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"In unserer Mannschaft schlummert das Sieger-Gen"

„Das war für mich und jeden Spieler unser WM-Finale!“

Daniel Segovia sorgte so gesehen im EL-Quali-Rückspiel gegen Botev Plovdiv mit seinem Doppelpack höchstpersönlich für St. Pöltens 2:0-Sieg in diesem „Endspiel".

Entsprechend riesig war nach dem Schlusspfiff die Euphorie in der NV-Arena, in der 4250 Fans Zeugen eines kleinen Kapitels österreichischer Fußball-Geschichte wurden: Erstmals schaffte ein heimischer Zweitligist den Aufstieg in die nächste Europacup-Runde.

„Was mich besonders stolz macht: Wir sind nicht mit Glück weitergekommen, sondern wir haben den Gegner an die Wand gespielt“, strahlte Trainer Herbert Gager, dessen Matchplan wie auf dem Reißbrett gezeichnet aufgegangen sei:

„Dass ein Spiel genau so läuft, wie du es dir im Vorfeld wünscht, ist sehr selten. Wir haben den Gegner unter Druck gesetzt, spielerisch und läuferisch dominiert. Der Gegner hatte in 90 Minuten keine Torchance, wir hatten dafür sogar die Chance, das Ergebnis noch höher zu gestalten.“

Der Neo-Coach hat mit seiner Entscheidung, im Rückspiel auf eine Dreierkette in der Abwehr zu setzen, durchaus einen fairen Anteil an diesem gelungenen Fußballabend:

DIE PERFEKTE TAKTIK

„Nein, Bedenken hatte ich keine. Wenn ich mir etwas vornehme, muss ich davon überzeugt sein, und die Mannschaft natürlich auch“, erklärte Gager zum ungewohnten 3-5-2-System, für das er sich bereits unmittelbar nach dem Hinspiel in Burgas entschieden habe. „Ich habe der Mannschaft schon beim Amtsantritt gesagt, dass ich sehr flexibel agieren will und überzeugt bin, dass St. Pölten auch das Spielermaterial dazu hat“, betonte der 44-Jährige und verwies darauf, dass er mit Martin Grasegger, Michael Huber und Tomasz Wisio die richtigen Innenverteidiger für diese Variante habe: „Warum sollen die keine Dreierkette spielen können?“ Dazu mit Marcel Holzmann links und David Stec zwei gute Außenverteidiger und mit dem Spanier David Parada Calvillo einen prädestinierten Sechser: „Dadurch können sich Dominik Hofbauer und Konstantin Kerschbaumer nach vorne hin in Szene setzen. Dazu haben wir zwei gefährliche Stürmer, die immer Tore machen können. Warum soll das nicht funktionieren?“ Durchaus bemerkenswert ist jedoch, dass Gager seine Schützlinge offensichtlich sehr spät in seine Pläne eingeweiht hat. Den Innenverteidigern habe er am Tag vor dem Spiel Bescheid gegeben, Zeit zum Einstudieren sei ob des dichten Spielplans nur am Matchtag im Vormittagstraining geblieben. Mut kann man sich zudem nicht kaufen: Mit Stec schickte er einen Akteur von Beginn an aufs Feld, der es bislang auf gerade einmal zwei Einsätze in der Ersten Liga brachte. Entsprechend strahlte der 20-Jährige nach seiner gelungenen Vorstellung und sprach von der Erfüllung eines Kindheitstraums: „Ich habe schon immer davon geträumt, Profi zu werden. Im Sommer ist es passiert, da habe ich meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Dann gleich Europacup zu spielen, ist Wahnsinn. Das Wichtigste ist, dass man nicht nachdenkt und einfach seine Partie runterspielt. Wenn man nachdenkt, wird man nervös. Ich glaube, ich habe es gut gemacht.“

DIE LEIDENSCHAFT

Ohne ambitioniertes Auftreten ist der beste Matchplan wertlos. „Das freut mich am meisten. Die Diskussion über Dreier-, Vierer- oder Fünferkette ist egal. Es geht nur um die Umsetzung! Das hat die Mannschaft perfekt gemacht“, lobte Gager. Nach vorne zu verteidigen, früh zu attackieren, den Gegner ständig unter Druck zu setzen – diese laufintensive Spielweise zeichnete St. Pölten schon unter Trainer Gerald Baumgartner, der mit Gager „getauscht“ und ihn bei Austria Wien beerbt hat, aus. Mit diesem Auftreten kann man etwaige Klassenunterschiede mitunter kompensieren. „So ist Fußball. Wir haben jedem gezeigt, dass es nicht entscheidend ist, dass wir ein Zweitligist sind. Entscheidend ist, wie man sich präsentiert, wie motiviert man ist. Mit einem guten Matchplan und toller Fitness kann man alles erreichen“, jubelte Dominik Hofbauer. Der Mittelfeldspieler fand, dass es St. Pölten „einfach mehr wollte als die Bulgaren. In unserer Mannschaft schlummert einfach das Sieger-Gen. Wenn wir uns vor dem Spiel vornehmen, dass wir uns den Allerwertesten aufreißen, meinen wir das zu 100 Prozent so. Wir haben wieder mit so viel Leidenschaft gespielt und uns das wirklich verdient.“

