rehhagel ist als Hertha-Trainer zurück in der Bundesliga. Überrascht gewesen?

Herzog: Nein, überrascht hat es mich nicht. Ich finde es super für ihn, dass sich diese Möglichkeit ergeben hat, denn er kann ohne Fußball nicht leben. Der Kampf gegen den Abstieg ist in Deutschland schon Stress pur, aber er ist erfahren und Mensch genug, um alles einzuschätzen. Ich denke schon, dass er den Berlinern helfen kann. Er hat ein extrem gutes Gefühl für eine Teamzusammenstellung, kann die Spieler hinter sich bringen und wird das Team zum bestmöglichen Erfolg bringen. Das hat er bei seinen Stationen immer bewiesen.

LAOLA1: Kritiker sprachen unter anderem von einer „Medienverpflichtung“. Sehen Sie sein Alter und dementsprechendes Fußball-Verständnis für die heutige, alltägliche Trainer-Arbeit als Problem?

Herzog: Nein. Der Fußball verändert sich schon ein wenig, aber es gibt jetzt eben Trainer, die alles sehr schön erklären können, rhetorisch modernste Ausdrücke verwenden, aber im Endeffekt ist der gleiche Sinn dahinter wie vor 40, 20 oder zehn Jahren. Nur die neue Trainer-Generation erfindet nun irgendwelche Fremdwörter, damit sie sich besser artikulieren und die Leute glauben, sie haben mehr Ahnung. Da gehört Rehhagel sicher nicht dazu – und ich auch nicht.

LAOLA1: Steckt hinter dem Gesagten mancher Trainer also mehr Schall und Rauch?

Herzog: Früher hat man eben gesagt, man muss richtig attackieren und jetzt heißt es, gegen den Ball zu arbeiten. Das interessiert ja keinen. Wenn es die Mannschaft nicht macht, kannst du schön reden wie du willst. Rehhagel spricht die Sprache der Spieler, hat einen guten Umgang mit ihnen und auch einen guten Zugang. Das ist sicherlich auch sein Erfolgsrezept.

LAOLA1: Sind Rehhagel und Klinsmann wie Tag und Nacht?

Herzog: Nein, Jürgen hat auch eine sehr offene Kommunikation mit den Spielern, das sind auch die Zeichen der Zeit. Das hat Rehhagel schon Anfang der 90er so gemacht und ist ein ganz wichtiger Punkt.

LAOLA1: Inwieweit?

Herzog: Ich bin ja auch Österreicher und als ich nach Deutschland gekommen bin, wir auswärts gegen AC Milan Champions League gespielt haben, sagten manche: „So, jetzt hauen wir die Italiener weg!“ – vor 88.000 Zuschauern. Ich bin mit großen Augen da gestanden und habe mich gefragt: Meinen die das wirklich? Aber die waren davon felsenfest überzeugt. Nur so kannst du eine große Mannschaft werden. Das musst du dir natürlich auch durch Siege – wie jetzt eben in Italien – erarbeiten. Wenn du es dir nur einredest, dann klappt es nicht. Das Schlimmste ist, wenn du auswärts immer knapp verlierst und sagst: „Naja, wir haben schön gespielt.“ Das ist schon die österreichische Mentalität, schön spielen, verlieren und trotzdem halbwegs zufrieden sein. Das ist ein Erfolgskiller!

LAOLA1: Deswegen auch die Flucht ins Ausland?

Herzog: Es ist keine Flucht, ich wollte einfach wieder einmal über die Grenzen hinaus schauen, was  sich im Fußball tut und deswegen habe ich das Angebot sofort angenommen.

LAOLA1: Sie waren als Aktiver in Los Angeles, sind nun nach sieben Jahren wieder in den USA tätig. Hat sich der Stellenwert des Fußballs weiter gebessert?

Herzog: Auf jeden Fall, die Liga wird auch immer attraktiver. Mittlerweile gibt es 19 Mannschaften, Montreal ist heuer neu dazugekommen. Im Nachwuchs hat sich auch viel getan, jedes Team hat eine eigene Akademie und das sind einfach Schritte, die man setzen muss, um langfristig im Fußball erfolgreich zu sein. Dafür ist auch Jürgen der ideale Mann, der Feedback geben kann. Er weiß auf der einen Seite, wie es bei europäischen Top-Mannschaften ausschaut, und auf der anderen Seite kennt er die amerikanische Lebensweise, um zu wissen, wie es umgesetzt werden kann.

LAOLA1: Letzte Frage: Matthias Hamann meinte unlängst, Sie würden eine lustige Komponente ins US-Team einbringen und die auch auf Englisch gut transportieren können.

Herzog: Das klingt wahrscheinlich nur lustig, wenn ich es auf Englisch sage (lacht). Nein, ich bin schon einer, der vor dem Anpfiff noch einen lockeren Spruch drauf hat, zumal du auch eine gewisse Lockerheit brauchst. Das mache ich als Trainer genauso. Ich bin keiner, der den ganzen Tag verschwitzt im Hotel herumrennt und sich fragt, ob er alles richtig gemacht hat, sich also deppert macht. Deswegen muss man eine gewisse Lockerheit haben, im Training und Spiel gilt höchste Konzentration. Aber: Der Wiener Schmäh auf Englisch kommt auch bei den Amerikanern gut an (lacht).

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler