news

Ein Verein am Weg in die Bedeutungslosigkeit

Ein Verein am Weg in die Bedeutungslosigkeit

Sieglos im Jahr 2015, Tabellenschlusslicht und Vier-Punkte-Rückstand auf das rettende Ufer.

Die Lage des FC Wacker Innsbruck ist in Zeiten wie diesen eine überaus triste. Der Tiroler Vorzeigeklub ist auf bestem Wege, innerhalb von zwei Jahren von der Bundesliga in die Drittklassigkeit abzustürzen.

Die Liste möglicher Gründe, warum die „Grün-Schwarzen“ direkt in die sportliche Bedeutungslosigkeit steuern, ist lang. Angefangen von Präsidenten, deren Fußball-Fachwissen nicht existent ist, über Sportdirektoren ohne Qualifikation, bis hin zu Profis, bei denen man mitunter vergeblich nach Professionalität sucht.

Baustelle Nummer eins: Die Präsidenten und die Politik

Drei Präsidenten, anfangs noch Obmänner genannt, waren seit dem Konkurs des FC Tirol im Jahr 2002 am Werk, von Interims-Lösungen wie Johannes Marsoner abgesehen. Eines haben die Herren Gerhard Stocker, Kaspar Plattner und Josef Gunsch allesamt gemeinsam – sie waren völlige Quereinsteiger im Fußball.

Wahrlich keine ideale Situation, in Österreich allerdings gang und gäbe. Für den sportlichen Bereich kann man sich immer noch einen Fachmann einstellen. Dass dies nur selten glückte, ist ein anderes Thema. Für den Präsidenten, samt Sechs-Mann-Vorstand, bliebe immer noch der wirtschaftliche Sektor, sind die drei oben genannten Herren doch allesamt erfolgreiche Geschäftsmänner.

Doch auch auf dieser Ebene konnten sich die Vereins-Oberhäupter nicht mit Ruhm bekleckern. Zwischenzeitlich häuften sich über eine Million Euro an Verbindlichkeiten an, und das obwohl stets ein Sparkurs ausgegeben wurde. Der aktuelle Präsident Gunsch ist ob dieses schweren Rucksackes wahrlich in keiner beneidenswerter Lage, doch sein rigoroses Sparen (Stichwort Trainingslager) scheint auch nicht des Rätsels Lösung zu sein.

Aufgrund der immensen Schulden-Last wackelte mitunter der Lizenz-Erhalt, also musste man beim Land Tirol mehrfach auf Bettelkurs gehen. Aktuell bekommt man unter anderem bis 2021 jährlich 100.000 Euro für die Werbefläche auf der Außenseite des Tivoli-Stadions, damit soll das negative Eigenkapital von 960.000 Euro abgebaut werden. Dass der Großteil der Sponsoren des FC Wacker von Stadt und Land zu seinem Glück gezwungen wird, ist ohnehin bekannt.

Von reinen Nettigkeiten der Politiker kann man aber nicht sprechen. Mit dem Sponsoring stellten sich zeitgleich Forderungen ein, auch im sportlichen Bereich. „Ein Tiroler muss es sein“ hieß die Personal-Maxime, die zuletzt vorgegeben wurde. Auch in der Stadionsituation werden dem Verein die Hände gefesselt, teure Miete und eine geringe Umsetzbeteiligung für das Catering inklusive.

Baustelle Nummer zwei: Die Sportdirektoren

Christian Ablinger, Helmut Kraft, Theo Grüner, Oliver Prudlo, Roland Kirchler und Florian Klausner. Diese Herren waren seit 2002 hauptverantwortlich für die Kaderzusammenstellung des FCW. Um nicht zu weit in die Vergangenheit abzudriften, beginnen wir mit der Amtszeit von Oliver Prudlo, der nach dem Aufstieg 2010 für den viel zu früh verstorbenen Theo Grüner übernahm.

Die Aufgabe Prudlos war klar: Er sollte gemeinsam mit seinem ehemaligen FC-Tirol-Verteidigungskollegen Walter Kogler den Verein nach dem Wiederaufstieg in der Bundesliga etablieren. Es folgte eine durchaus erfolgreiche erste Transferzeit, auch die Saison verlief mit Platz sechs erfreulich.

