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Kleer: "Für den FAC war das Jahr 2014 ein einmaliges"

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"Es geht phasenweise schon an die Substanz", gibt FAC-Trainer Hans Kleer zu.

Der 45-Jährige kombiniert seinen Fulltime-Job als Angestellter mit jenem beim Erste-Liga-Neuling. "Ich komme sozusagen nach der Arbeit zur Arbeit", schmunzelt Kleer. Nach einem "langen und erfolgreichen" Herbst macht er deshalb keinen Hehl daraus, die Winterpause herbeizusehnen.

Ein Indiz dafür, dass man in Floridsdorf im Amateurfußball stecken geblieben ist? Keineswegs, wie ein Blick auf die Tabelle der Ersten Liga offenbart. 25 Punkte, ein vierter Platz und eine zwischenzeitliche Serie von zehn Spielen ohne Niederlage untermauern, dass der FAC im Profifußball angekommen ist.

Entgegen aller Prognosen, in denen die Kleer-Elf vor der Saison zum Fixabsteiger erklärt worden war, zeigten die Wiener mit kompakter Defensive und verbessertem Offensivspiel, wie es gehen kann.

Der Coach verrät im großen LAOLA1-Interview, welche Arbeit und Entwicklung hinter dem Höhenflug steckt und welche Probleme FAC und Liga dringend lösen müssen. Außerdem zieht Kleer Halbzeitbilanz.

Dabei überwiegen die Lichtblicke, auch wenn zwischendurch einmal ein paar Lux fehlten.

LAOLA1: Herr Kleer, wie gut kennen Sie sich nach der ersten FAC-Halbsaison im Profigeschäft mit Lichtstärkenmessungen aus?

Kleer: (Lacht) Sehr gut. Jetzt sind wir nicht nur am Fußballplatz Profis, sondern auch mit unserem Flutlicht und allem was sonst noch dazugehört. In ganz Floridsdorf waren wochenlang alle Taschenlampen ausverkauft, sodass wir auch wirklich spielen konnten. Ich hoffe, das Thema liegt jetzt ad acta. Es ist wichtig für uns, am FAC-Platz zu spielen.

LAOLA1: Sportlich hat dem FAC das Licht nicht erst aufgehen müssen. Es lief von Anfang an wie am Schnürchen. Lediglich zwischen der fünften und siebenten Runde gab es mit drei Niederlagen ein Zwischentief. Was ist in diesen Wochen falsch gelaufen?

Kleer: Es war eine kritische Phase. Wir haben mit Haselberger, Sadovic und Maderner davor drei Spieler dazugenommen. Das hat innerhalb der Mannschaft für Umstrukturierungen gesorgt, was wiederum zu neuen Hierarchien und leichter Unruhe geführt hat. Wir dachten, dass die Mannschaft stabiler sei.

LAOLA1: Vermutlich auch für Sie eine heikle Situation. Wie sind Sie damit umgegangen?

Kleer: Man muss positiv bleiben, die Spieler stärken und ihnen vertrauen. Erst durch die Länderspielpause hatte sich die Mannschaft gefunden. Es spielte dann im Grunde immer die gleiche Viererkette, was zur Stabilität beigetragen hat. Offensiv sind wir variabler geworden. Bei all dem spielt aber immer auch der Faktor Zeit eine Rolle. Mittlerweile sind die Neuzugänge innerhalb der Mannschaft anerkannt, weil sie Verstärkungen sind.

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LAOLA1: Wie viel von all dem war in der jüngsten Serie, der FAC blieb bis zum 1:3 in Liefering zehn Runden in Folge ungeschlagen, schon zu sehen?

Kleer: Ich weiß, dass ich als Trainer nie alles zu sehen bekomme, was wir trainieren. Gute Trainingsarbeit macht sich eher über lange Zeit bezahlt. Bei einzelnen Spielen, oder einer solchen Serie, ist immer auch Glück dabei.

LAOLA1: Aber auch Pech, denn allzu oft kassierte Ihr Team späte Ausgleichstreffer, was zu vielen Unentschieden führte.

Kleer: Ich wurde oft darauf angesprochen, warum wir immer wieder späte Gegentore kassieren. Das hat verschiedene Gründe. Fehlende Erfahrung, individuelles aber auch gruppentaktisches Fehlverhalten in gewissen Situationen. Da sieht man die höhere Qualität der Gegner im Vergleich zur Regionalliga, wo wir Führungen nie hergegeben haben. Da wären wir wieder beim Reifeprozess.

LAOLA1: Mit der einen angesprochenen Ausnahme hat man nie zwei Spiele hintereinander verloren, war zuletzt zehn Spiele ungeschlagen, trotzdem ist der Abstiegsplatz nur vier Punkte entfernt. Kann man sich da überhaupt freuen?

