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"Bis zum 0:1 hatten wir alles unter Kontrolle"

Der Begriff des Abends in Graz? „Individuelle Fehler“.

Zwei davon waren erstens der Kategorie dämlich und zweitens spielentscheidend, sodass Sturm auch das zweite Heimspiel dieser Europa-League-Gruppenphase verlor. Nach dem 1:2 gegen Lok Moskau setzte es diesmal ein 0:2 gegen Anderlecht.

„International darfst du keine Fehler machen. Wenn du so gravierende wie wir begehst, verlierst du solche Spiele“, ärgerte sich Mario Haas.

Die beiden Fehler, mit denen sich die Grazer selbst besiegten, traten in den Minuten 66 und 67 quasi im Doppelpack auf.

Lapsus Nummer 1: Das Gegentor zum 0:1. „Im Prinzip sind wir aus dem Nichts durch einen unnötigen Abwurf vom Tormann ins Mittelfeld in Rückstand geraten“, monierte Trainer Franco Foda.

Schlussmann Silvije Cavlina leitete den Selbstfaller ein und vollendete ihn auch in patscherter Manier, als er im Duell mit Milan Jovanovic den sicher geglaubten Ball nicht festhalten konnte. Guillaume Gillet reagierte am Schnellsten und bugsierte das Spielgerät ins Tor.

„Vorwürfe machen wir überhaupt keine, denn wir sind alle Kollegen und Menschen. Jeder kann Fehler machen“, nahm Ferdinand Feldhofer seinen Goalie in Schutz. Dass der Innenverteidiger als Joker aufs Feld musste, lag am „Folgefehler“.

Lapsus Nummer 2: Nur eine Minute nach dem Verlusttreffer musste Thomas Burgsteller mit der Ampelkarte vom Feld. Eine Aktion, für die Foda null Verständnis aufbrachte:

„Ein unnötiges Frustfoul. Dafür kann man kein Verständnis haben. Wenn das einem jungen Spieler passiert, kann man auch einmal ein Auge zudrücken, aber  einem Routinier, der weiß, dass er die Gelbe Karte hat, darf so ein Foul auf Höhe der Mittellinie nicht passieren.“

In voller Mannstärke wäre laut Meinung des Deutschen zumindest der Ausgleich noch im Bereich des Möglichen gewesen. „Durch den Ausschluss waren mir die Hände gebunden, da ich nicht mehr so wechseln konnte, wie ich es vorhatte. Ich wollte eigentlich noch Roman Kienast bringen, um alles zu riskieren. So hatte ich eine Wechselmöglichkeit weniger“, bedauerte der 45-Jährige.

„Such’s Balli“ in der Schlussphase

Matias Suarez besiegelte in Minute 75 mit seinem Treffer zum 2:0 endgültig die Niederlage der Steirer. „In den letzten 20 Minuten war es mit einem Mann weniger eher ‚Such’s Balli‘“, beschrieb Feldhofer die Schlussphase, in der die Luft aus dem Match draußen war.

Wie die Partie ohne den Fehler-Doppelpack geendet hätte, steht in den Sternen. „Wäre es länger 0:0 gestanden, hätten wir sicher noch das eine Tor gemacht“, ist sich Feldhofer sicher.

Nicht in den Konjunktiv flüchten musste Foda, wenn es um die Qualitätsunterschiede der beiden Kontrahenten geht. Dass der Kader der Belgier mit den besseren Einzelspielern bestückt ist, ist Fakt.

In der Gruppe noch „alles möglich“

„Natürlich weiß ich, dass Anderlecht mehr individuelle Klasse als wir besitzt. Sie haben mit Suarez, Mbokani, Jovanovic und Biglia außergewöhnliche Spieler, die ein Spiel im Alleingang entscheiden können“, gibt Foda zu und betont gleichzeitig:

„Trotzdem bin ich immer der Meinung, man kann mangelnde individuelle Klasse mit taktischer Disziplin, Leidenschaft, Biss, Wille, Spielfreude und Mut wettmachen. Deshalb ist diese Niederlage sehr ärgerlich.“

Ärgerlich auch deshalb, weil sich die Ausgangsposition in der Gruppe naturgemäß verschlechtert hat. Als aussichtslos schätzte der Deutsche die Chancen, den zweiten Platz zu belegen, jedoch noch nicht ein.

„Wir spielen noch zu Hause gegen Athen, sowie in Moskau und bei Anderlecht. Es gibt noch neun Punkte zu verteilen, und ich denke, man muss sechs Punkte holen, um Tabellenzweiter zu werden. Insofern ist alles möglich, aber aufgrund dieser Niederlage wird es natürlich schwierig. Aber solange es eine Möglichkeit gibt, werden wir alles versuchen.“

Peter Altmann

Man kann die Partie so gesehen getrost in zwei Phasen einteilen. Denn solange es 0:0 stand, machte Sturm gegen den weitaus höher eingeschätzten Gegner keine schlechte Figur.

Freilich war es kein rauschendes Fußball-Fest, mit unnötigen Abspielfehlern machten sich die „Blackies“ das Leben auch immer wieder selbst schwer. Aber weitestgehend ging der Plan, kompakt zu stehen und nichts zuzulassen, auf.

„Bis zum 0:1 hatten wir alles unter Kontrolle. Wir haben nichts zugelassen und hatten selbst Chancen, um in Führung zu gehen. Für mich war es ein 50:50-Spiel, eine normale 0:0-Partie. Dann kamen die dummen Fehler“, analysierte Darko Bodul.

„Wir haben gewusst, ein paar Nadelstiche zu setzen“

Das 0:1 fiel in der Tat mitten in die beste Phase Sturms, als man begann, sich mehr nach vorne zu trauen. In Minute 63 vermochte man die beste Möglichkeit nicht zu nutzen, als ein Stanglpass von Florian Kainz den aufgerückten Martin Ehrenreich knapp verfehlte.

„Wir haben alle das Gefühl gehabt, jetzt kommt die entscheidende Phase und wir sind recht gut dabei“, erläuterte Feldhofer, der hervorhob, was dem Meister an diesem Abend gut gelang:

„Wir sind sehr diszipliniert aufgetreten, haben hinten nicht viel riskiert. Die Stürmer und das Mittelfeld haben sehr gut gearbeitet. Deshalb haben wir wenig zugelassen. Man hat trotzdem immer wieder gesehen, dass Anderlecht sehr große individuelle Klasse hat, aber wir haben gewusst, ein paar Nadelstiche zu setzen, damit sie sich nicht zu sicher werden. Mir ist aufgefallen, dass sie vor allem in der ersten Halbzeit oft nur mit vier Spielern nach vorne gegangen sind und Respekt hatten vor uns.“

„Gut kombiniert und zielstrebig nach vorne“

Auch Foda sprach von einer taktisch sehr guten Leistung, fand jedoch in der Pause auch genügend Verbesserungspotenzial.

„Ich habe der Mannschaft gesagt, dass wir ruhiger und besser nach vorne spielen und am Ball besseres Positionsspiel aufziehen müssen. Die erste Hälfte der zweiten Halbzeit war viel besser, da waren wir drauf und dran das 1:0 zu erzielen. Wir haben gut kombiniert, zielstrebig nach vorne gespielt und die eine oder andere Torchance vorgefunden.“