KEINE ALIBIS

Vergangenen Donnerstag das Gastspiel in Bulgarien, am Montag das NÖ-Derby gegen Horn, nun das Rückspiel, am Montag folgt in der Ersten Liga Kapfenberg, danach gleich die Reise zum PSV Eindhoven. Die „Wölfe“ sind naturgemäß kein Dauergast im Europacup, daher einen solchen Rhythmus nicht wirklich gewohnt. Umso beeindruckender das Tempo, das sie gehen können. Gager erstickt alle Ansätze einer Diskussion, dass Spielweise gepaart mit dem Programm für Müdigkeit sorgen könnten, im Keim. „Ich glaube, man darf einer Mannschaft nicht zu viele Alibis geben“, erklärt der Coach. Er verstehe Kollegen, die sich über ein dichtes Programm beschweren nicht: „Das ist viel mehr Kopfsache. In Österreich – ich versuche es so zu sagen, dass es mir nicht negativ ausgelegt wird – herrscht einfach die Meinung vor, dass alle so müde sein müssen und die Spieler so arm sind, weil sie jeden dritten Tag ein Match haben. Dafür sind wir ja Profis! Wir trainieren ja das ganze Jahr. Wir wussten, uns erwartet ein strenges Programm, dementsprechend muss man sich vorbereiten. Wir haben jetzt Freitag, Samstag und Sonntag Zeit. Am Montag darf es für einen Profi kein Problem sein, wieder 100 Prozent Leistung zu bringen.“

BELOHNUNG PSV EINDHOVEN

Wie gegen Plovdiv spielten die „Wölfe“ auch schon gegen PSV Eindhoven in der Vorbereitung – ein kurioser Zufall. Wobei die Niederländer im Ernstfall natürlich die attraktivere Herausforderung darstellen. Gager hofft unabhängig vom Ergebnis im Auswärtsspiel auf ein volles Haus. Gerade mit einem Husarenstück wie jenem gegen Plovdiv könne man Begeisterung auslösen: „Ich hoffe, dass wir das Ganze ein bisschen ins Rollen bringen. Beim NÖ-Derby gegen Horn war ich schon ein wenig enttäuscht, da hatten wir nur 2000 Zuschauer. Ich hoffe, dass wir die Leute mobilisieren, wenn wir erfolgreichen Fußball spielen, als Verein wachsen und auch finanziell mehr Möglichkeiten bekommen, weil dann noch mehr Sponsoren kommen. Wenn ich an früher und die 10.000 Zuschauer am alten Voith-Platz denke, sieht man, dass Potenzial da ist. Das versuchen wir zu wecken.“ Präsentiert man sich auch gegen Eindhoven gut, wäre dies fraglos Werbung in eigener Sache. „Wir werden hochmotiviert sein und unsere Spielweise weiter fortsetzen“, verspricht Kerschbaumer, und auch Hofbauer kündigt dem PSV keinen Spaziergang in die nächste Runde an: „Es ist ein Traum für jeden Fußballer dort spielen zu dürfen. Aber wir sind kein Freilos für PSV. Wir sind voller Selbstvertrauen und probieren wieder alles. Wie man gesehen hat, ist im Fußball einfach alles möglich.“


Peter Altmann

KRITIKER LÜGEN GESTRAFT

Als sich der SV Grödig und der SKN St. Pölten für den Europacup qualifiziert hatten, war das Grundvertrauen in beide Vertreter – vorsichtig formuliert – enden wollend. Beide haben die erste Qualifikations-Hürde genommen, während etwa Traditionsverein Sturm Graz im Vorjahr an Breidablik gescheitert war. „Jetzt haben wir es jedem gezeigt, der gesagt hat, wir haben keine Chance. Das war eine super Performance von uns“, freute sich Konstantin Kerschbaumer. Die Genugtuung, die Kritiker Lügen gestraft zu haben, war in der NV-Arena durchaus spürbar – und auch berechtigt. Vor allem weil der Aufstieg laut Meinung des 22-Jährigen verdient war: „In beiden Spielen hat man gesehen, dass nicht so viel Unterschied war. Die bessere Mannschaft hat sich durchgesetzt.“ Möglicherweise ist St. Pölten vom Niveau her auch nicht der klassische Zweitligist. Dass sich der jeweilige Aufsteiger in die Bundesliga in den vergangenen Jahren gut präsentiert, wird zudem langsam ohnehin zur Tradition. Auch beim SKN ist das Oberhaus das erklärte Ziel. „Wir haben letztes Jahr bewiesen, dass wir gegen Bundesligisten sehr gut mitgehalten oder sie sogar geschlagen haben. Ich glaube schon, dass wir da eine Rolle spielen könnten“, glaubt Kerschbaumer. Als Austria-Trainer konnte Gager Grödigs Sprung in den Europacup nicht verhindern. Aus heutiger Sicht ist er stolz auf die rot-weiß-roten Underdogs: „Die Tabelle lügt am Ende nicht, auch wenn es mich negativ betroffen hat. Wenn Grödig einen Punkt mehr hat, sind sie verdient im Europacup. Wenn St. Pölten im Cup-Finale steht, sind sie verdient im Europacup. Beide Mannschaften haben beweisen, dass sie Österreich würdig vertreten können.“