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"Das ist ein Gütesiegel"

Vor vier Jahren erlebte Josef Hickersberger wohl das Highlight seiner Trainer-Karriere.

Als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft bestritt der Niederösterreicher die Heim-EURO 2008.

Kurz danach beendet er sein Engagement beim ÖFB und heuerte bei Al-Wahda in den Vereinigten Arabischen Emiraten an.

Seit Ende Mai ist der mittlerweile 64-Jährige wieder zurück in Österreich. „Auf Urlaub“, wie der ehemalige Internationale betont.

Im großen LAOLA1-Interview spricht Hickersberger über seine Zukunft, die Erinnerungen an die EURO 2008, die Entwicklung des ÖFB-Teams und die bevorstehende EM in Polen und der Ukraine.

LAOLA1: Herzlich Willkommen zurück in Österreich. Wie schön ist das Gefühl nach dreieinhalb Jahren wieder in der Heimat zu sein?

Josef Hickersberger: Danke. Es ist ein schönes Gefühl daheim zu sein. Ich war ja auch in den letzten Jahren immer im Sommer in Österreich. Schauen wir einmal, wie lange mein Aufenthalt diesmal dauern wird.

LAOLA1: Sie haben unter anderem Diego Maradona kennengelernt. Wie tickt dieser Superstar?

Hickersberger: Wir haben uns nur vor, während und nach den Partien gegen Al-Wasl gesehen. Diego ist ein sehr herzlicher Mensch. Wir hatten immer ein sehr faires Verhältnis. Es ist immer sehr korrekt abgelaufen. Er ist natürlich ein absoluter Gewinn für die Liga, weil er Aufmerksamkeit für den Fußball in den Vereinigten Arabischen Emiraten erregt hat. In Südamerika hat niemand gewusst, wo die Emirate liegen. Dank Maradona weiß man das nun.

LAOLA1: Welche Beweggründe hatten Sie, die Vereinigten Arabischen Emirate zu verlassen?

Hickersberger: Mein Vertrag ist abgelaufen. Sowohl der Klub als auch ich waren der Meinung, dass es keinen Sinn macht, noch ein Jahr dranzuhängen.

LAOLA1: Andererseits zieht es Sie immer wieder in den Nahen Osten. Warum?

Hickersberger: Es gibt mehrere Gründe. Ich fühle mich in den Emiraten einfach sehr wohl. Es ist ein sicheres Land. Zudem sind die Winter wärmer, als in Österreich. Über die anderen Beweggründe möchte ich besser nicht reden (lacht).

LAOLA1: Sind Sie derzeit auf Jobsuche?

Hickersberger: Nein. Wenn mir ein Job angeboten wird, kann man natürlich reden. Suchen tue ich aber nicht. Ich bin auf Urlaub, habe die ersten drei Tage bisher sehr genossen. Das Wetter ist angenehm. In Abu Dhabi hatten wir zuletzt an die 40 Grad. So gesehen fühle ich mich sehr wohl und genieße die Zeit.

LAOLA1: Zuletzt wurde ihr Namen mit der Wiener Austria in Verbindung gebracht. War es nur ein Gerücht, oder war doch mehr dahinter?

Hickersberger: Es war überhaupt nichts dran. Es war ein Spiel der Medien, weil sie wussten, dass mein Vertrag ausläuft und nicht verlängert wird. Es hat weder ein Treffen noch ein Telefonat mit meinem Freund Thomas Parits gegeben.

LAOLA1: Vor vier Jahren waren Sie noch ÖFB-Teamchef bei der Heim-EURO. Wie blicken Sie auf dieses Ereignis zurück?

Hickersberger: Es gab Momente, die ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen werde. Besonders in Erinnerung bleibt mir die Fahrt zum ersten Spiel gegen Kroatien. Tausende Menschen vor dem Stadion, die spürbare Euphorie und die Atmosphäre. Die Stimmung im Happel-Stadion sieht man selbst heute im internationalen Fußball ganz selten. Es sind wirklich schöne Erinnerungen, aber nicht mehr.

LAOLA1: Und die sportlichen Erinnerungen?

Hickersberger: Mich freut, dass meine Einschätzung, als ich den Job übernommen habe, richtig war. Ich habe mir Chancen auf das Viertelfinale ausgerechnet. Die Mannschaft war dank der langen Vorbereitung konditionell in einem hervorragenden Zustand und hat sehr organisiert gespielt. Leider haben wir die Chancen gegen Polen nicht genützt und gegen Kroatien nach vier Minuten einen Elfmeter verschuldet. Deswegen hat es schlussendlich nicht gereicht. Ich verbinde mit dem Ausscheiden aber nichts Negatives, denn es war klar, dass bei einem Aufstieg unter die acht besten Mannschaften Europas alles passen muss. Da muss man seine Torchancen nützen und darf keine Fehler machen.

LAOLA1: Im Nachhinein hätten Sie wahrscheinlich Marc Janko einberufen, oder?

Hickersberger: Marc war bei der EURO nicht dabei. Für mich war dafür ausschlaggebend, dass er in dem Jahr vor der EM kaum gespielt hat. Er wurde von zahlreichen Verletzungen heimgesucht und ist erst nach der EURO explodiert. Marc hat es geschafft, ins Ausland zu kommen. Er ist jetzt bei seiner zweiten Station beim FC Porto – und darauf kann er wirklich stolz sein.