Als man in der Saison 2012/13 bereits kurz vor dem Abstieg stand und sich auch die Transfer-Treffer stark reduziert hatten, trennte man sich von Prudlo. Der Hauptgrund war allerdings ein anderer. Prudlo war kein Tiroler, so wie es die Politik nach saftigen Subventionen forderte. Letztlich wurde man auf der Suche nach einem Ersatz für den engagierten Trainer nicht fündig.

Der damalige Trainer Roland Kirchler übernahm und fungierte in Doppelfunktion. Ein Zustand, den er selbst mehrfach anprangerte. Da Geld in Tirol stets Mangelware ist, blieb Kirchler keine andere Wahl. Sportlich schaffte er mit dem „Wunder von Wolfsberg“ den Klassenerhalt am letzten Spieltag, die darauffolgende Transferzeit war aber nicht von Erfolg gekrönt.

Nur die Fans präsentieren sich momentan erstklassig

Es musste im Endeffekt also doch ein neuer Mann für die sportliche Leitung her. Das Anforderungsprofil  war aber ein sehr spezifisches: Ein Tiroler, der nicht viel kostet. Wie praktisch, dass man mit dem damaligen Co-Trainer Florian Klausner einen Mann in den eigenen Reihen hatte, der auf dem Papier prädestiniert für diese Position war. Ein Studium-Abschluss in Sportwissenschaft und Betriebswirtschaft schien die perfekte Mischung zu sein.

Dem nicht genug soll er, nach Angaben des Vorstands, sogar das beste Konzept vorgelegt haben. Mit einer neuen Nachwuchsstrategie sowie einer Neugestaltung der (nicht vorhandenen) Scouting-Abteilung hat Klausner überzeugt. Diese sucht man allerdings bis heute vergeblich.

Der Umstand, dass Klausner vom einen auf den anderen Tag vom „Angestellten“ in Kirchlers Trainerteam zu dessen Chef aufstieg, blieb ungeachtet. Wenig überraschend, dass diese Konstellation auf lange Sicht nicht funktionieren konnte. Es dauerte letztlich nur wenige Wochen, ehe der Trainer den Hut nehmen musste.

Baustelle Nummer drei: Die Transfers unter der Ägide Klausners

Die Winterpause der Saison 2013/14 war die erste große Bewährungsprobe für den neuen Sportdirektor. Die Mannschaft stand am Tabellenende, es bedurfte einer kaderlichen Aufbesserung. Gesucht, vermeintlich gefunden. Zeljko Djokic, Ji-Parana und Bright Edomwonyi waren die drei Spieler mit klingenden Namen, die den FC Wacker aus dem Tabellenkeller führen sollten.

Djokic kam als Stabilisator für die wacklige Hintermannschaft. Mit mäßigem Erfolg, wie man im Nachhinein weiß. Es könnte natürlich auch daran liegen, dass der Serbe gelernter Rechtsverteidiger ist. Der Brasilianer Ji-Parana sollte Kreativität ins Mittelfeld bringen, immerhin war er Kapitän der U21-Nationalmannschaft der „Selecao“. Dass er wie schon die zwei Jahre zuvor ständig verletzt war, kann man als Pech abstempeln. Auch der vermeintliche Goalgetter Edomwonyi stellte sich schnell als Flop heraus, sein Knoten wollte erst eine Saison später in Hartberg platzen.

Das Ende vom Lied ist bekannt, die Innsbrucker traten den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit an. Auf einen rigorosen Umbruch seitens des Sportdirektors wartete man allerdings vergebens. Eine Vielzahl an Spielern der statistisch schlechtesten Wacker-Mannschaft aller Zeiten durfte sich über ein neues Vertragsangebot freuen. Darunter auch Bankdrücker, die nur eine untergeordnete Rolle spielten. Roman Wallner hingegen, der stets aufopfernd gekämpft hat und von den Fans geliebt wurde, war nicht mehr erwünscht.

Da die meisten Spieler doch lieber in der Bundesliga spielten, war Klausner dazu gezwungen, einen neuen Kader aufzustellen. Lediglich die Defensive, die in der Vorsaison 70 Gegentreffer zuließ, wurde großteils gehalten, zusätzlich wurde mit Davidson Drobo-Ampem ein Verteidiger mit Europa-League-Erfahrung geholt. Anfänglich wusste man allerdings nicht genau, wo er spielen sollte. Diese Frage hat sich ohnehin erledigt, er ist bis zum Saisonende verletzt.

