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Die Dominanz als Segen

Die Dominanz als Segen

Es dauert eben immer ein bisschen länger in Österreich. Seit Jahrzehnten hinkt der Fußball in diesem Land den taktischen Entwicklungen hinterher.

Ob Vierer-Abwehrkette, Doppel-Sechs oder falsche Neun – bis neue Ideen in der Bundesliga ankamen, waren sie anderswo längst schon Usus. Jene Menschen, die sich noch daran erinnern können, als Österreich in Sachen Taktik, Spielanlage und Spielsystem eine Pionier-Rolle eingenommen hat, sind fast schon ausgestorben.

Keine Italiener

Das liegt nicht zuletzt an der Rolle der Medien. Über taktische Feinheiten und Entwicklungen wurde in den vergangenen Jahrzehnten nur selten detailliert berichtet, die Herangehensweise an Themen dieser Art war eher schüchtern.

Dementsprechend hielt sich auch das Interesse des Publikums in überschaubaren Grenzen. Während etwa in Italien – freilich ein Extrembeispiel – nur zu gerne über Systeme und Spielideen diskutiert wird, ist der österreichische Stammtisch mit anderen Themen beschäftigt.

Es wird besser

Doch die Sache bessert sich. In den vergangenen paar Jahren wird – nicht zuletzt dank einiger sehr engagierter Blogger – mehr und mehr über Taktik geschrieben und diskutiert. Das Thema ist auch in den meisten Massenmedien angekommen. Selbst das staatliche Fernsehen versucht sich in Taktik-Analysen.

Die Folgen sind überaus positiv. Der durchschnittliche Stadionbesucher weiß mittlerweile, dass es nicht zwangsläufig zwei Stürmer braucht, um offensiv zu spielen. Und ihm ist bewusst, dass eine Mannschaft nicht zwingend besser spielt, nur weil sie mehr läuft als ihr Gegner.

Salzburg ein Segen

In Anbetracht dieser positiven Entwicklung ist es ein Segen, eine Mannschaft wie Red Bull Salzburg in diesem Land zu haben. Die „Bullen“ dominieren die Liga, mischen Europa auf und versetzen die Fans ins Staunen.

Und es ist augenscheinlich, dass all diese Erfolge nicht nur daraus resultieren, dass die Salzburger die besten Spieler haben, sondern auch daraus, dass sie den besten Plan haben. Wenn die Salzburger derart hoch pressen wie in Amsterdam und dann auch noch dermaßen erfolgreich sind, kommt man nicht umhin, sich intensiver mit der Spielidee dahinter zu beschäftigen.

Schmidts Erklärungen

Zudem sitzt mit Roger Schmidt ein Mann auf der Trainerbank, der nicht müde wird, die Hintergründe seiner Spielanlage zu erklären. Fast schon gebetsmühlenartig wiederholt der Deutsche bei jeder Pressekonferenz, wie das Spiel seiner Mannschaft angelegt ist und erklärt auch gerne, warum.

Das ist gut. Es führt nämlich zu einer öffentlichen Diskussion, wie die Salzburger zu knacken sind. Und es führt dazu, dass sich Medien und Zuseher noch intensiver mit der Materie auseinandersetzen müssen. Das wiederum führt zu kritischen Konsumenten. Die Trainer in diesem Land sind mehr und mehr gezwungen, ihre Ideen zu erklären und zu begründen, warum ihre Mannschaft dieses macht und jenes bleiben lässt. Wer das nicht kann, wird rasch entlarvt – nicht nur von der Tabelle.

Keine Revolutionen erwarten

So wird der Fußball in diesem Land besser. Wenngleich freilich nicht erwartet werden darf, dass der Fußball von der österreichischen Bundesliga aus revolutioniert wird. Auch Salzburg hat nichts Neues erfunden, die „Bullen“ sind ja bei weitem nicht das erste Team, das derartig spielt. Aber sie machen es derzeit wohl besser als viele vor ihnen.

Auch wenn keine Revolutionen erwartet werden dürfen, so doch, dass sich neue Ideen in Österreich wesentlich schneller durchsetzen, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Was in Deutschland, Spanien, Italien und England funktioniert, funktioniert auch hierzulande. Man muss nur einen klaren Plan haben, ihn an seine Mannschaft anpassen und ihn durchziehen. Und darüber sprechen.

Harald Prantl