LAOLA1: Die EM 2012 startet am Freitag. Kann sie die EURO 2008 toppen?

Hickersberger: Nein, das glaube ich nicht, weil die Infrastruktur in Polen und der Ukraine bei Weitem nicht mit jener von Österreich und der Schweiz mithalten kann. Sportlich ist es möglich. Als Paket gesehen, ist es für Polen und die Ukraine aber unmöglich.

LAOLA1: Wer ist ihr Titelfavorit?

Hickersberger: Ambitionen haben alle - Chancen auf den Titel aber nur die üblichen Nationen, die jeder auf der Rechnung hat. Spanien hat das größte Potenzial. Polen ist mit seinen tollen Legionären ein Außenseiter-Tipp. England zähle ich nicht dazu. Auch Frankreich ist mit Benzema, Ribery und Malouda nicht zu vergessen. Bei Italien muss man schauen, wie sich der Skandal auswirken wird.  Vielleicht gibt es auch eine Überraschung. Man erinnere sich nur an Dänemark 1992 oder Griechenland 2004.

LAOLA1: Wie schwer wird es für Spanien sein, den Titel zu verteidigen. Kann es sein, dass die anderen Teams um ein paar Prozent hungriger sind?

Hickersberger: An Motivation, Hunger und Siegeswillen wird es den Spaniern nicht fehlen. Davon bin ich überzeugt. Die Spieler von Barcelona und Real Madrid sind nach dem überraschenden Aus im CL-Halbfinale bestimmt hungrig. Die Champions League hat aber auch gezeigt, dass im Fußball nicht immer das bessere Team gewinnt. Der Fußballgott hat das letzte Wort.

Das Gepräch führte Martin Wechtl

LAOLA1: Warum hat man die Euphorie nach der EURO nicht bündeln können?

Hickersberger: Das weiß ich nicht. Ich bin im Herbst 2008 nach Al-Wada gegangen und habe es nur noch aus der Ferne mitverfolgt. Die ersten Spiele unter Karel Brückner habe ich noch mitbekommen, alles weitere nicht mehr. Didi Constantini hat auf viele Spieler, die die Erfahrung einer Europameisterschaft mitgebracht hätten, verzichtet und eine neue Mannschaft ausgebaut. Diese Entscheidung war in mehreren Fällen nicht nachvollziehbar. Ich denke da an Stranzl oder Garics.

LAOLA1: Hat Constantini zu viele Spieler getestet und es dadurch verabsäumt, früh einen Stamm zu finden?

Hickersberger: Ich habe auch vor der EURO sehr vielen jungen Spielen eine Chance gegeben. Man kann das Thema von verschiedenen Seiten betrachten. Sehr positiv ist, dass ein David Alaba schon sehr früh ins Nationalteam einberufen wurde. Er wird im nächsten Jahrzehnt ein Schlüsselspieler für das Nationalteam sein.

LAOLA1: Kann er als Paradebeispiel für die Entwicklung im ÖFB angesehen werden?

Hickersberger: David ist ein Spieler an dem sich die Mannschaft in den kommenden Qualifikationen orientieren kann. Trotz seiner jungen Jahre bringt er die Erfahrungen eines absoluten europäischen Spitzenteams mit.

LAOLA1: Kann man die Arbeit und die Entwicklung des ÖFB-Teams unter Teamchef Marcel Koller schon beurteilen?

Hickersberger: Ich finde das erste Match in der Ukraine war trotz der Niederlage das beste Match seiner Amtszeit. Wir haben das Spiel dominiert. Das war ein sehr gutes Zeichen. Im letzten Spiel in Innsbruck hat es trotz Sieg dafür viele Mängel gegeben. Im Endeffekt zählt aber das Resultat. Es ist wieder eine positive Stimmung in Österreich vorhanden – auf der kann man aufbauen. Zudem ist der Kader qualitativ gesehen viel stärker als noch vor vier Jahren. Wir haben sehr viele Legionäre, die noch dazu in sehr starken Ligen fast regelmäßig zum Einsatz kommen. Das ist ein Gütesiegel.

LAOLA1: Kennen Sie Marcel Koller bzw. glauben Sie, dass er der richtige Mann für Österreich ist?

Hickersberger: Ich kenne ihn nicht persönlich, habe ihn noch nicht getroffen. Die Entscheidung ihn zum Teamchef zu machen, habe ich aber begrüßt. Er bringt Erfahrung mit, hat lange in der Deutschen Bundesliga bei Bochum gearbeitet. Wer es schafft, dort so lange Trainer zu sein, kann von einem besonderen Erfolg sprechen. Bochum ist ein Fahrstuhlverein, der, wenn er in der Bundesliga ist, gegen die Abstieg spielt. Dort hat er einen guten Job gemacht.

LAOLA1: Haben sie seine Bestellung begrüßt, weil Koller ein Außenstehender ist?

Hickersberger: Nein, ich halte von der Theorie von den Seilschaften überhaupt nichts. Davon habe ich nichts gemerkt. Wenn man liest, was da alles hineininterpretiert wird – das ist schrecklich.