Zusätzlich begrüßte man auch noch drei ehemalige ÖFB-Nationalspieler am Tivoli. Das Fazit fällt aber eher nüchtern aus: Pascal Grünwald kassiert viel Geld, aber auch viele Tore. Jürgen Säumel zeigt gute Ansätze, seine fehlende Geschwindigkeit kann er trotzdem nicht verstecken. Und Andreas Hölzl bleibt ohnehin alles schuldig, was man von ihm erwartete. Hinzu kommen noch einige Mitläufer, die der Mannschaft in schwierigen Situationen nicht weiterhelfen können.

Auch die Offensivflaute mit nur 20 erzielten Toren ist hausgemacht. Der brav kämpfende, aber nicht unbedingt als Goalgetter bekannte Alexander Gründler wurde verlängert, für Simon Zangerl, der von Wattens geholt wurde, war der Schritt wohl zu groß. Stjepan Vuleta wurde fest von Basel verpflichtet, die Frage nach dem Warum bleibt allerdings. Nachdem er in der Vorsaison vor allem mit Verletzungen und unnötigen Sperren auffiel, hat er auch in dieser Spielzeit nur magere sieben Einsätze zu Buche stehen, mehr werden es verletzungsbedingt auch nicht. Thomas Hirschhofers Hoch mit fünf Treffern gehört auch schon der fernen Vergangenheit an.

Im Winter wurde zwar noch einmal nachgerüstet, anstelle eines Verteidigers und eines Stürmers, wie es sich jeder, auch Neo-Trainer Klaus Schmidt, erhofft hatte, kamen allerdings ein Verteidiger und zwei defensive Mittelfeldspieler.

Nach drei Transferzeiten, in denen Florian Klausner Zeit hatte, ein Team nach seinen Vorstellungen zusammenzustellen, bleibt nur ein Resümee: Nicht Genügend. Kein Wunder, dass mittlerweile die Sportbeiräte Nick Neururer und Roland Hattenberger im Vorstand installiert wurden.

Baustelle Nummer vier: Die Einstellung der Profis

Natürlich darf man die Kritik an der Mannschaft nicht pauschalisieren. Sowohl im vergangenen Abstiegsjahr, als auch in der laufenden Saison sieht man Spieler, die alles für den Verein geben und sich, zumindest was die Einstellung angeht, nichts zu Schulden kommen lassen.

Doch abseits dieser Profis gibt es auch eine hohe Zahl an Spielern, die weniger positiv auf und neben dem Platz auffallen. Zu viele scheinen sich für Abstiegskampf zu schade zu sein. Das war letzte Saison bereits so und wiederholt sich ein Jahr später gnadenlos.

Einigen Wacker-Profis eilt der Ruf voraus, gerne im Innsbrucker Nachtleben anzutreffen zu sein, sei es  kurz vor einem Spieltag oder direkt nach einer Niederlage. Natürlich ist es auch einem Fußballer vergönnt hin und wieder um die Häuser zu ziehen, zur Regel sollte es allerdings nicht werden.

Auch die Trainingsmoral wirft für Außenstehende Rätsel auf. Beendet der Coach das Training, dauert es meist keine fünf Minuten und der Platz ist leer. Es soll Spieler geben, die auch nach Ende des regulären Trainings noch weiter an sich arbeiten, um sich stetig zu verbessern.

Beim FC Wacker Innsbruck dagegen bekommt man in der hauseigenen Stadionzeitung zu lesen, dass man nach zwei Eineinhalb-Stunden-Trainings an einem Tag schon sehr erschöpft ist.

Der sportliche Absturz des ehemaligen Serien-Meisters kommt also keineswegs zufällig. Die falschen Entscheidungen bei wichtigen Positionen häuften sich, die Kosten könnten fatal sein. Ob es bei einem Abstieg in die Regionalliga noch weiter geht ist nicht bekannt. Präsident Josef Gunsch sagt recht offenherzig: „Einen Plan C für die Regionalliga West gibt es nicht.“ Am Ende wird wohl wieder die Politik eingreifen und Wacker am Leben erhalten.

Auch der österreichische Fußball wäre betroffen. Mit den Tirolern würde nicht nur der erfolgreichste Klub außerhalb Wiens verloren gehen, auch eines der modernsten Stadien und eine große Fanbasis würden sich vom Profi-Fußball verabschieden.

Die Zeit, dieses Horror-Szenario aufzuhalten, läuft mit großen Schritten davon.

 

Julian Saxer