Kleer: Auf jeden Fall! Wir können und müssen stolz sein. Für den Verein war das Jahr 2014 ein einmaliges. Natürlich ist es zwiespältig, weil der Vierte normalerweise einen größeren Polster hat. Die Liga ist eben einmalig, das wurde oft diskutiert. Im Frühjahr werden sich zwei oder drei Mannschaften von diesem Siebener-Paket loslösen und da müssen wir dabei sein.

LAOLA1: Den Zuschauern gefällt, was Sie mit Ihrem Team veranstalten. 1259 Fans kamen im Schnitt zu den Heimspielen. Unglaublich, oder?

Kleer: Das ist eine Überraschung und höchst erstaunlich, dass wir diesen Zuspruch erfahren. Wir waren in der Ostliga nicht der Zuschauermagnet, konnten aber durch kontinuierliche Arbeit und guten Fußball die Leute anlocken. Es spielte aber schon auch der Faktor des "Neuen", des "Erstmaligen" eine Rolle. Ich hoffe, dass wir diesen Schnitt halten können. 

LAOLA1: Bis vor kurzem lief die Liga unter dem Slogan "Heute für Morgen". Auf den FAC trifft das kaum zu, denn der Klub ist eigentlich kein Ausbildungsverein, der den Bundesligaspielern von morgen Spielzeiten ermöglicht. Würden Sie diesbezüglich zustimmen?

Kleer: (Überlegt lange) Darüber habe ich mir bislang wenig Gedanken gemacht. Ich glaube, das trifft zu, aber andererseits... Was ist ein Ausbildungsverein? Man wird zwangsläufig zu einem, denn es wird immer wieder Spieler geben, die die Erste Liga als Sprungbrett für die Bundesliga nutzen. Maderner hat über uns beispielsweise den Sprung zurück in die erste Mannschaft geschafft. Es müssen andere beurteilen, wie sie den Verein sehen.

LAOLA1: Lassen Sie jetzt, wo Sie die Liga kennen, anders spielen?

Kleer: Am Anfang war die Euphorie, das Herz, die Leidenschaft und vor allem das Spielglück auf unserer Seite. Wir haben aber eher reagiert als agiert und wussten deshalb, dass wir die Neuzugänge brauchen würden. In den letzten Runden hatten wir ein anderes Auftreten, konnten das Spiel mitgestalten, waren auch dominant und standen höher.

LAOLA1: Demzufolge haben sich die Spieler schnell an das höhere Niveau angepasst?

Kleer: Es ist ein Reifeprozess. Nicht nur was das Spielerische, sondern vor allem was das Körperliche und das Tempo betrifft.

LAOLA1: Sie sagten einmal, dass sich auch ein Trainer entwickeln muss. Wie haben Sie sich und Ihre Spielphilosophie der Ersten Liga angepasst?

Kleer: Auch das ist ein Prozess. Man analysiert die Stärken und Schwächen der Mannschaft neu und überlegt: "Wie können wir noch erfolgreicher spielen?" In den ersten Runden standen wir zwar kompakt, aber auch tief. Somit war der Weg zum Tor extrem weit. Zunächst traute ich meinem Team nicht zu, höher zu attackieren. Das hat sich aufgrund unserer körperlichen Präsenz verändert. Jetzt kommen wir besser in die Zweikämpfe, haben dadurch schneller Ballbesitz. Nun war es sinnvoll, mehr im spielerischen Bereich zu arbeiten, zu agieren.

LAOLA1: Das sah konkret wie aus?

Kleer: Die Trainingsschwerpunkte lagen vermehrt in der Offensive. Unter anderem in Spieleröffnung, Spielaufbau, dem Finden von Lösungen im spielerischen Bereich oder im Adaptieren von Laufwegen. Man hat aber im Cup-Spiel gegen Ritzing, einen tiefstehenden Gegner, gesehen, dass wir uns noch schwer tun, das Spiel zu machen. Da mussten und müssen wir uns noch weiterentwickeln.

Duran: 2011 letztmals Erste Liga, jetzt Stütze

LAOLA1: Der FAC gibt immer wieder Spielern die Chance, für die der Zug nach ganz oben eigentlich schon abgefahren war, die vielleicht auf das Abstellgleis geraten sind. So hat man mit Lukas Mössner und Sargon Duran zwei Stützen, die zuvor länger nicht in der Ersten Liga spielten. Oder in Mirnel Sadovic einen Routinier, der bei St. Pölten zuletzt nicht mehr im Kader stand. Ist das Teil der Philosophie?

Kleer: Spieler müssen in erster Linie zum Verein passen. Gerade bei etwas älteren Spielern muss ich der vollsten Überzeugung sein, dass sie uns helfen können. Dass die Genannten die Qualität haben, wussten wir. Man darf aber auch die ganz jungen Spieler wie Demic, Haas oder Mohr nicht vergessen, die den Sprung vielleicht im ersten Moment nicht geschafft haben, aber von deren Qualität wir absolut überzeugt sind. Dazu muss man die Spieler aber kennen und beobachten. Dahingehend funktioniert die Zusammenarbeit mit Pero (Co-Trainer Brnic, Anm.) sehr gut. Alle bekommen eine Chance, aber wir werden immer wieder auch jemanden verpflichten, der nicht einschlägt. Wir sind keine Wundertüte!

LAOLA1: Der Kader ist mit 24,6 Jahren im Schnitt der drittälteste der Liga (nach Mattersburg und Lustenau). Was ist aus so einer Statistik herauszulesen?

Kleer: Alt ist immer relativ. Bei uns ist nur Sadovic über 30, der Rest ist im besten Fußballer-Alter. Dass wir die drittälteste Mannschaft der Liga sind, ist darauf zurückzuführen, dass andere Teams extrem jung sind, was mit der Jugendregelung zu tun hat, die nicht sinnvoll ist.

LAOLA1: Was sind Ihre Bedenken?

Kleer: Dadurch, dass man zumindest vier Spieler Jahrgang 1993 und jünger einsetzen muss, sind gewisse Spieler "geschützt", obwohl sie vielleicht nicht das erforderliche Niveau haben. Früher wären viele von ihnen, rein von der sportlichen Qualifikation her, keine Profifußballer gewesen. Punkt. Mit 22 werden diese Spieler dann in die Regionalligen oder Landesligen durchgereicht. Diese Regel gehört abgeschafft. Die wirklich guten Jungen setzen sich ohnehin durch.

LAOLA1: Die U18 und U16 des FAC sind Herbstmeister beim Wiener Fußball-Verband. Wie kommt es, dass der Verein trotz dreier Akademien in unmittelbarer Nähe (Austria, Rapid, Südstadt; Anm.), so einen guten Nachwuchs stellen kann?

Kleer: Viele unserer Jugendspieler, speziell die älteren, kommen von Vereinen wie Austria, Vienna oder Rapid, wo sie eben nicht Fuß gefasst haben. Es wird beim FAC zwar gute Nachwuchsarbeit geleistet, aber es muss das Ziel sein, einzelnen Spielern den Sprung in die erste Mannschaft zu ermöglichen.

LAOLA1: Der Schritt zur "dritten Kraft" in Wien ist, aus rein sportlichen Gesichtspunkten, bereits gelungen!

Kleer: Der Verein will auch auf Dauer diese dritte Kraft in der Stadt sein, hinter der Austria und Rapid, aber es ist schwer. Der FAC hat zwar große Tradition, aber nicht jene wie die Vienna oder der Sportklub. Jahrzehnte kann man nicht in ein paar Jahren wettmachen, aber durch nachhaltige Arbeit ist es sicher irgendwann möglich. So weit ich das beurteilen kann, ist man bei der Vienna und dem Sportklub auch selbst Schuld an der Stagnation.

LAOLA1: Reisen wir ein bisschen zurück in der Zukunft. Auf welchem Tabellenplatz wird der FAC im Sommer abschließen?

Kleer: Ich bin sicher, dass wir die Saison unter den ersten Acht beenden!

LAOLA1: Dafür alles Gute und vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Gespräch führte Kevin Bell

LAOLA1: Warum gelingt das nicht?

Kleer: Uns fehlt eine Amateur-Mannschaft. Der Schritt vom Jugend- in den Profifußball ist zu groß. Wenn der eigene Nachwuchs hochgezogen werden soll, dann muss der Verein hier investieren. Den Jungs könnte der Einstieg in den Erwachsenenfußball damit erleichtert werden. Außerdem muss die individuelle Förderung von Talenten vorangetrieben werden. Ein talentierter 15-Jähriger darf nicht in der U15 oder U16 spielen, sondern muss in die U18. Das passiert mir noch zu wenig.

LAOLA1: Wie sollte die Amateurmannschaft des FAC aussehen und wie schwer ist es, so eine auf die Beine zu stellen?

Kleer: Der Klub wollte im Vorjahr die "Amateure" installieren, doch der Wiener Fußball-Verband hätte diese in die siebente Liga eingestuft. Das ist sportlich wertlos. Was bringt es einem Kaderspieler aus dem Profi-Team oder einem aufstrebenden Jungtalent, dort Spielpraxis zu sammeln? Wir brauchen die Amateure in der 2. Landesliga, deshalb haben wir zurückgezogen.

LAOLA1: Im Sommer haben Sie angedeutet, dass über kurz oder lang ein Vormittagstraining etabliert werden muss. Wie sieht es diesbezüglich aus und gibt es nach wie vor Spieler, die berufstätig sind?

Kleer: Fünf oder sechs Spieler sind noch immer berufstätig. Es gibt zwar ein Vormittagstraining, zudem auch in etwa 16 Spieler kommen, aber bedingt durch den Rhythmus sind wir zuletzt kaum dazu gekommen. Wir werden das sukzessive steigern und in der Vorbereitung ein bis zwei Mal pro Woche zwei Mal täglich trainieren. Wir müssen im Frühjahr den nächsten Schritt machen.